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Licht statt Strom: Eine neue Art von „grünem Wasserstoff“

„Grüner Wasserstoff“ wird heute meist durch Elektrolyse mit erneuerbarem Strom erzeugt. An der TU Wien wurde nun eine photokatalytische Methode entwickelt, die diesen Vorgang direkter und kontrollierbarer macht.

Computergeneriertes Bild von Nanopartikeln

Strukturmodelle der beiden Cluster, die an der Aufspaltung von Wasser mit Hilfe von Licht beteiligt sind.

Wasserstoff könnte ein wichtiger Teil unserer zukünftigen Energieversorgung sein: Man kann ihn lagern, transportieren und bei Bedarf verbrennen. Der Großteil des heute verfügbaren Wasserstoffs entsteht allerdings als Nebenprodukt der Erdgasförderung – das kann aus Klimaschutzgründen nicht so bleiben. Die bisher beste Strategie, umweltfreundlichen „grünen Wasserstoff“ herzustellen, ist die Aufspaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff mit Hilfe von elektrischem Strom, der aus erneuerbaren Energiequellen kommt, zum Beispiel von Photovoltaikanlagen.

Viel einfacher wäre es allerdings, wenn man das Sonnenlicht direkt zum Aufspalten von Wasser verwenden könnte. Genau das wird möglich, wenn man passende Katalysatoren verwendet. Man spricht dann von „photokatalytischer Wasserspaltung“. Das Konzept wird bisher noch nicht industriell eingesetzt. An der TU Wien gelangen nun wichtige Schritte in diese Richtung: Auf atomarer Skala konnte eine neue Kombination von Katalysatoren entwickelt werden, die auf Basis relativ kostengünstiger Materialien diese Aufgabe lösen kann.

Zusammenspiel unterschiedlicher Atome

„Eigentlich hat man es hier mit zwei Aufgaben gleichzeitig zu tun“, erklärt Alexey Cherevan, der am Institut für Materialchemie der TU Wien in der Forschungsgruppe von Prof. Dominik Eder forscht. „Wir müssen über Sauerstoff und über Wasserstoff nachdenken. Die Sauerstoffatome des Wassers müssen in O2-Moleküle umgewandelt werden, und die übrigbleibenden Wasserstoff-Ionen – also einfach Protonen – müssen zu H2 Molekülen werden.“

Für beides wurden nun Lösungen gefunden: Winzige anorganische Cluster, die nur aus einer kleinen Zahl von Atomen bestehen, werden auf einer lichtabsorbierenden Unterstruktur verankert, zum Beispiel auf Titanoxid. Die Kombination aus Clustern und der sorgfältig ausgewählten Halbleiterstruktur darunter führt zum gewünschten Verhalten.

Die Cluster, die für die Oxidation von Sauerstoff verantwortlich sind, bestehen aus Kobalt, Wolfram und Sauerstoff, während Cluster aus Schwefel und Molybden besonders gut für die Herstellung von Wasserstoffmolekülen geeignet sind. Das Forschungsteam der TU Wien war das erste, das diese Cluster nun auf einer Oberfläche aus Titanoxid platziert hat, wodurch sie gemeinsam als Katalysatoren für Wasserspaltung dienen können.

„Titanoxid reagiert auf Licht, das war bereits bekannt“, sagt Alexey Cherevan. „Die Energie des absorbierten Lichts führt dazu, dass im Titanoxid frei bewegliche Elektronen und frei bewegliche positive Ladungen entstehen. Diese Ladungen ermöglichen dann den Atomclustern, die auf dieser Oberfläche sitzen, die Spaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zu erleichtern.“

Exakte Kontrolle, Atom für Atom

„Andere Forschungsgruppen, die an ähnlichen Prozessen arbeiten, verwenden Nanopartikel, die ganz unterschiedliche Formen und Oberflächeneigenschaften annehmen können“, erklärt Alexey Cherevan. „Die Größen sind schwer zu kontrollieren, die Atome sind nicht immer auf genau dieselbe Weise angeordnet. Daher kann man in diesem Fall auch nicht exakt erklären, wie der Katalyseprozess im Detail abläuft.“ An der TU Wien hingegen wird die exakte Struktur der Cluster mit atomarer Präzision festgelegt, wodurch man ein vollständiges Verständnis des Katalysekreislaufs gewinnen kann.

„Nur so bekommt man Feedback darüber, wovon die Effizienz des Prozesses wirklich abhängt“, sagt Alexey Cherevan. „Wir wollen uns nicht einfach auf Versuch und Irrtum verlassen und unterschiedliche Nanopartikel ausprobieren, bis wir die beste Methode gefunden haben – wir wollen auf atomarer Ebene klären, was der optimale Katalysator ist.“

Nachdem nun bewiesen ist, dass die ausgewählten Materialien tatsächlich zum Aufspalten von Wasser geeignet sind, soll nun ihre genaue Struktur noch weiter verbessert werden, um die Effizienz zu erhöhen.

Einfach und vielversprechend

„Der entscheidende Vorteil unserer Methode gegenüber der Aufspaltung von Wasser durch Elektrolyse ist die Einfachheit“, betont Alexey Cherevan. Die bisher gebräuchliche elektrische Wasserstoffherstellung braucht zunächst eine nachhaltige Energiequelle – etwa Photovoltaikzellen, möglicherweise einen elektrischen Energiespeicher und eine Elektrolysezelle. Insgesamt ergibt sich somit ein relativ komplexes System, bestehend aus einer Vielzahl von Rohstoffen. Für die photokatalytische Wasserspaltung hingegen braucht man bloß eine passend beschichtete Oberfläche, die von Wasser bedeckt und von der Sonne bestrahlt wird.

Langfristig könnte man dieses Wissen auch nutzen, um kompliziertere Moleküle herzustellen, in einer Form von künstlicher Photosynthese. So könnte man die Energie der Sonneneinstrahlung möglicherweise sogar nutzen, um mit Kohlendioxid aus der Atmosphäre und Wasser Kohlenwasserstoffe herzustellen, die dann weiterverwendet werden können.

Originalpublikationen

S. Batool et al., Surface-Anchoring and Active Sites of [Mo3S13]2- Clusters as Co-Catalysts for Photocatalytic Hydrogen Evolution. ACS Catalysis, 2022, 12, 6641-6650, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster

S.P. Nandan et al., Immobilization of a [CoIIICoII(H2O)W11O39]7- Polyoxoanion for Photocatalytic Oxygen Evolution Reaction, ACS Materials Au, 2022, just accepted, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster

TEDx Talk “Towards Artificial Photosynthesis”
In seinem Ted-Talk erklärt Alexey Cherevan, wie künstliche Photosynthese funktionieren könnte:, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster

Rückfragehinweis

Dr. Alexey Cherevan
Institut für Materialchemie
Technische Universität Wien
+43 1 58801 165230
alexey.cherevan@tuwien.ac.at

Aussender:
Dr. Florian Aigner
PR und Marketing
Technische Universität Wien
Resselgasse 3, 1040 Wien
+43 1 58801 41027
florian.aigner@tuwien.ac.at