News

„Man(n) kann Gewalt an Frauen beenden“ – Orange the World 2022

Gewalt an Frauen ist ein dringliches Thema, denn die Opferbilanz in Österreich ist alarmierend: Bereits 28 Frauen wurden heuer von ihren männlichen Bezugspersonen getötet. Ab 25.11. hisst die TU Wien daher für 16 Tage die orange Flagge und setzt damit ein sichtbares Zeichen gegen Gewalt an Frauen.

3 Personen stehen vor der Orange the World Fahne.

Von links: Vizerektorin für Personal und Gender Anna Steiger, Konrad Holluger (GUT) und Dinah Gaffal (Abteilung für Genderkompetenz) vor der Orange the World Fahne.

Seit 2015 die UN-Kampagne “Orange the World” ins Leben gerufen wurde, erstrahlen jährlich zwischen dem 25. November, dem „Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen“, und dem 10. Dezember, dem „Internationalen Menschenrechtstag“, öffentliche Gebäude in oranger Farbe. Damit wird ein Zeichen der Solidarität mit Frauen und Mädchen gesetzt, die Gewalt in ihrem Leben ausgesetzt waren und sind. Auch 2022 setzt die TU Wien wieder ein gemeinsames starkes Zeichen gegen Gewalt an Frauen. Aufgrund steigender Energiepreise und einer sich zuspitzenden Klimakrise hat sich die TU Wien jedoch entschieden, 2022 eine orange Flagge zu hissen, anstatt das Hauptgebäude energieintensiv zu beleuchten.

Nach Aktivierung werden u. U. Daten an Dritte übermittelt. Datenschutzerklärung., öffnet in einem neuen Fenster

Orange the World mit TUW-Vizerektorin Anna Steiger

Gewalt an Frauen – ein weltweites Problem

Weltweit ist jede dritte Frau im Laufe ihres Lebens von physischer, psychischer und/oder sexueller Gewalt betroffen. In Österreich hat jede fünfte Frau seit ihrem 15. Lebensjahr körperliche und/oder sexuelle Gewalt er- und überlebt, mehr als jede dritte Frau hat sexuelle Belästigung erfahren. Wir können davon ausgehen, dass die Dunkelziffer jedoch weitaus höher ist. Durchschnittlich wurden im Jahr 2021 pro Monat mehr als zwei Frauen durch ihre (Ex)-Partner oder männliche Familienmitglieder ermordet. Die Zahlen sind dramatisch und weisen auf eine Zunahme an Gewalt gegen Frauen aus: Die Anzahl der Femizide hat sich in den Jahren 2014 bis 2018 mehr als verdoppelt. Durch COVID-19 und die damit verbundenen Lebensbedingungen in der Pandemie, hat sich diese Problematik noch weiter verschärft. 2022 sind bisher 28 Frauen von männlichen Bezugspersonen getötet worden.

Gewalt an Mädchen und Frauen gehört damit zu den häufigsten Menschenrechtsverletzungen weltweit. Gewalt hat verschiedene Gesichter und umfasst beispielsweise ökonomische, emotionale und körperliche Gewalt. Nicht nur wird die psychische und physische Gesundheit von Mädchen und Frauen durch Gewalterfahrungen gefährdet, diese Erfahrungen hinterlassen in meisten Fällen lebenslänglich Spuren und beeinträchtigen Selbstwert, sozialen Beziehungen, Lebenschancen und soziale Teilhabe von Mädchen und Frauen oft nachhaltig. Gewalt bringt Frauen in Lebensgefahr und kostet ihnen in manchen Fällen sogar das Leben.

„Man(n) kann Gewalt an Frauen beenden“ – Slogan der Kampagne 2022

Die Mehrheit der Täter_innen ist männlich und stammt aus unterschiedlichen sozialen und ökonomischen Hintergründen. Gewalt gegen Frauen entsteht aus patriarchalen Strukturen und ist Ausdruck ungleicher Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern – da sind sich Expert­_innen einig. Die Ursachen der Gewalt liegen daher nicht nur auf individueller, sondern auch auf struktureller Ebene. Doch was bedeutet das?

In Österreich wirken traditionelle Geschlechterrollenbilder noch sehr stark. Das gilt für Burschen und Männer wie für Frauen und Mädchen. Diese Geschlechterrollenbilder sind sehr eng gefasst und wirken wie eine Art Korsett, das Menschen vorschreibt, wie sie sich rollenkonform zu verhalten zu haben. Das Abweichen von einer Norm hat soziale Konsequenzen, die mitunter tödlich sind.
Für Männer dreht sich die stereotype Geschlechterrolle bis heute rund um das Verbergen von Verletzlichkeit und fortwährendes stark, dominant, um beruflichen Erfolg oder den Anspruch auf Frauen und Macht: „Grundlegend für das Verhalten des Mannes in unserer Kultur ist die Angst vor Hilflosigkeit, Schwäche und Verwundbarkeit“, wie es der Sozialpädagoge Lothar Böhnisch formuliert.

Wenn „Erfolg“ in diesen Bereichen ausbleibt, kann dies zu schweren Kränkungen führen (Wiesböck 2020), denn „Männlichkeit“ muss ständig unter Beweis gestellt werden. Das biologische Geschlecht „Mann“, reicht nicht aus, um als „echter Mann“ gesehen zu werden. Der Anspruch an die männliche Geschlechterrolle stark, selbstwirksam und unverletzbar sein zu müssen, führt dazu, dass wir schon Burschen beibringen, Gefühle nicht frei auszudrücken, sondern gezielt zu unterdrücken, um keinen Rollenverstoß und damit Ächtung zu riskieren. Das zeigt sich schon früh in Sätzen gegenüber Buben wie „Sei keine Memme“ oder „Sei kein Mädchen“. Durch die Verwendung des Wortes „Mädchen“ als Beleidigung wird deutlich, wie Mädchen und vermeintlich weibliche Eigenschaften wie Emotionalität oder das Ausdrücken von Schmerz durch Weinen strukturell abgewertet werden und dadurch eine Hierarchie zwischen Männern und Frauen geschaffen wird.
Wie kann Kränkung, Schmerz und Leid in der „männlichen“ Geschlechterrolle ausgedrückt werden, wenn Ausdrücke von Angst und Trauer nicht rollenkonform sind. Aggression, Ärger und Wut (und damit die Grundlage für Gewalt) hingegen sind erwünschte Ausdrucksformen „männlicher“ Emotionalität, wie es die Soziologin Laura Wiesböck ausdrückt. Mit anderen Worten: „Anstatt sich selbst verletzlich zu zeigen, verletzen sie dann andere“ (Wiesböck, 2020).

Vereinfacht lässt sich sagen: die traditionell männliche Sozialisierung fördert gewaltvolles Verhalten gegenüber Frauen. Daher verschiebt sich der Fokus der Kampagne „Orange the world“, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster in diesem Jahr weg von der Frau als Opfer und denjenigen, die etwas verändern müssen, hin zur gesellschaftlichen Rolle von Männern. Ziel ist die nachhaltige Verhaltensänderung, um dadurch Gewalt an Frauen und Mädchen durch Männer zu verhindern.