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Hochwasser und Dürren. Können wir aus Fehlern lernen?

Wie funktioniert weltweit das Management bei Dürre- und Hochwassergefahr und wie können wir aus Fehlern der Vergangenheit lernen? Soeben wurde im renommierten Magazin „Nature“ die weltweit erste Studie vorgelegt, die in breitem Rahmen untersucht, ob und wie Gesellschaften aus Extremwettereignissen lernen.

Überflutete Stadt - Häuser und Bäume entlang eines über die Ufer getretenen Flusses stehen unter Wasser.

© Christian stock.adobe.com

Flutkatastrophe 2021

Günter Blöschl ist Hydrologe an der TU Wien und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den Auswirkungen des Klimawandels auf Hochwasserereignisse und Dürren. Er leitet das Institut für Wasserbau und Ingenieurhydrologie, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster. Im soeben in der Zeitschrift Nature, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster erschienenen Paper untersuchte Blöschl und eine Reihe internationaler Kolleg_innen jeweils zwei aufeinanderfolgende und vergleichbare Extremwettereignisse (in der gleichen Region). Sie legten damit wichtige Grundlagen für den Umgang mit diesen Ereignissen vor. Im Zentrum des Interesses stand die Frage, wie effizient sich eine Gesellschaft vor Extremwetterereignissen schützen kann und ob sie aus vorhergehenden Katastrophen die richtigen Schlüsse zieht, also in der Lage ist daraus zu lernen.

Lesson learned?

Um das zu überprüfen, haben die Forscher_innen nach Paaren von Extremwetterereignissen gesucht. Ziel war es zu untersuchen, ob und welche Maßnahmen nach dem ersten Ereignis ergriffen wurden und ob diese ausreichend Schutz für das spätere boten. Dabei achteten die Wissenschaftler_innen darauf, dass zwischen fünf und 25 Jahren Abstand zwischen den Hochwassern oder Dürren lag: damit einerseits ausreichend Zeit vorhanden war, um Maßnahmen durchzuführen und andererseits auch die politischen und gesellschaftlichen Strukturen vergleichbar blieben. Weltweit wurden dafür 45 Gebiete unter die Lupe genommen: Die Forscher_innen untersuchten die Größe der Ereignisse, die daraus resultierenden Schäden und die Frage nach deren Ursachen. Prof. Blöschl erläuterte im Gespräch die Komplexität einer solchen Untersuchung, denn neben den genannten Faktoren spielten auch die rechtliche und administrative Situation sowie die Infrastruktur eine wesentliche Rolle.

2002 und 2013: Hochwasser in Österreich. Eine Erfolgsgeschichte

Im August 2002 sollte Österreich ein Hochwasser erleben, das sich tief ins Gedächtnis der Menschen einschrieb. Damals war es knapp 50 Jahre her, dass das Land Regenfälle eines solchen Ausmaßes gesehen hatte. Im Laufe der Wochen traten Donau, Kamp und Bäche über die Ufer und setzten ganze Landstriche unter Wasser. Am Ende betrug der Schaden mehrere Milliarden Euro und eine geschockte Bevölkerung stand vor ihren verwüsteten Häusern und Feldern.

11 Jahre später: In den letzten Maitagen und den ersten Junitagen des Jahres 2013 war es wieder soweit. Regenfälle, vergleichbar mit jenen des Jahres 2002 und 1954, setzten ein und produzierten eine Welle im Ausmaß von 5 Mrd. m3 Wasser entlang der Donau. Das war keine Generalprobe, sondern ein echter Härtetest für die in der Zwischenzeit umgesetzten Schutzmaßnahmen. Sie hielten den Wassermassen stand. Dieser Erfolg ist, wie die in Nature veröffentlichte Studie zeigt, weltweit vorbildhaft, denn er gehört neben einem erfolgreich umgesetzten Hochwasserschutz in Barcelona, zu den beiden positiv hervorgehobenen Beispielen der Studie.

Was war nun 2013 anders als 2002? Prof. Blöschl betont die engagierte Planung und Umsetzung des für Wasserwirtschaft zuständigen Ministeriums, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster, der Länder und der anderen Beteiligten. Zentral sei, so Blöschl, eine Mischung verschiedener Maßnahmen. Nur diese führe zu einem effizienten Hochwasserschutz:

  • Hochwasserschutzdämme oder der mobile Hochwasserschutz, den die 2002 schwer betroffenen Wachau bekommen hatte, sind oft gezeigte und effektive Schutzmaßnahmen. Hydrolog_innen bezeichnen diese als wichtige infrastrukturelle Maßnahmen.
  • Aber auch das Instrument der Raumplanung und Flächenwidmung sei wichtig, wenngleich politisch schwer durchzusetzen, wenn es etwa darum geht, Bebauung im hochwassergefährdeten Gebiet zu untersagen).
  • Weitere Maßnahmen sind auch eine bessere Hochwasservorhersage – diese wurde vom Institut für Wasserbau und Ingenieurhydrologie der TU Wien entwickelt und von den Ländern implementiert. Sie hat sich 2013 sehr gut bewährt.
  • Evakuierungspläne und Alarmketten sind ebenfalls essentiell. Auch sie müssen „gewartet“ werden, etwa durch regelmäßig stattfindende Evakuierungsübungen.

Weltweit wurde beobachtet, dass der Schutz gut funktioniert, wenn die Ereignisse in ihrer Intensität etwa gleichbleiben.

Unerwartete Erkenntnisse

Leider gibt es auch eine schlechte Nachricht, die die Studie zutage gebracht hat: Wenn das zweite Ereignis größer war – etwa um 10 bis 20 Prozent, war die Vorbereitung nicht mehr ausreichend und daher waren auch die Schäden meist größer. Das bedeutet, wir können uns schwer darauf einstellen, dass Extremwetterereignisse ein noch größeres Ausmaß annehmen als die in den vorherigen Jahrzehnten aufgetretenen Ereignisse.

Unerwartet für Prof. Blöschl war eine Erkenntnis aus der Soziohydrologie – nämlich, dass Erfahrungen aus Nachbarregionen oder Nachbarstaaten kaum in den Schutz einfließen, da wir uns nur das gut vorstellen können, was wir persönlich erleben. Ein Negativbeispiel dafür war das Hochwasser 2021 in Deutschland, auf das die Hochwassermanager_innen nicht entsprechend vorbereitend waren – obwohl es vergleichbare Hochwasser in Deutschland gegeben hatte. Blöschl betont daher, dass die Untersuchung der langfristigen Koppelung von hydrologisch wasserwirtschaftlichen Prozessen mit gesellschaftlichen Prozessen für ein erfolgreiches Management der immer häufiger eintretenden Extremwetterereignisse unerlässlich ist.

Wie können wir uns nun gegen Ereignisse stärkeren Ausmaßes schützen? Prof. Blöschl meint dazu, dass wir uns – aufgrund der hohen Kosten und Eingriffe – nicht gegen jedes Risiko schützen könnten, aber wir können uns administrativ und infrastrukturell vorbereiten: Evakuierungspläne, alternative Wasserversorgungen (für Dürren) oder der Abschluss von Versicherungen und finanzielle Vorsorge wären hier geeignete Maßnahmen.

Günter Blöschl wird auch in Zukunft an diesem Thema arbeiten. Für ihn geht es sehr um die Synergien zwischen Forschung um Umsetzung: internationale Grundlagenforschung – wie im Nature-Artikel publiziert, und die Unterstützung der Realisierung konkreter Maßnahmen – wie der bessere Hochwasserschutz an der Donau. Zudem hebt er sein Interesse für die Soziohydrologie hervor, einem noch jungen Forschungsfeld, das verstärkt gesellschaftliche und soziale Faktoren in hydrologische Untersuchungen einbezieht.

 

Originalpublikation:

Kreibich, H., Van Loon, A.F., Schröter, K. et al. The challenge of unprecedented floods and droughts in risk management. Nature (2022). https://doi.org/10.1038/s41586-022-04917-5, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster

 

Rückfragehinweis:

Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Günter Blöschl
Institut für Wasserbau und Ingenieurhydrologie, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster
Karlsplatz 13
1040 Wien
+43 1 58801 - 223 15
guenter.bloeschl@tuwien.ac.at
Bloeschl@hydro.tuwien.ac.at