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Den Molekülen beim Reagieren zusehen

Der genaue Ablauf einer chemischen Reaktion mit komplizierten Zwischenschritten ist experimentell sehr schwer zugänglich. Nun gelang es, die Zwischenprodukte Molekül für Molekül direkt abzubilden.

Moleküle werden an der Oberfläche festgehalten.

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Moleküle werden an der Oberfläche festgehalten.

Moleküle werden an der Oberfläche festgehalten.

Eine chemische Reaktion - Schritt für Schritt abgebildet [1]

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Eine chemische Reaktion - Schritt für Schritt abgebildet [1]

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Alexander Riss

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Alexander Riss

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Bei komplizierten chemischen Reaktionen sind nicht nur bestimmte Ausgangsmoleküle und Endprodukte im Spiel, sondern auch verschiedene Zwischenprodukte. Wenn man eine chemische Reaktion verstehen, berechnen und verbessern möchte, ist es ganz wichtig, diese Zwischenprodukte und damit den Reaktionsmechanismus genau zu kennen. Weil sie allerdings meist nur für sehr kurze Zeit vorhanden sind, bevor sie weiter in andere Moleküle umgewandelt werden, sind sie sehr schwer zu messen.

Einem internationalen Forschungsteam gelang es nun, diese Zwischenprodukte zu stabilisieren und sie Molekül für Molekül mit einem Rasterkraftmikroskop sichtbar zu machen. Erstautor dieser Studie ist Alexander Riss, der an der TU Wien und UC Berkeley an diesem Projekt arbeitete – derzeit forscht er an der Technischen Universität München. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal „Nature Chemistry“ veröffentlicht.

Organische Moleküle auf Silber
Viele Prozesse in der chemischen Industrie finden an der Grenzfläche zwischen festen und flüssigen oder zwischen festen und gasförmigen Stoffen statt. Die Oberfläche kann als Katalysator dienen, viele chemische Reaktionen können nur auf einer passenden Oberfläche ablaufen. „Wir untersuchten die Reaktionskaskade von Endiin-Moleküle an einer Silberoberfläche“, erklärt Alexander Riss. Es kommt dabei zu verschiedenen Reaktionspfaden, die miteinander konkurrieren. "Wir wollten den Reaktionsmechanismus entschlüsseln und haben unser Augenmerk deshalb auf die Identifikation der Zwischenprodukte gelegt." so Riss. Viele verschiedene Zwischenprodukte spielen eine Rolle, normalerweise sind sie allerdings sehr kurzlebig und daher schwer zu fassen.

Allerdings ist es möglich, diese Zwischenprodukte zu stabilisieren. „Auf der Oberfläche kann man durch bestimmte Tricks die Moleküle festhalten, und sie danach einzeln analysieren“, sagt Alexander Riss. Dafür wurde ein Rasterkraftmikroskop verwendet. Mit einer Spitze, an die man ein einzelnes Kohlenmonoxid-Molekül gesetzt hatte, wurde die Oberfläche Punkt für Punkt abgetastet und die festgehaltenen Moleküle wurden abgebildet.

Analytik und Computersimulationen
„Dass diese Technik funktioniert, ist ein wichtiger Schritt für die chemische Synthese“, ist Riss überzeugt. Warum die Stabilisierung der Moleküle überhaupt möglich ist, lässt sich allerdings gar nicht so einfach sagen. Man ging dieser Frage mit aufwändigen Computersimulationen nach. „Es zeigte sich, dass dabei verschiedene Effekte eine Rolle spielen – die Energie, die vom Substrat der Oberfläche aufgenommen werden kann und Veränderungen der molekularen Entropie“, sagt Alexander Riss.

Dass die Analyse der Reaktionen und ihrer Zwischenprodukte nun auf Ebene einzelner Moleküle möglich wurde, ist ein wichtiger Meilenstein. Bisher verwendete konventionelle spektroskopische Verfahren können niemals dieselben Erkenntnisse bringen – sie sind immer eine Mittelung über ein großes Ensemble von Molekülen. Die neuen Erkenntnisse liefern neue Ansatzpunkte für die Entwicklung und Optimierung von Katalysesystemen, von neuartigen Syntheseverfahren in der kohlenstoffbasierten Nanotechnologie und für Anwendungen in der Biochemie und den Materialwissenschaften.

<link http: www.nature.com nchem journal vaop ncurrent full nchem.2506.html>Originalpublikation

[1] Bild: Adapted by permission from Macmillan Publishers Ltd: Nature Chemistry, advance online publication, 2 May 2016 (doi:10.1038/nchem.2506)