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Architektur der Südsee vom Zerfall bedroht

Fidschi - Unerforscht und daher undokumentiert präsentiert sich die Architektur der Südsee. Für Erich Lehner, Vorstand des Institutes für Baukunst, Bauaufnahmen und Architekturtheorie an der Technischen Universität (TU) Wien, Motivation genug für eine einmonatige Expedition nach Fidschi und Samoa zur Bestandsaufnahme des großartigen kulturellen Erbes. Das Ergebnis auf einen Blick: das feuchtheiße Klima und das uneingeschränkte Bekenntnis zu Fortschritt und Wohlstand beschleunigen den Verfall der architektonisch einzigartigen, traditionellen Bauten.

Abb. 1: Traditionelles Haus auf Samoa...

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Abb. 1: Traditionelles Haus auf Samoa...

Abb. 1: Traditionelles Haus auf Samoa...

Abb. 2: ...komplexe Holzkonstruktionen prägen sein Innenleben.

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Abb. 2: ...komplexe Holzkonstruktionen prägen sein Innenleben.

Abb. 2: ...komplexe Holzkonstruktionen prägen sein Innenleben.

Abb. 3: Aufwändige Flechttechnik mit Kokosfasern

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Abb. 3: Aufwändige Flechttechnik mit Kokosfasern

Abb. 3: Aufwändige Flechttechnik mit Kokosfasern

Abb. 4: Samoesisches Küchenhaus

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Abb. 4: Samoesisches Küchenhaus

Abb. 4: Samoesisches Küchenhaus

Abb. 5: Idyllisches Dorf auf Fidschi

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Abb. 5: Idyllisches Dorf auf Fidschi

Abb. 5: Idyllisches Dorf auf Fidschi

Abb. 6: Fidschi: Rechteck-Grundriss, fensterlose Wände aus Mattengeflecht, steiles Dach mit Zuckerrohrdeckung - das Pendant zu Samoa

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Abb. 6: Fidschi: Rechteck-Grundriss, fensterlose Wände aus Mattengeflecht, steiles Dach mit Zuckerrohrdeckung - das Pendant zu Samoa

Abb. 6: Fidschi: Rechteck-Grundriss, fensterlose Wände aus Mattengeflecht, steiles Dach mit Zuckerrohrdeckung - das Pendant zu Samoa

Abb. 7: Stellevertretend für das gesamte Expeditionsteam:

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Abb. 7: Stellevertretend für das gesamte Expeditionsteam:

Abb. 7: Stellevertretend für das gesamte Expeditionsteam:

Prof. Mückler, Prof. Lehner, Studienassistent Zöhrer [im Bild re, v.v.n.h.] mit Einheimischen

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Prof. Mückler, Prof. Lehner, Studienassistent Zöhrer [im Bild re, v.v.n.h.] mit Einheimischen

Prof. Mückler, Prof. Lehner, Studienassistent Zöhrer [im Bild re, v.v.n.h.] mit Einheimischen

Forschung und Doku-Methode weltweit einzigartig

Einzigartig war die Expedition in zweifacher Hinsicht: zum einen die geleistete Forschungsarbeit, da bis dato in dieser Form noch keine wissenschaftlichen Untersuchungen über die Entwicklung und den Bestand indigener, sprich traditioneller Architektur im südpazifischen Raum vorliegen. Zum anderen wurden neue Methoden der Architekturphotogrammetrie eingesetzt, wie sie bislang noch nicht zur Anwendung gekommen sind.

Häuptlingsentscheidungen und Internet verändern indigene Bauweise

Die traditionelle Bauweise auf den beiden Inseln unterscheidet sich grundlegend. Während in Samoa die Häuser prinzipiell ohne Wände gebaut wurden [Bild 1] und somit kein Platz für Privatsphäre vorhanden war, dominierten auf Fidschi abgeschlossene Räumlichkeiten.

Interessant ist, dass auf Samoa sozusagen von oben nach unten gebaut wurde. Die Bausubstanz bestand aus komplexen Holzkonstruktionen, die Verbindungen wurden mittels Kokosfasern hergestellt [Bild 2 u. 3], als Deckungsmaterial dienten Zuckerrohr und Palmblätter. Das tropische, feuchtheiße Klima hat zur Folge, dass die Häuser nach etwa 20 Jahren verfallen, wenn die bislang üblichen, permanenten Instandhaltungsarbeiten nicht mehr regelmäßig durchgeführt werden. Beschleunigt wird der Verfall dabei durch den Einfluss der "Palagi" (Weiße), der sich zwangsläufig auch auf viele Häuptlingsentscheidungen auswirkt. In ihrem Streben nach Fortschritt setzt der Großteil der Dorfhäuptlinge uneingeschränkt auf „modernen“ Wohnbau. Darunter sind vor allem filigrane Fertigteilhäuser à la USA und Wellblechhütten zu verstehen. Dadurch geht viel Wissen um die traditionelle Bauweise verloren, und es ist heute kaum noch ein Handwerker zu finden, der die alten Techniken noch beherrscht. Nur vereinzelt weisen transformierte architektonische Elemente noch auf die Formen der Vergangenheit hin.

Die traditionelle Architektur auf Fidschi [Bild 5] bestand, und besteht in vereinzelten Fällen noch immer, aus einem einfachen Rechteck-Grundriss [Bild 6], fensterlosen Wänden aus Mattengeflecht und einem steilen Dach mit Zuckerrohrdeckung. Die Höhe des Sockels der Häuser gab Auskunft über den Status einer Familie. Aber auch hier gilt, dass Klima und der unaufhaltsame Fortschrittgedanke die Architektur über die Jahre verändert oder sogar vernichtet haben.

Letztendlich halten aber auch die modernen Technologien und der Wertewandel Einzug bei der Bevölkerung des Pazifischen Raumes. Telefon und Internet, Prestigedenken, das Haus als Statussymbol und die Bedeutung, die Neuem zugeschrieben wird, beeinflussen die Architektur der Südsee. Nicht immer stellt das Neue eine Verbesserung des Traditionellen dar. Trotzdem gewinnen auch im Bau neue Technologien und Materialien immer mehr an Bedeutung - auch wenn sie nicht immer unmittelbar positive Auswirkungen auf die Lebensqualität haben. Beispiel: erhebliche Hitzeentwicklung in den Wellblechhäusern.

Expeditionsphotogrammetrie - neu, einfach und schnell

Während Forscher früher mit speziellen Messkameras ausgerüstet und mit dem System vertraut sein mussten, um eine gediegene architektonische Bestandaufnahme durchführen zu können, funktioniert die Expeditionsphotogrammetrie relativ simpel und vor allem sehr schnell. Vertraut sein muss man lediglich mit der Funktionsweise einer Spiegelreflexkamera, Expertenwissen ist nicht mehr erforderlich. Das zu erfassende Objekt wird mit Markierungspunkten versehen und überlappend fotografiert. Die grafische Ausarbeitung kann dann in aller Ruhe erfolgen. Einziger Nachteil: die Auswertung zur Erstellung der Pläne dauert relativ lange.

Die Verwendung herkömmlicher Kameras für photogrammetrische Zwecke beschreibt Ulrike Herbig in ihrer Dissertation "APIS - Ein Architektur Photogrammetrisches Informationssystem". Das von ihr entwickelte und beschriebene System wird zur Verwaltung der aufgenommenen Objekte auf Fidschi und Samoa dienen.

Architektur und soziales Leben

Ethnologie-StudentInnen der Universität Wien haben begleitend zur architektonischen Bestandaufnahme die Bedeutung der indigenen Bauweise für das soziale Leben in Fidschi und Samoa untersucht. Auffallend, aber nicht verwunderlich ist, dass die Veränderung der Bauweise starken Einfluss auf das soziale Leben der ansässigen Bevölkerung hatte und noch immer hat. In Samoa beispielsweise verschwinden die traditionellen Versammlungs- und Gästehäuser und machen neuen, geschlossenen Bauten Platz, die für Fortschritt, "Mehr-Wert" und eine neu entdeckte Privatheit stehen.

Die Expedition in Zahlen und Fakten

Das Expeditionsteam, bestehend aus zwei Professoren, vier AssistentInnen und 13 Studierenden der Uni Wien und der TU Wien, war vom 4. Februar bis 3. März 2002 unterwegs. Ihre Route: 2 Wochen Samoa (davon die meiste Zeit auf der Hauptinsel Upolu, 4 Tage in einem Dorf auf der zweiten großen Insel Savai`i), 5 Tage Neuseeland, 10 Tage Fidschi (Hauptinsel Viti Levu).

Geleitet wurde die Expedition von Univ.-Prof. Dr. Erich Lehner und dem Fidschi-Experten Univ.-Prof. Dr. Hermann Mückler [Bild 7]. Prof. Lehner ist Experte für außereuropäische Baukunst und hat ein großes Forschungsinteresse an der Architektur des südpazifischen Raumes. Prof. Mückler vertritt die Südsee-Interessen am Institut für Ethnologie, Kultur und Sozialanthropologie der Universität Wien. Er ist Präsident der Österreichisch-Südpazifischen Gesellschaft (OSPG) und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der momentanen völkerrechtlichen und politischen Situation in Fidschi.

StudentInnen der TU und der Uni Wien haben mit der Teilnahme an der Expedition im Rahmen ihres Studiums ein Wahlfach absolviert und dafür auch ein Exkursionszeugnis erhalten.

 

Geplante Projekte

Ein Dokumentarfilm zur Fidschi/Samoa-Expedition ist in Arbeit und soll im Frühjahr 2003 ausgestrahlt werden. Weiters wird an einer zweiteiligen Publikation gearbeitet - eine über Samoa und eine über Fidschi. Die Bücher werden in englischer und deutscher Sprache erscheinen. Geplanter Erscheinungstermin (zumindest Samoa): Frankfurter Buchmesse 2003.

Vertiefende Literatur

 

  • Lehner, Erich: Südsee-Architektur. Traditionelle Bautypen auf Hawei, tonga, Samoa, Neuseeland und den Fidschi-Inseln, Wien 1995
  • Mückler, Hermann/Schütz-Müller, Ingrid: die Entdeckung der Südsee im Spiegel alter Karten, Ansichten und Reiseberichte; Wien 1997
  • Mückler, Hermann: Fidschi – Zwischen Tradition und Transformation, Frankfurt/Main 1998
  • Mückler, Hermann (Hrsg.): Österreicher im Pazifik, Bd 1 der Reihe: Mitteilungen der Österreichisch-Südpazifischen Gesellschaft, Wien 1998