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Der Schlüssel für bleierne Knochen

Wissenschafterinnen und Wissenschaftern der Technischen Universität (TU) Wien ist es gelungen, ein Verfahren zu entwickeln, mit dem nicht nur Blei in Knochen nachgewiesen werden kann, sondern auch, wo es sich im Knochen befindet.

Abb. 1: Typischer Aufbau eines konfokalen Messaufbaus am Synchrotron.

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Abb. 1: Typischer Aufbau eines konfokalen Messaufbaus am Synchrotron.

Abb. 1: Typischer Aufbau eines konfokalen Messaufbaus am Synchrotron.

Abb. 2: Der Weg vom Knochen zur Elementverteilung, v.l.n.r.: das menschliche Skelett, ein chirurgisch entfernter Teil eines Hüftkopfes, eine Lichtmikroskop-Aufnahme der eingebetteten Probe inklusive der analysierten Fläche, die 3D-Rekonstruktion der Elementverteilung. Bei den weißen Teilen handelt es sich um die kalzifizierten Teile der Probe, bei den roten um die Bleiverteilung im Knochen.

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Abb. 2: Der Weg vom Knochen zur Elementverteilung, v.l.n.r.: das menschliche Skelett, ein chirurgisch entfernter Teil eines Hüftkopfes, ein

Abb. 2: Der Weg vom Knochen zur Elementverteilung, v.l.n.r.: das menschliche Skelett, ein chirurgisch entfernter Teil eines Hüftkopfes, eine Lichtmikroskop-Aufnahme der eingebetteten Probe inklusive der analysierten Fläche, die 3D-Rekonstruktion der Elementverteilung. Bei den weißen Teilen handelt es sich um die kalzifizierten Teile der Probe, bei den roten um die Bleiverteilung im Knochen.

Wien (TU) Die meisten von uns kennen sie – die bleiernen Knochen. Was für manche Gott sei Dank nur im übertragenen Sinn gilt, bedeutet für manche Berufsgruppen wie Schweißer, Löter und Batteriearbeiter bitteren Ernst. WissenschafterInnen der TU Wien ist es nun dank einer speziellen röntgenanalytischen Methode gelungen, nicht nur die Struktur der Knochen sondern auch die Verteilung wichtiger Elemente wie Calcium, Zink, Strontium oder Blei im Knochen zu zeigen - und das in 3D. Das ist zum einen wichtig, weil Blei in Knochen eine tickende Gesundheitsbombe ist und Mediziner an einer Erklärung gesundheitlicher Phänomene interessiert sind. Zum anderen haben die TU Wien-WissenschafterInnen mit ihren Forschungsergebnissen die Türe für die Beantwortung neuer gesundheitlicher Fragen aufgestoßen.

Den Stein ins Rollen gebracht hat 2001 ein Mediziner des Allgemeinen Krankenhauses (AKH) in Wien. Univ. Prof. DDr Wolf Osterode, gelernter Physiker und Arbeitsmediziner, wollte von den Physikern wissen, ob es möglich ist, Blei in Knochen nachzuweisen. Er hat sich mit seiner Frage an die Forschungsgruppe rund um Univ. Prof. Dr. Peter Wobrauschek am Atominstitut der österreichischen Universitäten – einem Institut der TU Wien - gewandt.

Die vorerst eher lapidare Antwort der TU Wien-ForscherInnen: "Wir probieren es aus." Die eingehende Untersuchung der Proben hat Erfreuliches zu Tage gefördert: die WissenschafterInnen konnten Blei im Knochen nachweisen. Der nächste Schritt folgte auf den Fuß: es wurde beim Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) ein Projekt eingereicht – und genehmigt.

Blei im Knochen als tickende Gesundheitsbombe

Personen, die Blei im Körper haben, sind hoch gefährdet. Einmal im Gehirn, löst es neurologische Störungen aus und "tut dort Böses". Folglich sind Personen, die viel mit Blei zu tun haben, besonders gefährdet. Dazu kommt, dass Blei im Körper unterschiedlich lange braucht, bis es "abgebaut" ist.

Die biologische Halbwertszeit von Blei, d.h. die Zeit zwischen Aufnahme und Abgabe, beträgt im Blut ein knappes Monat. Im Knochen hingegen zwischen 10-20 Jahre! So ist es nicht verwunderlich, dass WissenschafterInnen Knochen als "kumulative Bleidosimeter" bezeichnen. Die Einlagerung von Blei in Knochen wäre möglicherweise nicht so dramatisch, wenn es dort bleiben würde. Tut es aber nicht. In metabolisch aktiven Phasen, wie z. B. Schwangerschaft, Schilddrüsenerkrankung, oder generell bei erhöhtem Stoffwechsel, gelangt Blei aus den Knochen in den Blutkreislauf und startet dort seine gesundheitsschädigende Wirkung.

Knochenarbeit der WissenschafterInnen

Die WissesnchafterInnen wollten die vom Mediziner gestellte Frage beantworten, wo sich Blei im Knochen anlagert. Immerhin werden 90-95% des Bleis im Knochen akkumuliert. Der Schlüssel zum Erfolg lag in den Ergebnissen, die dank Mikroanalyse mit Synchrotron-Strahlung gewonnen wurden. Es konnte nachgewiesen werden, dass Blei in der äußersten Knochenschicht akkumuliert wird. Dazu der Projektleiter Peter Wobrauschek: "Die Tür wurde mit der Synchrotron-Strahlung aufgestoßen. Sie liefert extrem lokale Auflösung plus Tiefeninformation." Damit konnte die Verteilung von Calcium, Zink, Strontium, und Blei im Knochen nachgewiesen werden.

So banal die erste Erkenntnis der WissenschafterInnen war, so toll ist sie. Wenn es den WissenschafterInnen nämlich mit Synchrotronstrahlung nicht gelungen wäre festzustellen, dass das Blei dort liegt, wo es liegt – eben im Außenteil des Knochens – hätte man in weiterer Folge einen anderen Weg beschreiten müssen, d.h. auf ein anderes Verfahren setzen, das den Nachweis von Blei in Knochen ermöglicht hätte. So ist auch geplant, in vivo Messungen, d.h. Untersuchung von Patienten im "Leben", sprich Krankenhaus, ab 2006 verstärkt im AKH an beruflich bleiexponierten Menschen durchzuführen.

Das bedeutet für die Zukunft: Bei den Untersuchungen von Patienten im Krankenhaus ("in vivo") kann ein Verfahren mit niederenergetischer Strahlung verwendet werden. Die großen Vorteile im Vergleich zu herkömmlichen Methoden, die allesamt mit radioaktiven Quellen arbeiten: das Verfahren ist in der Handhabung einfacher, weil das Gerät nur mehr an die Steckdose angesteckt werden muss. Außerdem ist es wesentlich kleiner und gibt nur Strahlung ab, wenn es in Betrieb ist.

Aus Liebe zum Detail weitergeforscht

Um Schwierigkeiten bei der Interpretation der Ergebnisse, deren Ursache in der unregelmäßigen Struktur der Knochen zu sehen ist, auszuräumen, setzte das Forscherteam weitere wissenschaftliche Schritte: die Verwendung einer tiefenaufgelösten Messmethode, genannt konfokale Mikroanalytik.

Die Verwendung zweier Röntgenoptiken ( Polykapillaroptiken) - eine im Strahlengang des Synchrotrons, die zweite vor dem Röntgendetektor – gewährleistet die Aufnahme des Messsignals aus einem wohldefinierten Volumselement, dessen Abmessungen im Mikrometerbereich (20x20x20 Mikrometer) liegen. Wird damit die Elementverteilung in verschiedenen Tiefen der Probe bestimmt und die Schichtinformation anschließend aneinandergereiht, gelingt der Schritt von 2D zu 3D.

Der riesige Vorteil der konfokalen Methode liegt darin begründet, dass man die einzelnen Knochenschichten zusammensetzt und eine Volumsinformation erhält. D.h. aus einer Messung erhalten die ForscherInnen das gewünschte Resultat – und fertig.

Nützt man die durch den konfokalen Aufbau verbesserte örtliche Auflösung aus, um Röntgenphotonen ausschließlich aus der ersten Schicht des Knochens zu erfassen, ergeben sich daraus weitere Vorteile. Die neugewonnen Informationen passen genau zu den mit dem Elektronenmikroskop bestimmten histologischen Eigenschaften des Knochens. Dies erlaubte den Forschern unlängst die Anlagerung von Blei an metabolisch aktiven Zonen in menschlichen Hüftknorpeln nachzuweisen. Da diese Regionen im Krankheitsbild entstehender Osteoarthritis (Degeneration des Gelenksknorpelgewebes) eine erhebliche Rolle spielen, ist ein Zusammenhang zwischen Blei und Erkrankungen des Knorpels keinesfalls auszuschließen und ist Gegenstand weiterer Untersuchungen.