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Detlef Gerhard – Professor für Maschinenbauinformatik und Virtuelle Produktentwicklung

Mit Hilfe von Produktdatenmanagementsystemen beschreibt der TU-Professor virtuelle Prototypen von Fahrzeugen, Maschinen und Anlagen und simuliert deren reales Verhalten. Eine schnellere und kostengünstigere Produktion stehen dabei ebenso im Vordergrund, wie die Vernetzung der einzelnen Projektpartner. Privat genießt Professor Gerhard das gute Freizeitangebot in und um Wien. An der TU setzt er auf mehr Interdisziplinarität.

Detlef Gerhard

Detlef Gerhard

Werdegang

Professor Gerhard begann sich bereits früh für Maschinenbau mit Schwerpunkt Informatik zu interessieren. 1988 entschloss sich der aus Nordhessen stammende Wissenschafter dieses Fach an der Universität Paderborn zu studieren. Sehr bald begann er sich auf Maschinenbau mit Rechnerunterstützung zu spezialisieren. Sich selbst bezeichnet Gerhard als „Bindestrich-Mensch“. „Informatik als solches war mir zu theoretisch, aber mit Maschinenbau dahinter als Anwendungsfeld hat es mir immer Spaß gemacht.“ Während seines Studiums arbeitete Gerhard als Werkstudent in der Softwareentwicklung bei "Siemens Nixdorf Informationssysteme". Im Rahmen seiner Diplomarbeit beschäftigte sich Professor Gerhard mit dem Austausch von Geometrie- und Technologiedaten mit Hilfe von CAD. Bei der Fertigung von Blechteilen galt es die Daten aus der Konstruktion direkt in die Blechfertigungsmaschine zu übertragen. Sein Vertiefungsgebiet ist die rechnerintegrierte Produktion als Teil der Produktionstechnik selbst.

Nach dem Diplom wechselte Gerhard an die Ruhr-Universität Bochum und begann als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Maschinenbauinformatik, wo er auch seine Dissertation zum Thema Produktdatenmanagementsysteme (PDM) schrieb und im Jahr 2000 abschloss. Gerhard: „PDM-Systeme dienen dazu, Daten, die innerhalb der Produktentwicklung erzeugt werden, entsprechend zu speichern und mit den jeweiligen Zugriffsrechten und relevanten Informationen zu verknüpfen. In der heutigen Zeit besteht zunehmend die Anforderung, dass diese Produktentwicklung nicht mehr innerhalb eines einzelnen Unternehmens stattfindet sondern zusammen mit Kooperationspartnern, Kunden sowie externen Ingenieurbüros. Die Aufgabe besteht auch darin zwischen diesen Partnern eine einheitliche Plattform für die Produktentwicklung zu schaffen und die kooperative Form der Zusammenarbeit zu unterstützen.“ Im Anschluss nutzte Gerhard die Zeit des Internetbooms und wechselte in die Industrie zu einem Software- und Beratungsunternehmen, wo er für die Projektierung und Entwicklung von Kundenlösungen im Bereich Online-Produktkataloge und webbasierter Projektinformationssysteme verantwortlich war. Danach arbeitete Gerhard in einem Sondermaschinenbauunternehmen, das sich mit Air-Cargosystemen beschäftigte. „Ich glaube das Gute an meinem Weg war, dass ich alle drei Seiten kennen gelernt habe. Auf der einen Seite die Softwareentwicklung und –projektierung, die Beratungsseite aber auch die Anwenderseite.“ Während Gerhard Erfahrungen in der Wirtschaft sammelte, verlor er aber im Zuge von Gastvorlesungen und Forschungskooperationen nie den Kontakt zur Universität. Am 1. Februar 2006 nutzte er die Gelegenheit und wurde zum Universitätsprofessor am Institut für Konstruktwissenschaften und Technische Logistik an der TU Wien berufen.

Forschungsschwerpunkt: Virtuelle Produktentwicklung
 
„Unter virtueller Produktentwicklung wird eine umfassende, möglichst vollständige Beschreibung eines Produktes am Rechner verstanden, sodass auf Basis dieses Modells nur mehr wenige Prototypen entwickelt werden müssen. Die Produkte, die man entwickelt sind jedoch nach wie vor real“, erläutert Gerhard. Alle für die Produktentwicklung notwendigen Entscheidungen sollten auf Basis dieser Informationen getroffen werden können. „Alle Ergebnisse sollten dazu beitragen schneller und kostengünstiger zu sein. Digitale Packaging und Baubarkeitsprüfungen bringen konstruktive Probleme wie etwa Kollisionen von Bauteilen schon weit vor dem Fahrzeugaufbau an der Tag. Wenn man Karosserie-Prototypen für einen Crashtest bauen muss, dann ist das weitaus kostenintensiver, als wenn man versucht die Ergebnisse durch Crashsimulation am Rechner zu erlangen“, so Gerhard. Im Bereich Product Lifecycle Management versuchen Gerhard und seine MitarbeiterInnen alle Daten (z.B. CAD-Modelle) und Arbeitsformen, die im Zuge der Produktentwicklung entstehen, möglichst umfassend zu managen und die Fäden zusammenlaufen zu lassen. „Früher war es im Automobilbereich so, dass viele Komponenten einfach zugekauft wurden. Heute ist ein Zulieferer verantwortlich für ein komplettes System, beispielsweise für die Inneneinrichtung oder die gesamte Lichttechnik. Die Daten zwischen den beteiligten Projektpartnern müssen ausgetauscht und gemanagt werden“, erklärt Gerhard. Die nächste Generation und die Funktionsweise der PDM-Systeme wollen Gerhard uns sein Team im Bereich "Human-Computer-Interaction (HCI)" mitdefinieren. Die Automobilindustrie, mit der er eng zusammenarbeitet, nimmt in Sachen Produktdatenmanagementsysteme eine Vorreiterrolle ein. Aus diesem Grund möchte Gerhard insbesondere auch die heimische, mittelständische Industrie als Partner miteinbeziehen und auf deren Bedürfnisse eingehen. 

Gutes E-Learning-Angebot und mehr Vernetzung

„Ich glaube hervorragende Lehre ist eine Voraussetzung dafür, dass man hervorragende Forschung machen kann“, fasst Gerhard zusammen. Im Sinne des Recruitings für den eigenen wissenschaftlichen Nachwuchs sei es daher wichtig, ein besonderes Augenmerk auf die Lehre zu legen. Als neuer Stuko-Vorsitzender für Maschinenbau freut sich Gerhard besonders über das E-Learning-Angebot an der TU Wien. Darüber hinaus betonte er die Interdisziplinarität oder Vernetzung zwischen den Fakultäten und den einzelnen Studienrichtungen, die er an der TU Wien noch als „ausbaufähig“ erachtet. Gerhard: „Die Vernetzung ist für die Weiterentwicklung der Studienrichtungen wichtig. Seit der Einführung des Bachelor- und Masterprogramms ist der Zeitumfang und Studienplan für die Studierenden in einem relativ engen Korsett. Da ist es natürlich schwierig angesichts dessen die Vernetzung noch voranzutreiben. Ich halte es aber trotzdem für notwendig. Diese Anforderungen kommen hinterher auf die Studierenden im Berufsleben zu. Wenn man sich überlegt, dass Innovationen heute eigentlich nur mehr im Konvergenzbereich verschiedener Disziplinen anzutreffen sind.“
 
Private Seite und Ausblick

Die knappe Freizeit verbringt Professor Gerhard mit seiner Familie, insbesondere mit seinen Kindern. Der Umzug nach Wien habe ihm viele neue Möglichkeiten in der Freizeitgestaltung eröffnet. „Ich finde es toll, dass man sowohl eine exzellente kulturelle Veranstaltung besuchen kann und auf der anderen Seite den nächsten 2.000er zum Wandern und Schifahren in weniger als einer Stunde erreichen kann. Das ist fast ein bisschen wie Urlaubsgefühl“, sagt Gerhard. Darüber hinaus hält er sich gerne mit Fahrrad fahren und Schwimmen fit. In Wien fühlt sich der gebürtige Hesse also sehr wohl und betont vor allem die ausgewiesene Lebensqualität.
Seine Entscheidung in die österreichische Hauptstadt zu kommen begründet er außerdem wie folgt: „Es gab die einmalige Gelegenheit hier etwas Eigenständiges aufzubauen, eine neugeschaffene Professur und nicht den Weg fortzuführen, den jemand anderer bereits vorgeschlagen hat. Diese Tatsache war ausschlaggebend, dass ich mich für die TU Wien entschieden habe.