Zielsetzung
Obwohl unsere Asphaltstraßen nur zu etwa fünf Prozent ihrer Masse aus Bitumen bestehen (der Rest ist Gestein), werden die mechanischen Eigenschaften des Asphalts doch entscheidend vom bituminösen Bindemittel geprägt. Um das physikalische Verhalten von Bitumen besser erfassen zu können, wurde in den USA im Zuge des "<link http: www4.nationalacademies.org trb dive.nsf web shrp_implementation _blank>Strategic Highway Research Program" (SHRP) eine neue Prüfmethodik entwickelt, um die Auswahl der Bitumensorte für die jeweilige Anwendung im Straßenbau zu verbessern. Da mit diesen neuen Testverfahren in Europa noch wenig Erfahrung besteht, wurde am <link http: www.istu.tuwien.ac.at _blank>Institut für Straßenbau und Straßenerhaltung in Kooperation mit dem <link http: www.arsenal.ac.at _blank>arsenal research und dem Zentrallabor der <link http: www.teerag-asdag.at _blank>TEERAG-ASDAG AG ein Forschungsprojekt durchgeführt, um die konventionellen Bitumenprüfungen (laut Österreichischen Richtlinien) mit jenen aus den USA zu vergleichen und den bestehenden Erfahrungshintergrund auf das neue Prüfschema anzuwenden. Damit wird die Zielsicherheit bei der Auswahl des für die jeweilige Anwendung am besten geeigneten Bitumens verbessert und somit werden Schäden im Asphalt frühzeitig verhindert. Die wichtigsten maßgebenden Auswahlkriterien stellen dabei das vorherrschende Klima und die voraussichtliche Verkehrsbelastung dar. Die Finanzierung dieses Projektes erfolgte aus den Mitteln des <link http: www.bmvit.gv.at _blank>Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie.
Durchgeführte Untersuchungen
Es wurden 18 verschiedene im Straßenbau zum Einsatz kommende Bitumen, mit denen in Österreich entsprechende Praxiserfahrungen vorliegen, sowohl in konventioneller Weise (laut Österreichischen Normen) als auch nach der SHRP-Methodik (amerikanisches Straßenforschungsprogramm) untersucht und die Ergebnisse miteinander verglichen. Zusätzlich kam auch eine Strukturgruppenanalyse zum Einsatz, um die chemischen Veränderungen des Bitumens während der Untersuchungen - hervorgerufen durch zwei künstliche Alterungsvorgänge im Labor - zu beobachten.
Beim konventionellen Bitumenprüfschema werden die Bitumenproben mittels verschiedener Tests untersucht (z.B. Penetration, Erweichungspunkt mit Ring und Kugel, Brechpunkt nach Fraass), welche keine direkten physikalischen Kenngrößen des Bitumens bzw. des damit hergestellten Asphaltes für bestimmte Schadensfällen (z.B. Risse, Spurrinnenbildung) geben. Ein Rückschluss von diesen Prüfwerten auf das tatsächliche Verhalten des Bitumens in der Asphaltstraße ist nur über die praktische Erfahrung und Abschätzung möglich. Die Entscheidung, welches Bitumen (Bitumensorte) für den jeweiligen Anwendungsfall (Klima, Verkehrsbelastung, ...) zu verwenden ist, erfolgt somit subjektiv gestützt auf die Prüfergebnisse und den praktischen Erfahrungshintergrund. Es gibt aber kein zwingendes Schema, das die Bitumenwahl an die Prüfergebnisse bindet und somit objektivieren würde.
Das SHRP Bitumenklassifizierungsschema baut darauf auf, dass "echte" <link http: www.rheologie.de _blank>rheologische Werte, wie zum Beispiel Viskosität (= Zähigkeit einer Flüssigkeit) und Steifigkeit des Bitumens gemessen werden. Die für den Auswahlprozess gültigen Grenzwerte sind für alle Bitumensorten gleich. Durch das stark temperaturabhängige Verformungsverhalten von Bitumen werden diese Grenzwerte aber für jedes Bitumen bei einer anderen Prüftemperatur erreicht. Als Ergebnis jeder "SHRP-Prüfung" erhält man somit jene Temperatur, bei der die physikalische Anforderung gerade noch erfüllt wird. Da jede Prüfung eine potentielle Straßenschädigung (z.B. Spurrinnenbildung) repräsentiert, kann somit auf einen Temperatureinsatzbereich des Bitumens geschlossen werden, innerhalb dessen in der Praxis keine derartige Schädigung auftritt. Deshalb wird diese Art der Prüfung auch als "gebrauchsverhaltensorientierte Bitumenprüfung" bezeichnet. Der Anwendungsbereich einer so getesteten Bitumensorte wird durch zwei "Grenz-Einsatztemperaturen", dem sogenannten "Performance Grade" charakterisiert. Ein Performance Grade von "PG 52 –22" würde somit bedeuten, dass das so bezeichnete Bitumen nur in einer Temperaturzone (Klima) verwendet werden dürfte, in der die maximalen Asphalttemperaturen im Sommer +52°C nicht überschreiten, und die minimalen Asphalttemperaturen im Winter -22°C nicht unterschreiten. Diese Temperaturen entsprechen jenen, die z.B. in Wien erreicht werden. Somit kann anhand der Prüfergebnisse (Grenz-Einsatztemperaturen) genau jenes Bitumen ausgewählt werden, dass den Anforderungen entspricht. Für die USA existieren hiefür bereits entsprechende Asphalt-Temperaturkarten. Am Institut für Straßenbau und Straßenerhaltung wurde vor kurzem ein Forschungsprojekt abgeschlossen, im Zuge dessen ein Zusammenhang zwischen den in Österreich vorherrschenden Lufttemperaturen und den Asphalttemperaturen hergestellt werden konnte. Somit gibt es auch für Österreich Asphalttemperaturkarten, die in Zukunft zur Bitumenauswahl nach SHRP-Kriterien herangezogen werden können. Da sich eine erhöhte Verkehrsbelastung hauptsächlich durch stärkere Spurrinnenbildung auswirkt, erfolgt die Anpassung darauf im SHRP-Prüfschema durch Anhebung der oberen Grenz-Temperatur. Damit muss der geforderte "Verformungs-Grenzwert" bei einer erhöhten Prüftemperatur erreicht werden, was gleichbedeutend mit einem höheren Verformungswiderstand des aus dem geprüften Bitumen hergestellten Asphaltes ist.
Ergebnis
Vergleicht man die Ergebnisse der konventionellen Prüfungen mit jenen der SHRP-Klassifizierung, so ergibt sich eine übereinstimmende Grundaussage der beiden Bindemittelbeurteilungssysteme. Bitumen, deren Messergebnisse nach der konventionellen Beurteilung auf bessere Standfestigkeit (= Widerstand gegen Spurrinnenbildung) hinweisen, erreichen auch eine höhere obere Grenztemperatur laut SHRP (= obere Performance Grade-Grenze). Bitumen mit besserem Tieftemperaturverhalten laut konventioneller Beurteilung erreichen eine tiefere und somit bessere untere SHRP-Grenztemperatur (= untere Performance Grade-Grenze). Somit ist auf Grundlage der bisherigen Erfahrung das neue Klassifizierungsschema durchaus für in Österreich gebräuchliche Bitumen geeignet. Einzig bei Bitumen, die durch Zugabe von Kunststoffen modifiziert werden (Elastomere), ergibt sich in dieser Hinsicht noch Forschungsbedarf. Da diese modifizierten Bitumen aufgrund ihrer guten Eigenschaften vermehrt Anwendung finden, werden speziell diese Bitumen in einer weiteren Forschungsarbeit derzeit am Institut für Straßenbau und Straßenerhaltung untersucht.
Der praktische Nutzen dieses "neuen" gebrauchsverhaltensorientierten Bitumen-Bewertungssystems laut SHRP sind einerseits die qualitativ besseren Ergebnisse der einzelnen Tests. Damit ergibt sich die Möglichkeit, über theoretische Asphaltverhaltensmodelle die Asphalt - Mischgutrezeptur (Bitumen + Gestein) zu optimieren, und so ohne Einbußen bei der Straßenlebensdauer die Schichtdicken des Straßenoberbaus zu verringern, um Materialressourcen einzusparen. Andererseits wäre die für den jeweiligen Anwendungszweck optimale Bitumenauswahl vereinfacht, da durch ein genau festgelegtes Bitumenauswahlschema im SHRP-System hier kaum subjektiver Spielraum bleibt.
Literatur:
Litzka J., Strobl R., Pass F. und Augustin H.: Gebrauchsverhaltensorientierte Bitumenprüfung. Schriftenreihe Straßenforschung, Heft 479, Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten, Wien, 1999