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Häuser aus Stroh - wohnlich und innovativ

Forscher der TU Wien stellen Konkurrenzfähigkeit von Stroh als Baustoff unter Beweis

Strohhäuser haben vor allem in den USA eine lange Tradition, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht. Die Europäer sind in erster Linie aufgrund gängiger Vorurteile dem Baustoff Stroh lange Zeit skeptisch gegenübergestanden.

ForscherInnen der Gruppe Angepasster Technologien (GrAT) der Technischen Universität (TU) Wien, haben den wissenschaftlichen Beweis erbracht, dass gepresste Strohballen weder leicht brennbar, noch Paradiese für Mäuse, Ratten und Ungeziefer sind. Verwendet man entsprechend optimierte Konstruktionen, so stellt Feuchtigkeit kein Problem dar - Schimmelbildung und "Muffelgeruch" haben keine Chance. Mit einem Wort: Stroh ist der innovative und zukunftsweisende Baustoff schlechthin.

Explosionshafter Anstieg von Strohhäusern in Europa

Strohhäuser haben in den letzten Jahren stark an Beliebtheit gewonnen. Zwischen 1995 und 2001 hat sich die Zahl der Strohbauten in Europa verzehnfacht. Gab es 1995 geschätzte 40 Strohbauten, so hat man 2001 über 400 Gebäude in Strohballenbauweise gezählt. Großen Anklang finden Häuser aus Stroh interessanterweise vor allem in England, Skandinavien, den Niederlanden, Frankreich und Österreich. Also eher Länder, die mit kühlem und nassem Klima zu kämpfen haben. Auch in Nordamerika, wo es bereits einige Tausend Strohhäuser gibt, sind ihre Standorte keineswegs nur auf trockene und heiße Gegenden beschränkt.

5 unschlagbare Vorteile - Stroh als moderner Baustoff

Stroh erweist sich laut ÖNORM als "normal brennbar" [Anmerkung 1]. Der überprüfte Wandaufbau, eine beidseitig verputzte, mit Strohballen gedämmte Holzständerkonstruktion, wurde einem Brandtest unterzogen und erreichte die höchste Brandwiderstandklasse (F90), die die Bauordnung vorschreibt. F90 bedeutet, dass die Strohballenwand 90 Minuten lang dem Feuer standhält. Stroh ist somit um keinen Deut schlechter als Ziegel oder Beton.

Strohballenwandaufbauten entsprechen den hohen Anforderungen, die an Niedrigenergie- und sogar Passivhäuser gestellt werden [Anmerkung 2]. Grund dafür ist die geringe spezifische Wärmeleitfähigkeit (Messwert λ 10 trocken, die bei den getesteten Strohballen unter 0,04 W/mK³ [Anmerkung 3] liegt. Stroh liegt mit diesen Werten im Bereich anderer biogener (Kork, Flachs, Schafwolle) und mineralischer Dämmstoffe (Blähperlite, Glas- und Steinwolle).

Stroh ist auf Grund der hohen Pressdichte resistent gegen Nagetiere, Ungezieferbefall kann bei fehlerfreier Verarbeitung ebenfalls ausgeschlossen werden. Des weiteren haben Messungen ergeben, dass eintretende Feuchtigkeit nach ca. 6 Wochen aufgrund des hohen Austrocknungspotenzials der Strohballenwand verdunstet und keine bleibenden Schäden hinterlässt.

Stroh lässt sich zudem ausgezeichnet mit anderen ökologischen Baustoffen, wie z.B. Lehmverputzen, kombinieren. Die baubiologischen Vorteile, die gesundes Wohnen ausmachen - schadstofffreie Raumluft, ausreichende Luftfeuchte und warme Wandoberflächen - können somit problemlos vereint werden.

Auch der Energieverbrauch bei der Herstellung des Baustoffs Stroh ist unschlagbar. Der Primärenergiebedarf, also die Energie, die bei der Erzeugung der Strohballen anfällt, ist fast um ein Zehntel geringer als bei vergleichbaren Konstruktionen. Während eine Betonwand mit einer EPS- Dämmung (EPS=Expandiertes Polystyrol, z.B. Styropor) über 1500 Mega Joule(MJ)/m² verbraucht, kann eine Strohwand mit 190 MJ/m² hergestellt werden.

S-House - Passivhaus als Demonstrationsobjekt und Dauerausstellung

Um die Möglichkeiten nachhaltigen Bauens aufzuzeigen, wird ab Sommer 2002 von der GrAT in Böheimkirchen (Niederösterreich) das erste Passivhaus aus nachwachsenden Rohstoffen, das S- House, errichtet. Mit dem Demonstrationsobjekt sollen nachhaltige Bauweisen und die verstärkte Anwendung von Baustoffen aus nachwachsenden Rohstoffen bekannt und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

In Form einer Dauerausstellung wird der Weg vom Rohstoff zum fertigen Produkt dargestellt. Für die Demonstration der Langzeitfunktionalität der eingesetzten Baustoffe werden kontinuierliche Messungen wichtiger Qualitätsparameter wie Feuchte, Temperatur und Wärmefluss dargestellt, die in der Ausstellung online abrufbar sein werden. Mit diesem Gebäude entsteht eine Plattform, die einer breiten Öffentlichkeit den Zugang zu Informationen über nachhaltige Bauweisen mit nachwachsenden Rohstoffen ermöglicht.

Warum "Nadeln im Strohhaufen suchen"?

Die GrAT hat sich nicht ohne Grund dem Strohhaus wissenschaftlich angenommen. Der Bausektor trägt wesentlich zum stetig wachsenden Müllproblem bei. Zum quantitativen Abfallproblem (die Baurestmassen stellen mehr als die Hälfte des gesamten Abfallaufkommens in Österreich dar!) kommt noch ein qualitatives, wie der Einsatz giftiger und gesundheitsgefährdender Materialien. Diese fallen erst nach Jahrzehnten als Sondermüll an, dessen Entsorgung und Deponierung hohe Kosten verursacht. Die Problematik mit Asbest oder formaldehydhältigen Produkten zeigt dies deutlich.

Die GrAT leistet einen wichtigen Beitrag, das Problemstoff-Aufkommen zu verringern und das Abfallproblem zu entschärfen. Sie setzt auf vorsorgendes Planen und Bauen, wobei die Verwendung nachwachsender Rohstoffe eine entscheidende Rolle spielt. Dass bei der Verwendung von Baustoffen aus nachwachsenden Rohstoffen hohe Funktionalität, ökologische Qualität und gesundes Wohnen kein Widerspruch sind, zeigt der Strohballenbau ganz deutlich.

Dies unterstreicht auch Robert Wimmer von der GrAT: "Der Strohballenbau stellt eine ideale Möglichkeit dar, energiesparendes Bauen mit ökologischen Materialien zu realisieren und so Häuser zu errichten, die alle Anforderungen an ein zeitgemäßes Wohnen erfüllen."