Österreich hat eine ausgeprägte Stärke auf dem Gebiet des Maschinenbaus sowie der Werkstoffe, sowohl wissenschaftlich als auch wirtschaftlich. Das Hauptaugenmerk liegt auf metallischen Konstruktionswerkstoffen, was eindeutig mit der heimischen Metallurgie sowie dem industriellen Anlagen- und Maschinenbau korreliert. Ständig wachsende Anforderungen an die Werkstoffe erfordern jedoch eine ständige Forschung und Verbesserung. Schneller, komfortabler, sicherer, leichter und vor allem kostengünstiger sind die Eigenschaften, die der Markt von neuen "High-Tech-Werkstoffen" verlangt. Die Gewichtsreduzierung verlangt zwangsläufig eine Erhöhung der Festigkeit von Materialien, die in kritischen Bereichen eingesetzt werden.

Die Entwicklung neuer Werkstoffe wird international als Schlüsseltechnologie mit Querschnittscharakter und Schrittmacherfunktion für viele Industriezweige eingestuft. Die Fähigkeit zur Herstellung, Verarbeitung und Anwendung von Hochleistungswerkstoffen ist Voraussetzung für international wettbewerbsfähige Produkte und Verfahren und ein Schlüssel zu mehr Ressourceneffizienz und Umweltschutz.

Die Werkstoffkunde - so alt wie die Menschheit und so neu und modern wie die modernen Kommunikations- und Informationstechnologien - ist eng mit jeder Entwicklung und Fertigung verbunden. Deshalb werden große Epochen auch nach den sie dominierenden Werkstoffen benannt - wie Steinzeit, Bronzezeit und Eisenzeit. Die gegenwärtige Epoche könnte man als Siliziumzeitalter bezeichnen – das dominierende Material, wenn es um moderne Entwicklungen geht (Mikroelektronik, Quantenpunkte, Photovoltaik, Sensoren und Aktoren, etc.) – oder das goldene Zeitalter der Materialwissenschaft. Materialwissenschaft ist die Erforschung und Entwicklung von Materialien und deren wissensbasierte Auswahl für technologische Anwendungen.

Durch die Erforschung des physikalischen, chemischen und ingenieurwissenschaftlichen Ursprungs von Materialeigenschaften - natürlich mit Hilfe der Mathematik - ist die Materialwissenschaft eine wahrhaft interdisziplinäre Tätigkeit. Während die Rolle der Physik (und insbesondere der modernen Physik mit der Quantentheorie zum Beispiel) und der Chemie glasklar ist, ist die ingenieurmäßige Natur irgendwie nicht so offensichtlich. Knochen und Glasschwämme (Euplectella, der so genannte "Venusblumenkorb", der seit 540 Millionen Jahren das Meer in 40 bis 5 000 m Tiefe bewohnt) zum Beispiel haben ihre herausragenden Eigenschaften (Festigkeit kombiniert mit Flexibilität) vor allem wegen ihrer ausgeklügelten (hierarchischen) Architekturen über mehrere Längenskalen hinweg - von Nano- bis Zentimeter.

Keramiken sind die ältesten synthetisch hergestellten Werkstoffe, Töpferwaren lassen sich bis ~20 000 v. Chr. zurückverfolgen. Produkte aus Metallen sind vergleichsweise jung, wobei Gold höchstwahrscheinlich das erste Metall war, das von der Menschheit verwendet wurde (~9 000 v. Chr.) - hauptsächlich zur Dekoration, für religiöse Artefakte und für den Handel, da Gold zu weich ist, um für Werkzeuge verwendet zu werden. Werkzeuge aus Metallen begannen mit Kupfer (~9 000 v. Chr.), das auch die Grundlage für die erste Legierungsentwicklung, Bronze (~3 500 v. Chr.), bildete. Während Eisen aus Meteoriten, das als einziges natives Eisen in der Erdkruste vorkommt (aufgrund von Meteoriteneinschlägen), bereits ~5 000 v. Chr. für verschiedene Produkte verwendet wurde, gehen schmiedeeiserne Produkte auf ~2 500 - 3 000 v. Chr. zurück. Da die Eisenverhüttung - die Gewinnung von verwertbarem Eisen aus natürlich vorkommenden Eisenerzen - weitaus schwieriger ist als die Verhüttung von Zinn und Kupfer (die Bronze bilden), waren Eisenprodukte bis ~1 000 v. Chr. eine Seltenheit. Daher wurden Eisen und insbesondere Stähle höher gehandelt als Gold.

Aufgrund der wichtigen Rolle und des engen Zusammenhangs mit jeder technologischen Entwicklung und jedem technologischen Durchbruch, ist Materials and Matter einer der fünf Forschungsschwerpunkte der TU Wien. Das Masterstudium Materials Science startete mit Okt. 2012 als fakultätsübergreifendes (fünf Fakultäten umfassendes) Studienprogramm, das den interdisziplinären Charakter und die Bedeutung der Materialwissenschaft anerkennt und hervorhebt. Natürlich ist die Materialwissenschaft auch Teil vieler weiterer Studiengänge und Institute.

Die Fortschritte in der Verarbeitungstechnik und bei den Werkstoffen drängen in immer speziellere Anwendungsgebiete. So reicht es heute nicht mehr aus, Werkstücke aus nur einem Werkstoff zu entwickeln, sondern es werden bestimmte Eigenschaften gefordert, die nur mit neuen Technologien oder Kombinationen von Werkstoffen realisiert werden können.

Moderne Werkstoffe erhalten ihre besonderen Eigenschaften weniger durch ihre chemische Zusammensetzung als durch eine spezielle Anordnung bestimmter Komponenten (Mikrostruktur und Morphologie). So werden z. B. Barriere-, Verschleiß- oder Schutzschichten auf Grundmaterialien aufgebracht, um die Vorteile beider Komponenten zu nutzen.

Der Schwerpunkt unserer Forschung in der Werkstoffwissenschaft (Paul Mayrhofer) liegt auf der Entwicklung der Wissenschaft, die den Beziehungen zwischen Synthese, Chemie, Struktur, Eigenschaften und Leistung in strukturellen, nanoskalierten und funktionellen Materialien zugrunde liegt. Wir setzen auch die traditionelle Forschung auf dem Gebiet des Kristallwachstums, der physikalischen Eigenschaften metastabiler Keramik- und Metalllegierungen und Mehrfachschichten sowie ihrer thermischen Stabilität fort. Die Kombination von angewandter und grundlegender Forschung auf dem Gebiet der Schutzbeschichtungen für Bearbeitungswerkzeuge und -komponenten in der Automobil- und Luftfahrtindustrie wird in mehreren Industrieprojekten behandelt.

Im Forschungsbereich Werkstoffwissenschaft sind zwei Forschungsgruppen tätig: