Architektonisches Entwerfen und naturwissenschaftliches Forschen sind zwar unterschiedliche Aktivitäten – aber die Architektur kann von der Naturwissenschaft stark profitieren, davon ist Professor Ardeshir Mahdavi überzeugt. Er leitet die Abteilung für Bauphysik und Bauökologie am Institut für Architekturwissenschaften. Intuition und Erfahrung reichen nicht immer aus, wenn ein Gebäude zweckmäßig, komfortabel und umweltfreundlich zu gestalten ist. Wissenschaftliche Methoden und Instrumente wie fortgeschrittene Berechnungsmethoden und Computersimulationen werden daher vermehrt in Gebäudeentwurf und -operation eingesetzt. Professor Mahdavi beschäftigt sich mit Themen wie nachhaltige Architektur, Gebäudeklima, Energieeffizienz, Raumakustik oder Tageslicht – wichtige Bereiche des architektonischen Alltags, die sich naturwissenschaftlich präzise erforschen lassen. Ähnlich wie man in der Medizin die Funktionsweise des Körpers verstehen muss, um heilen zu können, muss man in der Architektur das Verhalten von Gebäuden verstehen, um für Wohnkomfort und Umweltverträglichkeit sorgen zu können.
Planen, modellieren, forschen
Ardeshir Mahdavi knüpft ausgehend von der Architektur Verbindungen zur Physik und zum Bauingenieurswesen. Eine Vorliebe für interdisziplinäres Denken hatte er schon immer. In seiner Jugend begeisterten ihn ganz unterschiedliche Themen zwischen Kunst und Wissenschaft: Architektur, Musik und Physik. Diese drei Bereiche konnte er zusammenführen, indem er begann, sich mit Raumakustik zu beschäftigen. Nach seinem Architekturstudium schrieb er seine ersten Publikationen zu diesem Thema, während er gleichzeitig in einem Architekturbüro arbeitete. Sich ausgehend davon in Richtung Raumklima, Wärme und Kälte weiterzuentwickeln, war der logische nächste Schritt.
Wissenschaft und Technik als Inspirationsquelle
Bauphysik und das Optimieren von Gebäuden in klimatechnischer, akustischer oder energetischer Hinsicht wurde viel zu lange als unangenehmes Zwangskorsett für die Architektur gesehen, meint Mahdavi: „Es geht nicht darum, sich im kreativen Planungsprozess einzuschränken, damit bauphysikalische Auflagen erfüllt werden. Im Gegenteil: Es geht darum, naturwissenschaftliche Erkenntnisse als Treibkraft und Inspirationsquelle für neue, aufregende und kreative Ideen zu nutzen.“ Es gab Zeiten, in denen die Bauphysik den Ruf hatte, verstaubt und langweilig zu sein. Mit Themen wie Eigenschaften von Dämmmaterialien, Wärmedurchgangskoeffizienten und technischen Fensterdetails ist es nicht einfach junge Studierende zu begeistern. Doch das Gebiet der Bauphysik und Bauökologie hat sich in den letzten Jahrzehnten drastisch erweitert und als ein zentrales Kompetenzgebiet des Bauwesens etabliert. Wenn Mahdavi das Temperaturverhalten, die klimatischen Bedingungen oder die Akustik eines Gebäudes erforscht, dann ergeben sich daraus neue innovative Lösungen – vom Beschattungssystem bis hin zur Stadtplanung. Im Mittelpunkt stehen dabei die Anforderungen der Menschen: „Letzten Endes geht es immer darum, dass man in einem Gebäude gesunde und komfortable Verhältnisse findet, dass man sich wohlfühlen und produktiv arbeiten kann. Unsere wissenschaftlichen Erkenntnisse und Instrumente helfen uns, diese Ziele systematisch zu definieren und zu erreichen“, fasst Mahdavi zusammen.
Von Wien in die USA
Nach seiner Dissertation und Habilitation an der TU Wien wechselte Ardeshir Mahdavi im Jahr 1990 in die USA, an die renommierte Carnegie Mellon University in Pittsburgh, zunächst als Associate Professor und dann als "Tenured Full Professor of Building Physics". Bis 2001 arbeitete er dort – unterbrochen von mehreren Gastprofessuren auf der ganzen Welt (unter anderem in Deutschland, Singapur, Brasilien und der Türkei). Was ursprünglich als ein "Visiting Appointement" für Mahdavi begann, entwickelte sich zu einer aufregenden und produktiven Zeit, in einem sehr fortgeschrittenen und motivierenden Umfeld. Naturwissenschaftliche Fragestellungen und modernste computer-gestützte Methoden (wie Optimierung, Artificial Intelligence sowie regel- und wissensbasierte Systeme) standen an der Carnegie Mellon University stark im Mittelpunkt der architektonischen Forschungs- und Lehrtätigkeit – eine Sichtweise die längst nicht selbstverständlich ist. „Es gibt Architektur-Schulen, die sich eher auf theoretische und künstlerische Aspekte der Architektur konzentrieren“, meint Mahdavi „Doch Architektur an einer Technischen Universität muss in erster Linie von kompetenter Forschung und ernsthafter wissenschaftlicher Arbeit geleitet sein – und hier spielt die Bauphysik eine wichtige Rolle.“ Diese Forschungstätigkeit lässt Mahdavi dann wiederum stark in die Lehre einfließen: Er hat das neue Master-Programm „Building Science and Technology“ initiert und leitet dieses federführend – ein sehr international ausgelegtes Studium, mit Englisch als alleinige Unterrichtssprache und einem Anteil an ausländischen Studierenden von 75%.
Computerwissenschaften für besseres Planen
Ein wichtiger Forschungsschwerpunkt in der Bauphysik ist die Computerwissenschaft. Mahdavi verwendet Computersimulationen, um das Verhalten von Gebäuden zu verstehen und vorherzusagen, und er setzt Computertechnik auch ein, um zielgenau physikalische Größen im Gebäude zu steuern: Professor Mahdavis Forschung hat gezeigt wie Computersimulation in Gebäudeautomationssysteme integriert werden kann. Die Computersimulation kann die Zukünftige Entwicklung von Größen wie Temperatur oder Luftfeuchtigkeit vorausberechnen und dementsprechend regelnd eingreifen. Steuerung von technischen Gebäudesystemen (wie etwa Steuerung von Fenstern und Beschattungselementen, Heizung, Kühlung und Lüftungssystemen) kann dadurch prädikativ (vorausschauend) erfolgen. Solche Projekte sind wissenschaftlich spannend – sie zeigen wie sehr minimalistische passive und energieeffiziente Gebäudesteuerungsmethoden mit modernster Sensorik und Software-Technologie kombiniert werden können. Für seine Arbeiten in diesem Bereich ("simulation-based building systems control") ist Professor Mahdavi in der internationalen Forschungsgemeinschaft bekannt.
Ein Weltbürger kehrt zurück nach Wien
Forschung und Lehre lassen sich nur weiterverbessern, wenn man den Mut hat, sich ständig mit Institutionen aus anderen Weltgegenden zu vergleichen – diese Überzeugung schöpft Mahdavi aus seinen internationalen Erfahrungen an verschiedenen Universitäten. Gerade von amerikanischen Universitäten könnte man einiges lernen – ganz ohne die eigene Tradition über Bord werfen zu müssen, meint Mahdavi. Im Jahr 2001 war er eigentlich bereits sicher, in Pittsburgh seinen permanenten Lebensmittelpunkt gefunden zu haben. Dann wurde allerdings eine Professur an der TU Wien ausgeschrieben – er beschloss schließlich, dem Ruf aus seiner Heimatuniversität zu folgen. Mittlerweile hat Professor Mahdavi an der Abteilung für Bauphysik und Bauökologie eines der jüngsten, motiviertesten und erfolgreichsten Teams der Universität aufgebaut. Die lange und stetig wachsende Liste von Publikationen, geförderten Forschungsprojekten, abgeschlossenen Dissertationen und Einladungen zu Keynote-Präsentationen auf der ganzen Welt zeigt in beeindruckender Weise, dass die "Weltklasse" an der TU Wien realisierbar ist.