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Mensch und Maschine gemeinsam

Forschungsarbeiten der TU Wien verbinden Theorie und Praxis der künstlichen Intelligenz und erlauben so einen Blick in die Zukunft: Mensch und Maschine schließen sich nicht aus.

menschliche Hand berührt Roboterhand vor Programmiercode im Hintergrund

Noch immer schwirren Science-Fiction-artige Vorstellungen von Künstlicher Intelligenz (Artificial Intelligence, AI) in vielen Köpfen herum: Von menschenähnlichen Robotern oder von Maschinen, die Menschen in vielen Berufen obsolet machen. Einen realistischeren Blick auf die Zukunft der AI erlauben Forschungsergebnisse der TU Wien: Am CD-Labor für Künstliche Intelligenz und Optimierung in Planung und Scheduling werden in Zusammenarbeit mit Firmen aus ganz unterschiedlichen Branchen konkrete Probleme mit künstlicher Intelligenz gelöst. Dabei zeigt sich: Am besten ist eine Kombination von menschlicher und künstlicher Intelligenz. AI wird zum Werkzeug, das von Menschen mit Verstand und Erfahrung eingesetzt wird.

Zu viele Möglichkeiten, um alle zu testen

„Wir beschäftigen uns mit komplexen Planungsaufgaben – das ist ein ganz klassisches Anwendungsgebiet für künstliche Intelligenz“, sagt Nysret Musliu, Leiter des Forschungslabors. „Das reicht von Krankenhäusern, in denen man optimale Operationspläne berechnen muss, damit alle Ressourcen optimal genützt werden, bis hin zu Fabriken, wo die Abläufe so geplant werden, dass keine unnötigen Verzögerungen entstehen.“

In solchen Fällen gibt es so viele logisch denkbare Lösungen, dass es völlig unmöglich ist, alle Varianten durchzuprobieren, um die beste herauszufinden. Man muss strukturiert an solche Planungsaufgaben herangehen. Strategien dafür konnte das Team, zu dem unter anderem die Dissertanten Lucas Kletzander, Florian Mischek und Felix Winter gehören, in letzter Zeit immer wieder in hochangesehenen Fachjournalen und auf wissenschaftlichen Konferenzen präsentieren.

Buslinien und Gerätetests

Besonders kompliziert ist etwa das Erstellen von Dienstplänen für Verkehrsbetriebe: Wer Busse, Züge oder Straßenbahnen lenkt, muss nach einer gewissen Zeit Pausen einhalten, das ist arbeitsrechtlich so vorgeschrieben. Das bedeutet: Lenker_innen müssen aussteigen, das Fahrzeug muss übergeben werden. Das bringt oft lange Unterbrechungen mit sich. Wenn sie unbezahlt bleiben, ist das ein schwerer Nachteile für Beschäftigte, wenn sie bezahlt werden, fallen hohe Zusatzkosten für die Unternehmen an.

„Schon bisher wurden Optimierungsverfahren verwendet, um solche Dienstpläne zu erstellen. Wir konnten nun zeigen, dass der Einsatz von künstlicher Intelligenz hier noch einmal deutlich bessere Ergebnisse ermöglicht“, sagt Nysret Musliu. „In Kooperation mit der Firma Ximes konnten wir zeigen, dass in der Praxis die Zahl und Dauer solcher Unterbrechungen deutlich verringert werden kann.“

Ähnlich kompliziert ist eine Planungsaufgabe der Firma Bosch: Dort geht es darum, möglichst viele Geräte zu testen – und zwar mit einer beschränkten Zahl von Teststationen und mit beschränktem Personal, das jeweils für jeden einzelnen Test die passende Expertise haben muss. Auch hier ist die Zahl der möglichen Ablaufpläne astronomisch groß – aber mit künstlicher Intelligenz konnte man in kurzer Zeit sehr gute Lösungen finden.

Auch andere Planungsaufgaben aus der industriellen Praxis konnten im CD-Labor bereits gelöst werden. „Ein besonders komplexes Problem trat etwa bei Lackieranlagen in der Automobilzulieferindustrie auf“, berichtet Nysret Musliu. „Die Firma MCP muss für den Betrieb, der die Lackierungen vornimmt, die Reihenfolge der Arbeitsschritte so planen, dass die Zeit, die man durch Farbwechsel und Umrüstarbeiten verliert, möglichst kurz ist. Für solche Aufgaben wurden bisher erfahrene Experten eingesetzt. Die KI-basierten Methoden konnten hier auch sehr komplexe Probleme automatisch lösen.“

Modellieren und lösen

Damit das gelingt, sind mehrere Schritte notwendig: „Es gibt heute kommerziell erhältliche Software, die mit künstlicher Intelligenz bestimmte Probleme löst“, erklärt Musliu. „Dafür muss man aber zunächst das konkrete Problem in eine mathematische Form übersetzen, mit der diese Software arbeiten kann – und dafür gibt es unterschiedliche Möglichkeiten.“ Das Forschungsteam an der TU Wien untersucht, wie man logische Probleme so formalisieren kann, dass künstliche Intelligenz am besten und einfachsten eine gute Lösung findet – und das ist eine Aufgabe, für die man viel menschliche Intelligenz benötigt.

„Im zweiten Schritt verbessern wir die Software selbst“, sagt Nysret Musliu. „Die Lösungsmethoden müssen für das jeweilige Problem ausgewählt und angepasst werden.“ Manche Aufgaben kann man etwa in einzelne Teilprobleme zerlegen, die nur an ganz bestimmten Punkten miteinander in Verbindung stehen. Wenn die künstliche Intelligenz eine Lösung erarbeitet, die im Bereich des Teilproblems bereits gut aussieht, kann man diesen Bereich fixieren und den Rest neu rechnen lassen – oder umgekehrt: Man ist mit einem Teilbereich der Lösung unzufrieden, verwirft ihn und lässt die künstliche Intelligenz dort nach einer besseren Lösung suchen.

„Nach vielen erfolgreich abgeschlossenen Industrieprojekten wissen wir nun sehr genau, welche Tricks in welcher Situation hilfreich sind“, sagt Nysret Musliu. „Teilweise kann man auch die Entscheidung über diese Tricks wieder einer künstlichen Intelligenz überlassen: Wir trainieren künstliche Intelligenz darauf, an statistischen Eigenschaften einer Problemstellung zu erkennen, welche Lösungsmethode besonders erfolgversprechend ist.“

Die Erfahrungen im konkreten Einsatz von künstlicher Intelligenz zeigen jedenfalls: Für menschliche Klugheit und Erfahrung ist immer Bedarf – moderne machine learning Algorithmen sind einfach ein weiteres nützliches Werkzeug, das Menschen sich zunutze machen, wie bereits der Taschenrechner oder der Computer.

Kontakt

Dr. Nysret Musliu
Institut für Logic and Computation
Technische Universität Wien
Favoritenstraße 8, 1040 Wien
+43 1 58801 58428
nysret.musliu@tuwien.ac.at

Text: Florian Aigner