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ERC-Grant für Karsten Held

Mit einer vielversprechenden neuen Methode will der Physiker einem der größten Rätsel der modernen Physik auf die Spur kommen: Der Hochtemperatur-Supraleitung

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© Andriy Smolyanyuk / TU Wien

Gibt es Materialien, die bei ganz normaler Raumtemperatur elektrischen Strom ohne Widerstand leiten? Das ist eine der ganz großen Fragen der modernen Physik. Würde man ein solches Material finden, gäbe es unzählige Anwendungsmöglichkeiten – von energiesparenden Elektromotoren bis hin zu verlustfreiem Stromtransport nach Europa aus PV-Anlagen in der Sahara. Doch die Suche nach solchen Materialien scheiterte bisher daran, dass noch gar nicht verstanden ist, wie diese unkonventionelle Hochtemperatur-Supraleitung zu Stande kommt.

Prof. Karsten Held (Institut für Festkörperphysik, TU Wien) möchte das nun ändern. Er entwickelte eine neue Methode – die „Dynamische Vertex Approximation“. Diese Technik erlaubt es, das komplexe Zusammenspiel einer großen Anzahl von Elektronen akkurat zu beschreiben - genau  dieses Zusammenspiel ist für die Hochtemperatur-Supraleitung entscheidend. In den letzten Jahren konnte Karsten Held mit seinem Team immer wieder zeigen, dass diese Methode wichtige Fragen der Festkörperphysik korrekt beschreiben kann. Insbesondere konnte er Supraleitung und andere Eigenschaften der neusten Nickelat-Supraleiter präzise vorhersagen. Nun erhält er ein ERC Advanced Grant vom European Research Council (ERC), die höchstdotierte Förderung der europäischen Forschungslandschaft, um dem Mechanismus der Hochtemperatur-Supraleitung auf die Spur zu kommen und neue, bessere Supraleiter zu finden.

Hohe Temperatur, aber immer noch eiskalt

Seit vielen Jahrzehnten kennt man die sogenannten „Hochtemperatur-Supraleiter“ – Materialien, die ihre supraleitenden Eigenschaften auch bei relativ hohen Temperaturen noch bewahren. Allerdings handelt es sich dabei immer noch um Temperaturen, die für menschliche Verhältnisse ziemlich kalt sind – typischerweise kühlt man mit flüssigem Stickstoff auf -196°C. „Ein Material, das auch bei Raumtemperatur supraleitend bleibt, würde die Art, wie wir elektrische Energie generieren, transportieren und konsumieren völlig verändern“, sagt Prof. Karsten Held.

Es ist extrem schwer, Hochtemperatur-Supraleitung theoretisch zu beschreiben. Das Problem daran ist: man muss die quantenphysikalischen Interaktionen zwischen den Elektronen genau beschreiben. Wenn die Zahl der beteiligten Elektronen wächst, werden die Gleichungen der Quantentheorie rasch so komplex, dass sie auch von den besten Supercomputern der Welt nicht mehr gelöst werden können. Man braucht also eine bessere, effizientere Methode zur Berechnung von supraleitenden Materialien.

Zu diesem Zweck hat Karsten Held eine Technik entwickelt, die auf sogenannten „Feynman-Diagrammen“ beruht – sie wurden vom Physik-Nobelpreisträger Richard Feynman eigentlich für die Teilchenphysik entwickelt. Mit diesem Ansatz gelang es Karsten Held, mit bemerkenswerter Genauigkeit vorauszusagen, unter welchen Bedingungen wichtige Hochtemperatur-Supraleiter, die sogenannten Nickelate, supraleitend sind. Auch die berechneten Energie-Niveaus der Elektronen und die magnetischen Eigenschaften wurden letztes Jahr eindrucksvoll durch Messungen bestätigt.

 „Damit sind wir in der einzigartigen Position, realistische, material-spezifische Rechnungen für neuartige Nickelate, aber auch für Cuprate und völlig andere, bislang noch unbekannte Supraleiter durchführen zu können“, sagt Karsten Held. Man kann mit der neuen Methode etwa auch berechnen, wie sich Materialien verhalten, die aus Nanometer-dünnen Schichten verschiedener Materialien zusammengesezt sind, oder in denen ganz bestimmte zusätzliche Fremdatome beigefügt werden. „Das Ziel ist es, Hochtemperatur-Supraleitung besser zu verstehen und neue supraleitende Materialien am Computer zu designen“, hofft Karsten Held.

Karsten Held

Karsten Held studierte an der RWTH Aachen und promovierte 1999 in Augsburg. Mit einem Alexander von Humboldt-Fellowship ging er anschließend als Postdoc an die Universität Princeton; 2002 kehrte er nach Europa zurück und leitete eine Emmy-Noether-Gruppe am Max Planck Institut für Festkörperforschung in Stuttgart. Schließlich wurde er 2008 ans Institut für Festkörperphysik der TU Wien berufen. 

Der ERC Advanced Grant, dotiert mit 2.1 Millionen Euro, wird Karsten Held in den nächsten fünf Jahren nun die Möglichkeit geben, sein Team auf internationalem Spitzenniveau weiter auszubauen und die Erforschung der Hochtemperatur-Supraleitung gezielt voranzutreiben. Es ist bereits der zweite ERC-Grant mit dem Karsten Held ausgezeichnet wird: Bereits 2012 konnte er einen ERC Starting Grant einwerben.

 

Rückfragehinweis

Prof. Karsten Held
Institut für Festkörperphysik
Technische Universität Wien
+43-1-58801-13710
karsten.held@tuwien.ac.at

Aussender:
Dr. Florian Aigner
Kommunikation
Technische Universität Wien
+43 664 60588 4127
florian.aigner@tuwien.ac.at