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Marco De Paoli: Strömungen in porösen Materialien

Von der Wärmespeicherung über die unterirdische CO2-Sequestrierung bis hin zur Physik des Meereises: Für viele Phänomene ist es wichtig zu verstehen, wie Fluide durch poröse Materialien fließen (und diese formen).

Marco De Paoli vor einer Ziegelmauer

Angenommen, eine große Menge CO2 wird tief in die Erde gepumpt, damit es nicht in die Atmosphäre gelangt und das Klima beeinflusst. Wie verhält sich das CO2 zusammen mit dem Grundwasser im Gestein? Dies ist ein typisches Beispiel für eine Frage, bei der die bekannte Theorie der Fluiddynamik an ihre Grenzen stößt: Wie verhalten sich Strömungen in porösem Material? Welche chemischen Effekte gibt es? Wie verändert sich die Morphologie des Gesteins durch die Strömung und wie wirkt sich diese Veränderung wiederum auf die Strömung aus?

Mit solch komplexen Fragen beschäftigt sich Marco De Paoli vom Institut für Strömungsmechanik und Wärmeübertragung. Er entwickelt Methoden, um die Strömung von Flüssigkeiten durch poröse Materialien zu beschreiben - insbesondere, wenn die Strömung das poröse Material formt. Der Europäische Forschungsrat (ERC) hat ihm nun einen ERC Starting Grant in Höhe von rund 1,5 Millionen Euro zugesprochen. Das Forschungsprojekt ist auf fünf Jahre angelegt.

 Vom Wärmespeicher zum Eis im Ozean

„Strömungen durch poröse Materialien kommen in vielen Bereichen vor, sowohl in der Natur als auch in der Industrie“, sagt Marco De Paoli. Viele Fragen auf diesem Gebiet sind aber noch offen. Eine besondere Herausforderung ist, dass man oft verschiedene Größenordnungen gleichzeitig im Auge behalten muss: Vielleicht wird das Fließverhalten durch mikroskopische Details im Material bestimmt, auf einer Längenskala von weniger als einem Millimeter. Letztlich will man aber auch eine makroskopische Situation erklären können - zum Beispiel den Transport von Material durch eine mehrere hundert Meter dicke Gesteinsschicht.

Es gibt viele wichtige technische Anwendungen für diese Forschung. Zum Beispiel kann thermische Energie gespeichert werden, indem man mit Phasenübergängen arbeitet: Einem festen Stoff wird Energie zugeführt, bis er schmilzt. Später, wenn die Flüssigkeit wieder erstarrt, wird die Energie wieder freigesetzt. „Wenn man diese Technik der Energiespeicherung im großen Maßstab einsetzen will, muss man das Speichersystem allerdings genau auslegen. Das ist eine Herausforderung, denn man muss verstehen, wie Feststoffe und Flüssigkeiten bei diesem Prozess interagieren, und auch hier haben wir es mit einer Strömung durch poröse Strukturen zu tun, die sich ständig verändern“, erklärt Marco De Paoli.

Etwas Ähnliches passiert in der Natur, wenn sich zum Beispiel Eis auf dem Meer bildet. Kalte Luft lässt die ersten Eiskristalle an der Oberfläche entstehen, während das Wasser darunter wärmer ist. Das Eis bildet sich nicht als vollkommen fester Block, sondern als poröses Gebilde aus unzähligen kleinen Kristallen. Da das Salz des Meerwassers jedoch nicht in die Eiskristalle eingebaut wird, steigt die Salzkonzentration im Wasser direkt unter der frischen Eisschicht an. Wasser mit höherem Salzgehalt hat eine höhere Dichte und sinkt daher ab - und wieder entsteht ein kompliziertes System, das nur verstanden werden kann, wenn man mehrere verschiedene, eng miteinander verknüpfte Effekte zusammen betrachtet.

 Experiment, Simulation und Theorie

Um solche Phänomene richtig zu beschreiben, werden Marco De Paoli und sein Team verschiedene Methoden anwenden. Zum einen werden Experimente im Labor durchgeführt, bei denen Flüssigkeitsströmungen in porösen Materialien mit bildgebenden Verfahren analysiert werden. Zum anderen fließen die Erkenntnisse in komplexe Computersimulationen ein. Mit Hilfe von Supercomputern sollen realistische Szenarien dieser Transportphänomene sehr detailliert simuliert werden. Darüber hinaus werden De Paoli und sein Team einfache theoretische Modelle zur Beschreibung des Strömungsverhaltens entwickeln, mit denen Wissenschaftler und Ingenieure die Dynamik dieser komplexen Systeme vorhersagen und steuern können. Auf diese Weise können die Erkenntnisse in Zukunft auf viele praktische Fälle übertragen werden, ohne dass jedes Mal aufwändige Experimente oder umfangreiche Computersimulationen durchgeführt werden müssen.

 Marco De Paoli

Marco De Paoli studierte Maschinenbau in Udine (Italien), wo er 2016 auch promovierte. 2017 wechselte er an das Institut für Strömungsmechanik und Wärmeübertragung der Technischen Universität Wien. 2021 erhielt er ein Erwin-Schrödinger-Stipendium des Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) und 2022 ein Marie-Sklodowska-Curie-Stipendium der Europäischen Kommission. Derzeit arbeitet er in der Gruppe für Strömungsphysik an der Universität Twente in den Niederlanden. Mit seinem ERC Starting Grant wird er demnächst eine Forschungsgruppe an der TU Wien aufbauen, um sich an der Spitze der internationalen Forschung zu etablieren.

 Kontakt

Marco De Paoli, PhD
Institut für Strömungsmechanik und Wärmeübertragung
Technische Universität Wien

marco.de.paoli@tuwien.ac.at

Text: Florian Aigner