Presslufthämmer sind männlich, Küchenmixer sind weiblich? Noch immer stecken stereotype Geschlechterbilder viel zu tief in unseren Köpfen. Wo biologische Unterschiede zwischen Männern und Frauen aufhören und gesellschaftlich konstruierte Unterschiede beginnen, ist ein vieldiskutiertes Thema. Neu ist der Ansatz, das Nachdenken über Genderaspekte für die Verbesserung der wissenschaftlichen Forschung einzusetzen. Am 27. März gibt es in einem Workshop an der TU Wien mehr darüber zu erfahren.
Forschungsexzellenz durch Gender-Sensibilität
„Gendered Innovations“ ist ein Schlagwort, das an der Stanford University in den USA geprägt wurde und mittlerweile auch nach Europa geschwappt ist. Die Idee ist einfach: Wenn durch Forschung und Technologie Probleme unterschiedlicher Menschen gelöst werden sollen, dann muss auch auf unterschiedliche Bedürfnisse Rücksicht genommen werden. Wenn Männer und Frauen mit unterschiedlichen Erwartungshaltungen und Wünschen an Technologie herangehen, sollte das in der anwendungsorientierten Forschung von Anfang an berücksichtigt werden. Brigitte Ratzer von der Koordinationsstelle für Frauenförderung und Gender Studies arbeitet daran, diese Denkweise auch an der TU Wien fest zu verankern. „Man muss schon im Forschungs- und Entwicklungsprozess überlegen, ob man nicht in der wissenschaftlichen Arbeit eine Bevölkerungsgruppe ausklammert“, erklärt sie. Dabei geht es nicht nur um die Berücksichtigung beider Geschlechter, sondern auch um die Berücksichtigung aller Altersgruppen, um Personen mit unterschiedlichem Bildungsniveau und unterschiedlicher Technik-Erfahrung.
Männermedizin und Frauenmedizin
Besonders dramatisch ist dieses Problem in der Medizin, wo nicht nur sozial konstruierte sondern auch biologische Geschlechterunterschiede zu berücksichtigen sind. Nachlässigkeit oder fehlende Sensibilität für Gender-Fragen können hier weitreichende Folgen haben: Viele medizinische Studien werden nur an Männern durchgeführt. Mehrere Medikamente mussten daher nachträglich bereits aus dem Verkehr gezogen werden, weil sie sich als schädlich für Frauen herausstellten.
Gewisse Krankheiten werden oft stark mit einem Geschlecht assoziiert. Osteoporose gilt beispielsweise als weibliche Krankheit - und es ist auch wissenschaftlich belegt, dass Frauen daran häufiger leiden als Männer. Trotzdem kommt Osteoporose natürlich auch bei Männern vor, wird bei ihnen aber zu selten diagnostiziert und zu wenig stark zum Thema gemacht. Ähnliches trifft, mit umgekehrten Vorzeichen, auf Herzkrankheiten zu: Herzinfarkte gelten als eher männlich – Frauen mit Herzinfarkten werden daher viel zu oft falsch diagnostiziert.
Verschiedene Menschen, verschiedene Bedürfnisse
Doch nicht nur im medizinischen Bereich ist ein Mitbedenken von Gender-Aspekten wichtig, betont Brigitte Ratzer: „Auch in der anwendungsnahen Technologischen Forschung muss man immer überlegen: Passt das, was ich entwickle, zu den Bedürfnissen beider Geschlechter? Ein krasses Beispiel: Bei der Entwicklung der ersten Spracherkennungssysteme wurden keine Nutzerinnen einbezogen. Dementsprechend versagten die Systeme bei Frauenstimmen, da deren höhere Frequenzen nicht erkannt wurden.“ Oft ist die Sache aber komplizierter: „Wenn Männer eher Auto fahren und Frauen eher öffentliche Verkehrsmittel nutzen, dann ist mit der Förderung des Autoverkehrs vor dem öffentlichen Verkehr eine Benachteiligung von Frauen verbunden“, erklärt Brigitte Ratzer. Eben weil Frauen und Männer in unterschiedlichen Geschlechter-Stereotypen verhaftet sind, können technologische Gegebenheiten auf Männer und Frauen unterschiedliche Auswirkungen haben.
Geschlechterunterschied ist kein Naturgesetz
In diesem Bereich ist viel Sensibilität nötig. Bestehende gesellschaftlich konstruierte Unterschiede mitzubedenken heißt nicht diese Unterschiede als naturgegeben oder unveränderlich zu betrachten. Ungleichheiten, die nun mal bestehen, müssen berücksichtigt werden, meint Brigitte Ratzer, allerdings nicht als biologistisches, unverrückbares Naturgesetz, sondern als Paradigma, das letztlich überwunden werden kann. Eine Förderung von Kinderbetreuungseinrichtungen kommt eher Frauen zugute als Männern, doch diese Erkenntnis darf eben nicht mit der Sichtweise verwechselt werden, dass Kinderbetreuung natürlicherweise Frauensache sei.
Ähnlich sieht Ratzer die Unterschiede zwischen Frauen und Männern in der Technologie: „Es gibt Forschungsbereiche, für die sich Frauen heute einfach weniger interessieren als Männer“, meint sie. Das liegt freilich weder an biologischen Unterschieden noch an der Naturwissenschaft an sich, sondern an gesellschaftlichen Traditionen. „Man muss eben darüber nachdenken, wie man auf diese Unterschiede eingehen kann. Vielleicht finden Frauen die selbe Wissenschaft faszinierender, wenn man sie anders darstellt und nicht immer in Verbindung mit männlichen Stereotypen präsentiert.“
Unterschiede aufzeigen – nicht Unterschiede festzementieren
Man hat es also mit einer Gratwanderung zu tun: Gesellschaftlich konstruierte Unterschiede sollen zwar immer mitbedacht werden, um die Wirkung von Entscheidungen auf die Geschlechter zu verstehen, gleichzeitig sollen die unnötigen, künstlich aufgebauten Unterschiede aber letzten Endes niedergerissen werden. Unterschiede zu erkennen und zu berücksichtigen heißt also nicht, diese Unterschiede gutzuheißen oder sich mit ihnen abzufinden. Bei diesem Prozess wird noch viel Kreativität gefragt sein: Einen Presslufthammer einfach rosa zu lackieren, mit süßen kleinen Einhörnern zu versehen und das dann für einen positiven Gender-Schritt zu halten, wird jedenfalls keine Probleme lösen.
Der Workshop „Gender in Research“ findet am 27. März von 9:00- 17:30 Uhr im Böckelsaal statt. Die Fallbeispiele zur Veranschaulichung des Themas werden aus den Bereichen „Energy“ und „Environment“ kommen.
Anmeldung zum Workshop: <link http: www.yellowwindow.be genderinresearch index_calendar.html>
Mehr zum Inhalt des Workshops „Gender in Research“: <link http: www.yellowwindow.be genderinresearch>
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