"Sell your soul" - so prangt der Slogan des Moduls "Integrales Kommunikationsdesign" an der Wand des Instituts für Kunst und Gestaltung der TU in der Karlsgasse 11. Seine Seele verkaufen muss man allerdings nicht, um durch das enge Stiegenhaus in den ersten Stock zu gelangen. Hier hat Prof. Christine Hohenbüchler als Institutsvorstand ihr Büro. Die unkonventionelle Künstlerin, die ihre Projekte stets gemeinsam mit ihrer Zwillingsschwester umsetzt, lehrt seit 2002 an der Fakultät für Architektur und Raumplanung der TU Wien – ein Schwerpunkt ihrer Lehre ist Kunst im öffentlichen Raum.
Freiraum lassen, damit etwas entstehen kann
Kulturwissenschaftliche Themen und an der künstlerischen Praxis ausgerichtete Module haben einen fixen Platz im Studienplan Architektur, dennoch haftet einem Kunstinstitut auf einer technischen Universität etwas Exotisches an. "In Wirklichkeit haben Kunst und Wissenschaft aber viel gemeinsam", sagt Christine Hohenbüchler, Vorstand des Instituts für Kunst und Gestaltung. "Es geht schließlich immer um kreative Denkprozesse."
Kreativität als treibende Kraft für künstlerische Projekte braucht als Nährboden vor allem viel Freiraum, findet die Künstlerin, die Bildhauerei studiert hat. Tatsächlich wird es aber oft zur Herausforderung, Studierende an ein Arbeiten ohne fixe Vorgaben und Regeln heranzuführen: "Am Anfang des Architekturstudiums müssen sie speziell angeordnete Kuben zeichnen, um das räumliche Zeichnen und die Perspektive zu erlernen. Wenn man sie dann auffordert, zusätzlich etwas zu ihren Zeichnungen zu erfinden, sind einige Studierende damit völlig überfordert. Andere wiederum blühen auf und können stundenlang weiterarbeiten – es ist sehr interessant, zu beobachten, wie mit solchen Freiheiten umgegangen wird."
Gemeinsames Handeln
Die Wurzeln des künstlerischen Schaffens von Prof. Hohenbüchler liegen in der Arbeit mit sozialen Randgruppen, beispielsweise Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen. Sie empfand sich während dieser Projekte aber nie als Lehrende, sondern verstand den Arbeitsprozess immer als "gemeinsames Handeln". "Wir waren fasziniert von dem einfachen und freien Zugang, den diese Menschen zur Kunst haben", erzählt sie.
"Wir" - das sind Christine Hohenbüchler und ihre Zwillingsschwester Irene. Die künstlerischen und persönlichen Biographien der beiden Schwestern sind untrennbar miteinander verflochten – nach dem Studium an der Universität für angewandte Kunst in Wien führte sie der gemeinsame Weg zu einem postgradualen Studium in die Niederlande. "Danach haben wir uns einige Jahre mit Stipendien über Wasser gehalten", erzählt die Professorin. Hauptsächlich lebten und arbeiteten die Schwestern während dieser Zeit in Deutschland, unter anderem in Berlin, wo es ihnen bald gelang, sich als Künstlerinnenduo zu etablieren und von ihrer Kunst, wenn auch bescheiden, leben zu können. Der Großteil des künstlerischen Wirkens der beiden Schwestern findet auch heute noch in Deutschland statt – der Markt ist dort erheblich größer. Während Irene jedoch bald wieder nach Österreich zurückkehrte, pendelte Christine Hohenbüchler noch zehn weitere Jahre zwischen Wien und Berlin, bis sie schließlich nach der Geburt ihrer Tochter endgültig ihren Lebensmittelpunkt nach Österreich verlagerte. Durch Zufall erfuhr sie von der damals an der TU Wien ausgeschriebenen Professur, bewarb sich für die Stelle und wurde 2002 an die Universität berufen.
Die beiden Schwestern, deren Häuser sich auch heute noch einen Garten teilen, versuchen trotz ihrer unterschiedlichen universitären Laufbahnen – Irene hat eine Professur an der Kunstakademie in Münster – ihr gemeinsames Kunstschaffen aufrecht zu erhalten. Heute ist das jedoch schwieriger geworden: "Künstlerische Arbeit braucht einfach extrem viel Zeit", meint die Professorin. Zeit, die neben der universitären Arbeit und familiären Aufgaben oft fehlt.
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei ohnehin ein "ewiges Problem", das für Christine Hohenbüchler vielschichtiger ist, als es oft dargestellt wird: "Es ist eben nicht nur Zeitmanagement – das Leben ist nicht immer planbar, vor allem, wenn es um Bindungen und Emotionen geht. Ich habe auch kein Patentrezept", sagt die Mutter einer dreizehnjährigen Tochter - "außer Hinhören."
Initiationsrituale in der Seestadt Aspern
Christine Hohenbüchler arbeitet gerne mit Studierenden, ein Schwerpunkt der Lehrveranstaltungen ihres Instituts ist dabei Kunst im öffentlichen Raum. Eines der Projekte, von denen sie gerne spricht, ist jenes, das sie 2011 mit Kolleginnen und Kollegen sowie Studierenden des Moduls "Kunsttransfer" erarbeitet hat. In Kooperation mit der Kunsthochschule Saarbrücken ließen sich die Studierenden am ehemaligen Flugfeld Aspern – noch bevor die Bauarbeiten für die "Seestadt" begonnen hatten – inmitten des ausgedehnten Geländes zu speziellen Kunstprojekten inspirieren.
Vorgaben hatten die Studierenden nicht – sie sollten ohne Maßangaben, Richtlinien und Regeln eigene Ideen entwickeln. Es entstanden vielseitige Kunstprojekte: von einer mit Luft gefüllten Kuppel am Grund des Sees, über schwimmende Inseln bis hin zu einer "Gedenkbox", die als spirituelle Stätte auf einem Schotterhügel aufgestellt wurde. "Wenn man dort oben gestanden ist, hat man ein Gefühl für diese großartige Weite und die Isolation von der Stadt bekommen", erinnert sich Hohenbüchler. "Es gab ja nichts dort – außer Containern, einen Bagger und ein paar Baumaschinen. Irgendwie waren es auch Initiationsrituale, die damals passiert sind."
"Kunst hat etwas Heilendes"
Die transformierende Wirkung der Kunst erlebt Prof. Hohenbüchler auch heute noch ganz besonders während ihrer Projekte mit gesellschaftlich benachteiligten Gruppen. Wie bei dem Sommerprojekt für Kinder aus sozial schwachen Familien, das sie vor einigen Jahren gemeinsam mit ihrer Schwester betreute. Auf dem Gelände der Kokerei "Zollverein" (einer Aufbereitungsanlage für Koks und Rohgas) in Essen errichteten sie in gemeinsamer Arbeit mit den Kindern Holzhütten. "Das Allerwichtigste war aber das Feiern am Abend, das Zusammensitzen, das gemeinsame Essen und Trinken." Nach Abschluss des Projekts fasste einer der Väter den Entschluss, diese Form der Begegnung weiterhin zu ermöglichen und in der Stadt einen Imbissstand aufzubauen – für ihn ein mutiger Weg aus der Arbeitslosigkeit und für die Schwestern Hohenbüchler ein ungeplanter, nachhaltiger Erfolg des Projekts.
Im Arbeitsalltag an einer Universität stehen allerdings oft andere Dinge im Vordergrund als die heilende Wirkung der Kunst: Anträge wollen geschrieben, Geldmittel akquiriert und Lehrveranstaltungen organisiert werden.
"Manchmal denke ich mir, ich habe mich von der Kunst schon etwas entfernt", sagt Hohenbüchler nachdenklich. "Aber wenn ich dann in eine interessante Ausstellung gehe und dort Arbeiten sehe, die ansprechen und inspirieren, dann spüre ich wieder diese anregende, fast therapeutische Wirkung der Kunst."
Studierende für diese Erfahrungen zu öffnen und ihre eigene Faszination an der Kunst weiterzugeben sieht Prof. Hohenbüchler als eine ihrer wichtigsten Aufgaben an der TU Wien.
Webtipps:
<link urban-matters.org, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster _blank>http://urban-matters.org</link>
<link kunst1.tuwien.ac.at, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster / _blank>http://kunst1.tuwien.ac.at </link>
Bild: © Otto Mittmannsgruber