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Lust auf Ornament

Die Tagung "Oberflächenkontrolle" an der Technischen Universität (TU) Wien widmet sich vom 12.-14. Jänner 2006 dem Ornament, einem traditionsreichen Thema der Wiener Kunst- und Architekturgeschichte.

Wien (TU). - Architektinnen und Architekten kommen am Thema Ornament nicht vorbei. Vor allem in Wien, wo der Kampfruf von Adolf Loos gegen das Ornament als eines Verbrechens (1908) noch immer unterschwellig nachhallt und Debatten um die Erhaltung und Rekonstruktion historischer Fassaden es erfordern, Position zu beziehen. Aber auch vor dem Hintergrund neuer Fassadentechniken und computergestützter Fertigungsverfahren gewinnt das Thema zusehends an Aktualität. Die Organisatorin des Symposiums, Anita Aigner vom Institut für Kunst und Gestaltung an der TU Wien, sieht das Ziel der Veranstaltung in der Auseinandersetzung mit neueren ornamentalen Gestaltungsansätzen im Feld der Kunst und Architektur, aber auch in der Befassung mit der Geschichte. "Für GestalterInnen ist es absolut unverzichtbar, sich mit den geschichtlichen, zum Teil vergessenen Dimensionen der eigenen gestalterischen Praxis vertraut zu machen", so Aigner.

Diesen Ansprüchen folgend, wird das Ornament beim Symposium "Oberflächenkontrolle" aus bislang vernachlässigten kulturwissenschaftlichen sowie praktisch-gestalterischen Blickwinkeln beleuchtet. Der Zugang erfolgt in vier Themenfeldern, in denen das Ornament im Wirkungsfeld der Entdeckung der "Volkskunst" und "primitiven Kulturen" um 1900, als Mittel sozialer Unterscheidung, als Element in der Architekturausbildung sowie als Gegenstand gegenwärtiger Kunst- und Architekturpraxis behandelt wird. Den Abschluss des dreitägigen Symposiums bildet ein Round-table-Gespräch mit renommierten Architekten und Theoretikern.

Eröffnet wird das Symposium "Oberflächenkontrolle" am 12. Jänner 2006 um 18:00 Uhr mit der Präsentation von Studienarbeiten aus dem Jahr 2005 zum Semesterthema "Ornament".

Fortgesetzt wird dann am 13.1.2006 mit dem Themenfeld Volkskunst, Primitivismus und Moderne. Anhand von Fallbeispielen soll der Einfluss der "Volkskunst" auf die Kunst- und Architekturproduktion der Moderne aufgezeigt werden. Aber auch wissenschaftskritische Stellungnahmen werden erwartet. Gefragt wird nicht nur "nach den Diskursen und Institutionen, die in Wien um 1900 dafür verantwortlich zu machen sind, dass jene vormals von der legitimen Kultur ausgeblendeten, weil als minderwertig erachteten, namenlosen Kulturprodukte - Erzeugnisse des Hausfleißes und des Handwerks, die einer Stilisierung unterliegen - plötzlich mit Aufmerksamkeit bedacht werden und Wertschätzung erfahren, sondern auch nach den Motiven, Effekten und Irrtümern, die das Sammeln, Ausstellen, und Publizieren von anonymen Objekten wie deren Gegenüberstellung mit legitimer Kunst begleiten", erklärt Anita Aigner.

Im nachmittäglichen Panel wird die soziale Dimension des Dekorativen beleuchtet und auch in seinen geschlechtsspezifischen Konnotationen dargestellt. Ausgehend von der Annahme, dass ästhetische Muster immer auch repräsentative, distinktive und identitätsstiftende Funktion haben, stellt sich nicht nur die Frage, unter welchen Bedingungen statusanzeigende Formen entstehen (wie etwa am Beispiel des japanischen Holzbaus zu zeigen sein wird), sondern auch, ob und wie sich exklusive Formen im hierarchisch gegliederten Sozialraum "top down" und über kulturelle Grenzen hinweg verbreiten, und in welcher Weise sich dabei Bedeutung und Wert der Formen verändern.

Klären soll das Symposium auch, welchen Stellenwert das Ornament - als Bestandteil des Zeichenunterrichts, beim Modellieren von Bauschmuck oder im Kontext der Innenraumgestaltung - in der Geschichte der Kunst- und Architekturausbildung einnimmt. Institutionsgeschichtliche Untersuchungen stehen ebenso auf dem Plan wie Überlegungen zur "Erziehungsfunktion" des Ornaments im Historismus.

Der letzte Halbtag des Symposiums widmet sich schlussendlich der Frage, wie es um die gegenwärtige Ornamentpraxis und um Sinn und Bedeutung heutiger Dekorationsformen bestellt ist. Werkpräsentationen aus Kunst und Architektur - der Beitrag des Architekturbüros Hild und K wird mit besonderer Spannung erwartet - werden konfrontiert mit der Frage, ob der Luxus freier, künstlerischer Oberflächengestaltung heute nicht obsolet geworden ist angesichts eines globalen Kapitalismus, in dem einerseits das Diktat der Kostenminimierung und andererseits der Marken-Kult regiert.

In Anknüpfung an das letzte Panel und zum Ausklang des Symposiums diskutieren die Wiener Architekten Hermann Czech und Boris Podrecca mit Georg Franck und Kari Jormakka - beide vom Institut für Architekturwissenschaften an der TU Wien - über Dekorationsformen und -normen in einer von Marken und Logos bestimmten Kultur, aber auch über Inhalte, Ziele und Methoden, die eine experimentell-angewandte und kulturwissenschaftliche Ornament-Forschung, will sie state of the art sein, einzulösen hätte.

Symposium "Oberflächenkontrolle" zum Thema Ornament + round-table-Gespräch
Datum: 12.-14. Jänner 2006
Ort: TU Wien, Modelliersaal, Stiege 1, 4. Stock; Karlsplatz 13, 1040 Wien

Das detaillierte Programm können Sie im Internet nachlesen:
<link http: e2642.kunst.tuwien.ac.at docs ornament_tagung.html _blank tutextlinks>

e2642.kunst.tuwien.ac.at/docs/ornament_tagung.html, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster