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Diamant als Quantenspeicher

Zwei völlig verschiedene Quanten-Systeme wurden an der Technischen Universität (TU) Wien erfolgreich vereint. Das Ergebnis soll den Weg zu praxistauglichen Quanten-Computerchips ebnen.

Der Quantenchip: In der Mitte ist der gewundene Mikrowellenresonator und der dunkle Diamant zu erkennen.

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Der Quantenchip: In der Mitte ist der gewundene Mikrowellenresonator und der dunkle Diamant zu erkennen.

Der Quantenchip: In der Mitte ist der gewundene Mikrowellenresonator und der dunkle Diamant zu erkennen.

Johannes Majer (unten) mit Wissenschaftlern aus seinem Team: Robert Amsüss, Tobias Nöbauer, Stefan Putz (v.l.n.r.)

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Johannes Majer (unten) mit Wissenschaftlern aus seinem Team: Robert Amsüss, Tobias Nöbauer, Stefan Putz (v.l.n.r.)

Johannes Majer (unten) mit Wissenschaftlern aus seinem Team: Robert Amsüss, Tobias Nöbauer, Stefan Putz (v.l.n.r.)

Quantencomputer gehörten schon seit Jahren zu den großen Zielen der Wissenschaft. Wenn ein gewöhnlicher Computer eine Liste von Aufgaben zu erledigen hat, muss er sie mühsam nacheinander abarbeiten. Ein Quantencomputer könnte verschiedene Zustände gleichzeitig einnehmen – und dadurch verschiedene mögliche Lösungen eines Problems gleichzeitig ausprobieren. Einen wesentlichen Schritt Richtung Quantencomputer könnten nun Diamanten bringen. An der TU Wien gelang es, Mikrowellen an Quanten-Zustände eines Diamanten anzukoppeln. Die Ergebnisse dieses Forschungsprojektes wurden nun im angesehenen Fachjournal „Physical Review Letters“ veröffentlicht.

Unterschiedliche Quanten-Technologien in einem Chip
Schon lange sucht man nach passenden physikalischen Bausteinen für einen Quantencomputer – bisher jedoch ohne den gewünschten Erfolg. Zwar gab es schon verschiedene Ideen für Systeme, die auf quantenphysikalische Weise Information speichern, doch meist sind sie sehr fragil und instabil. Wenn etwas als Bauelement für einen Computer dienen soll, dann muss es sich sehr rasch umschalten lassen. Gleichzeitig muss es einen quantenphysikalischen Zustand ausreichend lange zuverlässig konservieren können, sodass genug Zeit besteht um damit Rechnungen durchzuführen. „Es gibt kein Quantensystem, das alle Anforderungen gleichzeitig erfüllt“, meint Johannes Majer vom Atominstitut der TU Wien. Mit seinem Forschungsteam koppelte er daher zwei völlig verschiedene Quantensysteme, um die Vorteile beider Seiten nutzen zu können: Mikrowellen und Diamanten.

Lichtteilchen und Diamanten
Auch bei herkömmlichen Computern gibt es einen Prozessor und einen Arbeitsspeicher. Der Prozessor führt schnelle Rechnungen durch, der Speicher soll sich die Ergebnisse möglichst dauerhaft merken. Ähnlich verhalten sich die beiden Quantensysteme zueinander, die auf dem Quanten-Chip an der TU Wien nun vereint wurden: Schnelle Rechenoperationen werden durch einen sogenannten Mikrowellen-Resonator ermöglicht. Sein Quantenzustand wird durch Lichtteilchen im Mikrowellen-Bereich bestimmt. Dieser Mikrowellen-Resonator wird an eine dünne Diamantschicht angekoppelt, in der Quantenzustände gespeichert werden können.

Fehler sind erwünscht
Während man für wertvollen Schmuck möglichst reine, makellose Diamanten sucht, benötigt man für die Quantenexperimente genau das Gegenteil: Hier sind Diamanten mit Fehlern gefragt. Wenn sich im regelmäßigen Kohlenstoff-Gitter des Diamanten nämlich Stickstoff-Atome einschleichen, dann wird der Diamant zwar beinahe schwarz, doch dafür kann er dann Quantenzustände stabil speichern. „Wir konnten zeigen, dass sich in unserem Chip Quanten-Zustände zwischen Mikrowellen und den Stickstoff-Zentren im Diamanten übertragen lassen“, erklärt der TU-Assistent Robert Amsüss. Je mehr Stickstoffatome bei dieser Übertragung beteiligt sind, umso stabiler „merkt“ sich der Diamant den eingespeicherten Quantenzustand.
Überraschenderweise konnte bei dem Experiment auch gezeigt werden, dass sich sogar im Drehimpuls der Atomkerne Quantenzustände speichern lassen. „Das könnte der erste Schritt zu einem Atomkern-Speicher sein“, mutmaßt Johannes Majer – doch zunächst soll der Diamant-Quantenchip in seiner jetzigen Form weiterentwickelt werden. Die nötigen Teilelemente sind nun vorhanden – jetzt geht es darum, sie für echte, stabile Rechenoperationen zu nützen.


Fotodownload: <link http: www.tuwien.ac.at dle pr aktuelles downloads quantendiamant>

www.tuwien.ac.at/dle/pr/aktuelles/downloads/2011/quantendiamant/, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster


Originalpublikation:R. Amsüss et al., Phys. Rev. Lett 107 (2011), <link http: prl.aps.org abstract prl v107 i6 e060502>

prl.aps.org/abstract/PRL/v107/i6/e060502, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster


Rückfragehinweis:
Dr. Johannes Majer
Atominstitut
Technische Universität Wien
Stadionalle 2, 1020 Wien
T: +43-1-58801-141838
<link>johannes.majer@tuwien.ac.at

Aussender:
Dr. Florian Aigner
Büro für Öffentlichkeitsarbeit
Technische Universität Wien
Operngasse 11, 1040 Wien
T: +43-1-58801-41027
<link>florian.aigner@tuwien.ac.at

 

Quantum Physics & Quantum Technologies ist – neben Computational Science & Engineering, Materials & Matter, Information & Communication Technology sowie Energy & Environment – einer von fünf Forschungsschwerpunkten der Technischen Universität Wien. Erforscht werden mögliche Anwendungen von Quantenphänomenen. Diese reichen von fundamentalen Wechselwirkungen der Elementarteilchen über Strahlungsquellen für ultrakurze Photonenpulse bis hin zur Steuerung der Zustände einzelner Atome und damit zu Bauelementen für den Quantencomputer.