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Gerechtigkeit ist so etwas wie Straßenbeleuchtung

Instrumente für eine gerechte Stadt werden bei der Jahrestagung des Fachbereichs für Finanz- und Infrastrukturpolitik (IFIP) an der TU Wien diskutiert.

Wozu ist Politik eigentlich da? Wenn man in der Raumplanung analysieren will, wie Städte am besten funktionieren, muss man manchmal sehr grundlegende Fragen stellen. Prof. Michael Getzner und sein Team vom Fachbereich für Finanz- und Infrastrukturpolitik (Department für Raumplanung, TU Wien) analysieren, wie freie Märkte und ordnende Eingriffe durch die Politik am besten zusammenspielen, um dem Ziel einer gerechten Stadt möglichst nahe zu kommen. Der Stadt Wien stellt Getzner dabei ein relativ gutes Zeugnis aus: Auch wenn Armut und Armutsgefährdung, aber auch die Ungleichverteilung des Einkommens und Vermögens auch in Wien ansteigen, gilt Wien im internationalen Vergleich noch immer als faire, soziale Stadt.

Bei der diesjährigen IFIP-Tagung am 12. Juni werden Methoden und Instrumente zur Schaffung einer gerechteren Stadt diskutiert, zahlreiche Gäste von anderen Forschungseinrichtungen sowie von der Wiener Stadtverwaltung werden erwartet.

Politik ist der Airbag des freien Marktes
Der freie Markt ist ein ausgezeichnetes Werkzeug, er löst eine breite Palette ökonomischer Probleme ganz von alleine. Doch an bestimmten Punkten, meint Michael Getzner, kommt es zwangsläufig zu Marktversagen, und dort muss die Politik gezielt eingreifen. „Öffentliche Güter können vom Markt prinzipiell nicht bereitgestellt werden, sie machen aber einen ganz entscheidenden Teil unserer Lebensqualität aus“, sagt Getzner.

Ein öffentliches Gut ist eine Ware oder eine Dienstleistung, die zur gleichen Zeit von verschiedenen Leuten konsumiert werden kann, ohne dass man einander etwas wegnimmt, und für deren Konsum man keine Gebühren einheben kann, weil es jedem frei zur Verfügung steht. Ein Beispiel dafür ist ein sauberer, gesunder Wald, in dem man spazieren gehen kann, eine funktionierende Straßenbeleuchtung – oder eben auch abstrakte Güter wie „Frieden“ oder „Gerechtigkeit“.

Dass solche Güter vom freien Markt nicht bereitgestellt werden können, bedeutet aber nicht, dass sie für die ökonomische Forschung uninteressant wären: „Man kann den Wert solcher öffentlichen Güter oft durchaus in Zahlen angeben“, erklärt Michael Getzner. So lassen sich etwa die Folgekosten abschätzen, die wir zu tragen hätten, wenn die Umwelt stärker verschmutzt wäre.

Oft ist es in Hinblick auf die Gesamtwirtschaftsleistung sinnvoll, das politische Augenmerk auf öffentliche Güter oder andere, der Allgemeinheit nützliche Werte zu lenken: Ein gutes Bildungssystem, das kluge Leute mit guten Ideen hervorbringt, ist für die Wirtschaft genauso wichtig wie soziale Gerechtigkeit, die Unruhen und Zwiespalt in der Gesellschaft verhindert.

„Auf Gerechtigkeit müssen wir daher aus zwei Gründen achten“, meint Michael Getzner. „Einerseits, weil eine ungerechte Gesellschaft in einer volkswirtschaftlichen Gesamtbilanz nicht gut abschneidet, andererseits auch, weil sie, ganz unabhängig von der Wirtschaft, ein Wert für sich ist.“

Um politische Entscheidungen zu treffen sollte man, meint Getzner, nicht bloß auf das Wirtschaftswachstum blicken, sondern sich Zielparameter aus verschiedenen Bereichen setzen: Für das Bildungsniveau, für die Gleichheit der Einkommens- oder Vermögensverteilung, für die Qualität des Gesundheitssystems gibt es wissenschaftlich akzeptierte Metriken und Statistiken. Wenn man beschlossen hat, in diesen Bereichen bestimmte Werte zu erreichen, lässt sich dann ökonomisch abschätzen, mit welchen Maßnahmen man diese Ziele am effizientesten erreicht. Man kann also ökonomisches Kalkulieren durchaus mit abstrakten sozialen Werten verknüpfen.

Vorbild Wien?
Wien ist, was Gerechtigkeit betrifft, heute noch immer in einer relativ guten Situation, meint Getzner: Die Lebensqualität, das Bildungsniveau und die Versorgung mit öffentlichen Einrichtungen sind sehr gut, verglichen mit anderen Städten gibt es weder ein großes Obdachlosenproblem, noch muss man sich vor Revolten arbeitsloser Jugendlicher fürchten, auch wenn jede obdachlose Person eine zu viel sei, und Bildungs- und Arbeitsplatzchancen für Jugendliche auch hierzulande ständig verbessert werden müssten.

„Natürlich ist auch in Wien nicht alles perfekt“, meint Getzner, „aber man merkt, dass die Stadtverwaltung schon frühzeitig über künftige Entwicklungen und Probleme nachdenkt.“ Ein Beispiel dafür ist die Energieraumplanung: In Wien gibt es dafür eine eigene Abteilung – andere Städte machen sich über solche Themen erst Gedanken, wenn die Probleme sichtbar sind. Und das kann dann teuer werden.