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Mit Laserstrahlen tief ins Gewebe blicken

Ein Ultramikroskop ermöglicht es an der TU Wien, große biologische Strukturen mit höchster Präzision abzubilden. Die Anwendungsmöglichkeiten reichen von Alzheimerforschung bis zur Entwicklungsbiologie. Nina Jährling erhält dafür den Körner-Preis.

3D-Rekonstruktion des Thoraxes einer Drosophila Mutante. Die Inneren des Thorax befinden sich u.a. symmetrisch angeordnete indirekte Flugmuskeln sowie Strukturen des Nervensystems und des Intestinaltrakts.

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3D-Rekonstruktion des Thoraxes einer Drosophila Mutante. Die Inneren des Thorax befinden sich u.a. symmetrisch angeordnete indirekte Flugmuskeln sowie Strukturen des Nervensystems und des Intestinaltrakts.

3D-Rekonstruktion des Thoraxes einer Drosophila Mutante. Die Inneren des Thorax befinden sich u.a. symmetrisch angeordnete indirekte Flugmuskeln sowie Strukturen des Nervensystems und des Intestinaltrakts.

3D-Rekonstruktion der innervierenden Nerven in der linken unteren Extremität eines Mausembryos (PN: peroneal nerve, TN: tibial nerve, Scale 100 µm)

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3D-Rekonstruktion der innervierenden Nerven in der linken unteren Extremität eines Mausembryos (PN: peroneal nerve, TN: tibial nerve, Scale 100 µm)

3D-Rekonstruktion der innervierenden Nerven in der linken unteren Extremität eines Mausembryos (PN: peroneal nerve, TN: tibial nerve, Scale 100 µm)

Nina Jährling

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Nina Jährling

Nina Jährling

Mit einem neu entwickelten „Ultramikroskop“ lassen sich spannende Einblicke in die Biologie gewinnen. Spektakuläre dreidimensionale Aufnahmen von kompletten Mäusehirnen oder Fruchtfliegen-Muskeln mit hoher Auflösung werden an der Fakultät für Elektrotechnik der TU Wien gemacht. Für optimale Ergebnisse müssen ganz unterschiedliche Wissenschaftsbereiche ineinandergreifen – von Lasertechnologie bis zur Gentechnik. Nina Jährling vom Institut für Festkörperelektronik (Abteilung Bioelektronik) wird für diese Arbeiten nun mit dem Theodor-Körner-Preis ausgezeichnet.

Gewebe fluoreszieren lassen

Die Ultramikroskopie-Technik nutzt das Prinzip der Fluoreszenz: Gewisse Substanzen senden Licht aus, wenn sie mit Licht einer bestimmten Wellenlänge bestrahlt werden. Viele biologische Gewebe fluoreszieren bis zu einem gewissen Grad auf ganz natürliche Weise (das bezeichnet man als Autofluoreszenz). Soll ein ganz bestimmtes biologisches Gewebe untersucht werden, kann man spezielle Tiermodelle verwenden, deren Genom ein Gen für ein fluoreszierndes Protein trägt. Auch fluoreszierende Antikörper oder ganz bestimmte Proteine (Lektine) kann man ganz gezielt an bestimmte Zielmoleküle andocken lassen. Damit werden die gesuchten Strukturen optisch sichtbar.
Ein derart fluoreszierendes Gewebe kann dann Schicht für Schicht mit Laserstrahlen seitlich durchleuchtet werden. Nur in der dünnen beleuchteten Schicht wird Fluoreszenz angeregt. Aus den Einzelbildern der einzelnen Schichten entsteht dann am Computer eine dreidimensionale Rekonstruktion – mit einer Detailtiefe wie es etwa für Computertomographen unerreichbar wäre. Mit herkömmlichen Methoden musste man relativ große Gewebestrukturen vorher mechanisch in Scheiben schneiden und nacheinander untersuchen. Die Laserstrahlen hingegen dringen ins Gewebe ein ohne es zu zerstören. Die Idee dafür stammt vom MPI für Psychiatrie in München, wo Nina Jährling früher tätig war. Nun wird das Ultramikroskop auch in Wien weiterentwickelt und in der Praxis erprobt. Das durchleuchtete Gewebe sollte möglichst lichtdurchlässig sein. Die Proben werden daher vor der Untersuchung entwässert und in Lösungen eingelegt, die ganz ähnliche optische Eigenschaften haben wie das Gewebe selbst – dadurch wird die Probe beinahe transparent. Nina Jährling führte Versuchsreihen zu neuen Entwässerungs- und Klärungstechniken durch, die in ein TU-Patent miteingingen.

Elektrotechnik und Medizin

„Unsere Forschung hier ist sehr interdisziplinär“, stellt Nina Jährling fest. Unter der Leitung von Prof. Hans Ulrich Dodt arbeitet Klaus Becker am computertechnischen Bereich des Projektes, Saiedeh Saghafi beschäftigt sich mit der Optik. Nina Jährling selbst – sie ist studierte Biologin – beschäftigt sich insbesondere mit der Nutzung des Ultramikroskopes für biologische und medizinische Grundlagenforschung. „Die Weiterentwicklung der Mikroskopie-Methode und die konkrete Anwendung für biologische Fragestellungen gehen Hand in Hand“, erklärt Nina Jährling. „Methode und Anwendung lassen sich hier nicht strikt trennen.“ Auch Labore am Zentrum für Hirnforschung der Medizinischen Universität Wien kann Jährling als Gast für ihre Untersuchungen mitbenutzen.

Mäusehirn und Fliegenmuskel
Ein Anwendungsbereich der neuen Methode ist die Alzheimerforschung: In den Gehirnen alzheimerkranker Mäuse lassen sich die charakteristischen Plaque-Ablagerungen untersuchen, wie man sie auch von menschlichen AlzheimerpatientInnen kennt. „Gerade für Nervenzellen oder Nervenstränge, die sich über weite Strecken durch das Gewebe ziehen, ist unsere Technik wunderbar geeignet“, erklärt Jährling. Einzelne Nervenzellen und sogar die feinen Dendriten, mit denen sie Netzwerke bilden, lassen sich dreidimensional präzise darstellen. So wird etwa auch untersucht, wie sich im Embryonalstadium Nervenstränge ausbilden und ihren Weg zum Zielorgan finden. Besonders gut eignet sich für diese Untersuchungsform auch das Lieblingstier der Genetik und Entwicklungsbiologie: Die Fruchtfliege Drosophila melanogaster lässt sich nach der chemischen Klärung durchleuchten und ihre Organsysteme abbilden – womit man beispielsweise einen dreidimensionalen Einblick in ihre Flugmuskulatur bekommt und genetisch bedingte Fehlbildungen im Detail analysieren kann.

Theodor Körner Preis
Der Theodor Körner Fonds wurde im Jahr 1953 anlässlich des 80. Geburtstages des damaligen Bundespräsidenten Theodor Körner gestiftet. Seitdem werden jährlich herausragende Arbeiten aus Wissenschaft und Kunst ausgezeichnet. Damit werden junge WissenschafterInnen und KünstlerInnen gefördert, die schon jetzt exzellente Arbeit leisten und von denen noch weitere innovative Arbeiten erwartet werden können. Nina Jährling erhält den Theodor Körner Preis heute, am 28. April 2011. Neben ihr werden auch die TU-Forscher Hannes Mikula und Georg Steinhauser mit dem Körner-Preis ausgezeichnet. Die PreisträgerInnen werden im Anschluss von Bundespräsident Heinz Fischer empfangen.

Nähere Informationen: 
Dipl.-Biol. Nina Jährling
Institut für Festkörperelektronik
Floragasse 7
1040 Wien
+43-1-58801-36263
<link>nina.jaehrling@tuwien.ac.at