Egal ob Autoteile verschweißt oder Kieferknochen operiert werden sollen: Mächtige Laserstrahlen sind ein zentrales Instrument in der Forschungsarbeit von Professor Andreas Otto. Doch nicht nur hohe Energien, starke Strahlen und stabile Schweißnähte interessieren ihn, er beschäftigt sich gleichzeitig auch mit Mikro- und Nanotechnologie. Dort verwendet man Laserstrahlen, um Oberflächeneigenschaften auf mikroskopischer Ebene gezielt zu verändern. Seit April 2011 ist Andreas Otto Professor am Institut für Fertigungstechnik und Hochleistungslasertechnik der TU Wien.
Laserstrahlen für Industrie und Medizin
Andreas Otto bewegte sich immer schon zwischen verschiedenen Disziplinen: Nach seinem Physikstudium an der Universität Erlangen-Nürnberg wollte er möglichst anwendungsorientiert arbeiten, und so wechselte er für seine Dissertation zum Maschinenbau. Damals, in den Neunzigerjahren, begann die Lasertechnik in der Automobilindustrie eine wichtige Rolle zu spielen. „Es ist schön zu sehen, wie sich die industrielle Technik entwickelt hat – parallel zur Forschung und durch die Forschung“, meint Otto. Die Automobilindustrie war für ihn immer schon ein wichtiger Kooperationspartner, im Lauf der Zeit kam zusätzlich noch ein ganz anderer Bereich dazu: In der Medizintechnik ist der Laser heute ebenfalls unverzichtbar geworden – etwa in Bestrahlungssystemen für Hautkrankheiten oder in Laserstrahlschneidern für Operationen. „Man kann mit dem Laserstrahl Kieferknochen schneiden und gleichzeitig das zurückgestrahlte Licht analysieren“, erklärt Andreas Otto. „So bekommt man während der Operation ständig Feedback und kann vermeiden, tieferliegende Nerven zu verletzen.“
Mit dem Computer in die Zukunft schauen
Große technologische Fortschritte erreicht man freilich nicht durch bloßes Ausprobieren. Am Computer simuliert Andreas Otto mit seinem Team das Verhalten von Materialien unter der Einwirkung des Lasers. Wärmeleitung, Phasenübergänge und die Dynamik des Schmelzprozesses werden berechnet, dadurch lassen sich die Vorgänge im Labor verstehen und verbessern. „Wir können auf diese Weise Systeme erproben, die es am Markt noch gar nicht gibt“, erklärt Andreas Otto. Einerseits können unterschiedliche Materialien simuliert werden, andererseits lassen sich Eigenschaften des Laserstrahls (wie etwa Leistung, Fokussierbarkeit, Polarisation oder Wellenlänge) beliebig wählen. Diese Computeranalysen sind einfacher, schneller und billiger als jedes Mal einen neuen Prototypen zu bauen, und so stoßen Ottos Computermodelle weltweit auf großes Interesse, sowohl in der Wissenschaft als auch in der Industrie.
Ob ein komplizierter Vorgang wie das Verschweißen von Metallstücken richtig abläuft, lässt sich oft schwer einschätzen. In Zukunft könnte das Lasergerät selbst allerdings auch die Qualitätssicherung übernehmen. Durch optische Diagnosemethoden wie Hochgeschwindigkeitskameras sollen die Geräte lernen, sich automatisch auf unterschiedliche Anforderungen einzustellen. „Im Optimalfall soll das Gerät von selbst erkennen, welches Material gerade bearbeitet wird, es soll sich auf Unregelmäßigkeiten oder schwankende Laserintensitäten einstellen können“, hofft Andreas Otto.
Nano-Strukturen mit ultrakurzen Laserpulsen
In den letzten Jahren richtet Andreas Otto den Brennpunkt seiner Aufmerksamkeit allerdings nicht mehr nur auf herkömmliche Lasertechnik. Mittlerweile werden Laser auch in der Mikro- und Nanotechnologie eingesetzt: „Mit ultrakurzen Laserpulsen können Materialien bearbeitet werden, ohne große Wärmemengen zu übertragen – das eröffnet ganz neue Möglichkeiten in Biotechnik, Medizintechnik oder Elektronik.“ Aus der Natur kennt man Materialeigenschaften, die sich nur durch mikroskopische Oberflächenstrukturen erklären lassen – etwa der Lotuseffekt, der Wassertropfen von Blättern abperlen lässt. Auf ähnliche Weise könnte man ganz gezielt mit Lasern bestimmte Oberflächeneigenschaften designen. „Lange dachte man, Strukturen von weniger als der halben Wellenlänge des Lichtes sind unmöglich herzustellen“, erklärt Andreas Otto. Diese angeblich unüberwindliche Barriere wurde aber mittlerweile durchbrochen. Mit speziellen Tricks lassen sich heute unvorstellbar feine Strukturen im Bereich von hundert Nanometern erzeugen. „Wir wissen noch gar nicht, welches Potenzial hinter diesen Entwicklungen steckt“, meint Otto. „Anwendungsideen gibt es schon viele, aber es ist gut möglich, dass wir hier auf Möglichkeiten stoßen, von denen wir heute noch keine Ahnung haben.“
Von Erlangen nach Wien
Professor Andreas Otto ist gerade dabei, seine Arbeitsgruppe aufzubauen. Erst seit April 2011 ist er Professor an der TU Wien. Seine Frau und seine Tochter wohnen vorerst noch in Erlangen, wo er bisher tätig war, demnächst werden sie aber nach Wien nachkommen. „Um Spitzenforschung betreiben zu können, braucht man auch einen Ruhepol, einen Ausgleich“, ist er sicher. Auch die Familie muss sich wohlfühlen – und dafür, meint Andras Otto, stehen die Chancen in Wien sehr gut. Er schätzt das kulturelle Angebot der Stadt und freut sich schon darauf, auch in seiner neuen Heimatstadt gemeinsam mit seiner Frau einem großen gemeinsamen Hobby nachgehen zu können: dem Tanzen.
Auch mit dem Umfeld an der Technischen Universität ist Andreas Otto sehr zufrieden: „Ich bin glücklich über mein Team, hier packen alle engagiert mit an.“ Ein wichtiges Ziel ist es für ihn, die Lasertechnik auch unter den Studierenden populärer zu machen. „Unser Forschungsgebiet ist für Leute aus ganz unterschiedlichen Gebieten spannend – wir stehen an der Schnittstelle von Maschinenbau und Physik, von Bio- und Ingenieurswissenschaften.“ Auch in der Lehre soll die Lasertechnik daher in Zukunft stärker verankert werden. Über die Unterstützung der Unileitung ist er froh: Im Science Center am Arsenal sollen neue Laborräume für seine Forschungsgruppe entstehen. Auch die Büros werden in nächster Zeit erneuert – Andreas Otto wird demnächst zum Getreidemarkt übersiedeln. Doch im Umgang mit Umzugskartons hat er ja mittlerweile Routine.
Intelligente Laserstrahlen
Erstellt von Florian Aigner
Professor Andreas Otto im Portrait