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Fest und flüssig zugleich

Mikroskopisch kleine Partikel können sich spontan zu komplizierten Schichtstrukturen mit bemerkenswerten Eigenschaften zusammenfinden – das zeigen Berechnungen der TU Wien.

zwei unterschiedliche Schichten, die sich wiederholen

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Ganz von alleine bilden die Teilchen regelmäßige Schichten aus

Schokowaffeln

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Das System erinnert an warme Schokowaffeln - mit abwechselnd festen und flüssigen Schichten

Emanuela Bianchi, Gerhard Kahl und Silvano Ferrari (v.l.n.r.)

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Emanuela Bianchi, Gerhard Kahl und Silvano Ferrari (v.l.n.r.)

Es gibt viele Möglichkeiten, neuartige Materialien herzustellen. Eine der interessantesten ist die Variante, mikroskopisch kleine Partikel dazu zu bringen, sich von selbst zu komplexen Strukturen zusammenzufügen. Man spricht in diesem Fall von „Selbstorganisation“. Welche bemerkenswerten Möglichkeiten das liefert, zeigen nun Computersimulationen an der TU Wien: Aus einfachen Bausteinen entstehen Schichtsysteme, die innerhalb eines großen Temperaturbereichs gleichzeitig fest und flüssig sein können.

Abstoßende und anziehende Ladungen
„Die Grundidee kommt aus der Natur“, erklärt Prof. Gerhard Kahl vom Institut für Theoretische Physik der TU Wien. „Viren und Bakterien weisen oft an ihrer Oberfläche elektrische Ladungen auf. Je nachdem, wie sie zueinander ausgerichtet sind, können sie sich also anziehen oder abstoßen. Und dadurch können sie selektive Bindungen eingehen und sich zu interessanten Strukturen zusammenfügen.“

Ähnliches gelingt auch mit künstlich hergestellten Partikeln – etwa mit kleinen Kügelchen, auf die man oben und unten eine positive elektrische Ladung aufbringt. Unter passenden äußeren Bedingungen können sich solche Partikel ganz von selbst zu einer zweidimensionalen Schicht zusammenfügen. In einem hexagonalen Muster sind die Teilchen dann dicht aneinander gepackt, die geladenen Seiten der Partikel sind jeweils so ausgerichtet, dass sie einander gegenseitig anziehen. Das verleiht der Schicht eine hohe Stabilität.

Wie Emanuela Bianchi und Silvano Ferrari aus Gerhard Kahls Arbeitsgruppe zeigen konnten, ermöglicht das ein interessantes Phänomen: Mehrere solche Schichten können sich parallel zueinander bilden. Dazwischen können sich weitere Partikel anlagern, die beide Schichten miteinander verbinden. Durch diese verbindenden Partikel werden die Schichten fixiert, sodass sie sich nicht mehr relativ zueinander verschieben können und  somit  eine  stabile, vielschichtige Struktur entsteht – ganz von selbst, durch Selbstorganisation zufällig herumschwirrender Teilchen.

Fest und flüssig: Die Mini-Schokowaffel
Das Besondere an diesen Strukturen wird erkennbar, wenn man die Temperatur erhöht: „Die Bindungen innerhalb der einzelnen Schichten sind viel stärker als die Bindungen zwischen den Schichten“, erklärt Gerhard Kahl. „Bei erhöhter Temperatur werden zunächst die schwächeren Bindungen zwischen den Schichten aufgebrochen, dort können sich die Partikel als Flüssigkeit frei bewegen, während die Schichten selbst in sich noch stabil bleiben.“ Was dabei entsteht ähnelt einer Schokowaffel in der Sommerhitze: Zwischen festen, stabilen Waffelschichten bewegt sich flüssige Schokolade. „Das ist bemerkenswert: Wir haben es mit einem einheitlichen Material zu tun, das nur aus einer einziger Sorte von Teilchen besteht – aber es kann eine Struktur ausbilden, die gleichzeitig feste und flüssige Schichten aufweist.“

Das funktioniert über einen großen Temperaturbereich hinweg – erst wenn man die Temperatur so weit erhöht, dass auch die stabilen Verbindungen innerhalb der einzelnen Schichten aufgelöst werden, geht die Struktur kaputt. Bis dahin weist das System eine bemerkenswerte Fähigkeit zur Selbstheilung auf: Auch wenn Schäden entstehen, werden sie automatisch von zufällig vorbeikommenden Teilchen rasch wieder repariert.

An der experimentellen Umsetzung dieser neuen Ideen wird bereits gearbeitet. Einsatzmöglichkeiten für solche Strukturen gibt es viele. „Wir haben mit solchen Strukturen die Möglichkeit, den Transport von Teilchen über die Temperatur ganz gezielt zu steuern“, sagt Gerhard Kahl. Das könnte man zum Beispiel in der Medizin nutzen, um Medikamente genau an den richtigen Ort im Körper zu transportieren.


Originalpublikation: Ferrari et al., Nanoscale, 2017,9, 1956-1963 , öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster

Rückfragehinweis:
Prof. Gerhard Kahl
Institut für Theoretische Physik
Technische Universität Wien
Wiedner Hauptstraße 8-10
T: +43-1-58801-13632
gerhard.kahl@tuwien.ac.at

Aussender:
Dr. Florian Aigner
Büro für Öffentlichkeitsarbeit
Technische Universität Wien
Resselgasse 3, 1040 Wien
T: +43-1-58801-41027
florian.aigner@tuwien.ac.at