Liana Akobian

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März 2023

Die Katholieke Universiteit Leuven ist einer der bekanntesten Universitäten weltweit und hat besonders im STEM Bereich jährlich ausgezeichnete Rankings. Das und die Tatsache, dass wesentlich mehr Lehrveranstaltungen zu “Artificial Intelligence” angeboten werden als an anderen Universitäten, haben mich dazu gebracht mich für Leuven zu entscheiden. Bereits in den ersten zwei Wochen musste ich jedoch feststellen, dass, auch wenn die theoretischen Inhalte meiner Fächer spannend sind, die Anwendung und Praxis leider zu kurz kommt. Und auch meine Studienkolleg_innen haben bestätigt, dass die meisten Lehrveranstaltungen im Bereich der “Engineering Sciences” reine VOs sind. Die Praxis muss man selbstständig nachholen oder durch Workshops, die von der Uni angeboten werden.

Nach dieser leichten akademischen Enttäuschung habe ich beschlossen dieses Auslandssemester mehr als Möglichkeit um mich persönlich weiterzuentwickeln zu sehen. Wie bereits angeteasert, herrscht in Belgien eine relativ hohe Diversität durch die drei autonomen Regionen: Brüssel, Flanders und Wallonia. In Flanders wird niederländisch oder flämisch gesprochen, in Wallonia Französisch und in Brüssel beide Sprachen aber überwiegend französisch (*Leuven liegt in Flanders, was meinen Aufenthalt natürlich wesentlich erleichtert, weil Niederländisch praktisch wie ein Love Child von Englisch und Deutsch ist). Zudem gibt es im Osten von Belgien eine deutschsprachige Region. Durch diese diversen Gebiete und dadurch, dass Brüssel der Sitz der NATO und der EU ist, stellt Belgien den idealen Nährboden für internationale Kontakte dar.

Das Sonderbare an Erasmus, im Vergleich zu anderen Auslandsaufenthalten oder zu Auswanderungen, ist die Schnelle bei der man diese internationalen Kontakte knüpft. Durch die vielen Veranstaltungen, die teilweise sogar verpflichtend sind, wird man binnen weniger Tage in die internationale Community eingebunden. Es wird einem sehr schwer gemacht, nicht nur ein sozial isoliertes Leben zu führen, sondern auch in seiner Komfortzone der europäischen Bubble zu verbleiben.

Und selbst wenn man die Orientierungsphase verpasst hat und befürchtet, dass sich schon feste Grüppchen gebildet haben: Fear No More! Die einzelnen Fakultäten organisieren im Laufe des Semesters mehr als genug Aktivitäten um Anschluss zu finden: Städtetrips, Kochwettbewerbe, Ninja Warrior Tage, Galabälle, Ostereiersuchen, Spieleabende oder die *must-experience* belgische Tradition: Cantus. Eine Festart bei der in einem geschlossenen Rahmen Bier getrunken und aus dem “Codex” gesungen wird, bei Einhaltung gewisser Regeln. Was diese Regeln sind und was bei einem Cantus noch alles passiert.. das bleibt ein Geheimnis.

Apropos Bier: In Belgien herrscht kein Reinheitsgebot, was bedeutet, dass dort ein Lokal, das über 1000 verschiedene Biersorten anbietet, relativ unspektakulär ist. PS: Die Gerüchte sind wahr, Bier ist ein integraler Bestandteil der belgischen Kultur, fast so sehr wie Speculoos Pasta.

Was ist Speculoos Pasta? Dies und weitere Essensfacts erfährt ihr in der nächsten Ausgabe von “KU Leuven 2022/23”.

Kathedrale
Gebäude
Stadt, Fluss
Park, Gebäude
Straße, Gebäude
Glashaus
Straße, Häuser
Straße, Häuser
Radparkplatz
Gebäude Schild

April 2023

Wenn man Leuven in den Osterferien besucht, ahnt man nicht, dass es sich eigentlich um eine Studierendenstadt handelt. Beginnend mit dem 1. April sind die Studierenden, die üblicherweise mit ihren Rädern die Straßen und die Gehsteige dominieren, auf einmal nicht in Sicht. Nur wenige Tourist_innen, die im Zentrum zwischen den imposanten Gebäuden herumschlendern. Die belgischen und europäischen Studierenden sind in dieser Zeit nämlich in ihrer Heimat und die internationalen Studierenden nutzen diese Zeit um durch Europa zu reisen. Ähnlich wie Österreich ist auch Belgien umrundet von einigen schönen Ländern und die Verbindungen von Brüssel sind ausgezeichnet, auch mit den Zügen und Bussen.

Auch ich habe einen Teil meiner Osterferien dazu genutzt Belgien und aber auch die Niederlande zu erkunden. So habe ich Freunden aus Österreich gezeigt welche Aktivitäten ESN in Leuven in petto hat, was der Unterschied zwischen Brüssel und Liege Waffeln ist (ersteres ist größer und fluffiger, letzteres ist süßer) und wo in Brüssel die besten Waffeln sind (Maison Dandoy), und habe mit ihnen zum ersten Mal die Nordsee erkundet und ein gewöhnliches Wochenende in Amsterdam verbracht.

Brüsseler Attraktionen gab es natürlich auch zur Genüge: das Delirium Village ist super, wenn man sich durch 2004 Biere probieren möchte. Der 2.5 hektargroße Garten von King Philippes und der Royal Family von Belgien (Royal Greenhouses of Laeken) hat unglaublich schöne Wiesen und Glashäuser mit faszinierenden Pflanzenarten. Bedauerlicherweise ist der von Steuern finanzierte Garten nur zwei Wochen im ganzen Jahr für die Öffentlichkeit zugänglich. Falls man diese Attraktion verpasst, kann man stattdessen 15 Minuten durch die Wälder vom Distrikt Laeken spazieren bis man womöglich die markanteste Sehenswürdigkeit Belgiens erreicht: das Atomium. In einem der neun Atome erwartet einen eine sehr bewegende Lichtshow.

Von dem Ferienmodus zurück in den Unialltag angekommen, habe ich mal wieder in meinem Erasmus-Sprachkurs feststellen können wie ähnlich Niederländisch zu Deutsch ist. Wann auch immer unser enthusiastischer Professor uns raten lassen will, wie ein Wort auf Niederländisch lauten könnte, posaunen die Deutschsprachigen das deutsche Wort und in 80% der Fälle stimmt es mit dem niederländischen Wort überein. Lorbeeren ernten war noch nie so einfach.
Und auch im Alltag in Flanders wie z.B. im Supermarkt und in öffentlichen Verkehrsmitteln hat man keine Schwierigkeiten Geschriebenes zu verstehen.

Apropos Verkehrsmittel: Ähnlich wie in Amsterdam sieht man auch in Leuven fast mehr Menschen auf ihren Rädern als auf ihren Beinen. Verständlicherweise, nachdem die Radwege teilweise besser ausgebaut sind als die Gehwege. Selbst in den Städten an Leuven angrenzend sind die Radwege dermaßen gut ausgebaut, dass das Fahrrad als Transportmittel für mich und viele andere nicht mehr wegzudenken ist. Es fühlt sich im Vergleich zu Wien auch relativ sicher an in Leuven Rad zu fahren, nachdem es hier auch einige “Fietsstraat” gibt: Straßen, auf denen Autofahrer Radfahrer nicht überholen dürfen.

Neben dem Sprachkurs haben auch die Lehrveranstaltungen begonnen und man spürt von Tag zu Tag immer mehr den Druck der kommenden Prüfungsphase im Juni aufsteigen. Dementsprechend wird das Motto der nächsten Ausgabe “Lernen in Leuven” sein.

Rathausplatz
Waffeln
Stadtblick
Atomium
Glashaus
Glashaus
Schlosspark
Strand
Radfahrer auf dem Waldweg

Mai 2023

Wie bereits angekündigt, drehte sich das Hauptprogramm für Mai und Juni in Leuven primär um die Prüfungen. Die meisten Lehrveranstaltungen an der KU Leuven sind so aufgebaut, dass die Vorlesungen Mitte Mai beendet werden, sodass sich die Studierenden auf die Prüfungen im Juni vorbereiten können. In der Lernphase, hier genannt “de blokphase”, werden alle Gebäude sowohl der Universität in Leuven als auch in anderen Standorten zu Lernräumen umfunktioniert: jede_r Studierende kann in einem beliebigen Hörsaal, Seminar-, Labor- oder Lehrraum einen Sitzplatz buchen und von morgens bis abends lernen. In dieser Zeit spürt man die Anspannung in der gesamten Stadt, nachdem in den meisten öffentlichen Räumen, die für Studierende gedacht sind, das Organisieren von Veranstaltungen oder sogar kleine Zusammentreffen wie ein BBQ, die potenziell Lernende stören könnten, verboten sind. Um diesem Druck entgegenzuwirken, bietet die Universität neben entspannenden Aktivitäten wie Sound Bath Meditationen in Kirchen und “Bloksport” (bestimmte Sportarten die nur in “de blok” angeboten werden) Unterstützung in Form von Nahrungsmitteln: die Uni kauft täglich übergebliebene Nahrungsmittel von Supermärkten (über die App “toogoodtogo”) und stellt sie Studierenden zu Verfügung.

Sobald die Sonne für mehr als fünf Minuten scheint, werden in den Lernpausen alle Parks und noch so kleine Grünflächen in Leuven von Studierenden belagert und generell: nachdem die belgischen Studierenden in de blok in Leuven verbleiben, anstatt an Wochenenden zu ihren Familien zu fahren, wirkt das Durchschnittsalter im Zentrum in dieser Zeit besonders niedrig.

Die Altersdiversität der Stadt bekommt man lediglich am wöchentlichen lokalen Markt mit, wenn die Hauptstraßen geschlossen sind und ganz nach französischer Tradition Stände mit frischen Waren und Streetfood eröffnet werden. Apropos Tradition, das Leben in Belgien ist sowohl sprachlich als auch kulturell nach wie vor ein sehr aufregendes Erlebnis. Wenn man aus Leuven, wo jede Person nahezu flüssig Englisch spricht 25 Minuten weiter nach Brüssel fährt und dort einen Termin in einer Arztpraxis hat, muss man sich mit Händen und Füßen verständigen, weil dort nur Französisch gesprochen wird. Weiter westlich an der Küste wird sehr abstraktes Flämisch gesprochen und Muscheln gefrühstückt, aber weiter östlich fühlt man sich schon fast wie zuhause, wenn die Bäckereifrequenz steigt und man auf Deutsch angesprochen wird. Wie beispielsweise in Eupen in der Provinz Lüttich, die zu der deutschsprachigen Gemeinschaft gehört, welche wunderschöne Wälder und Belgiens wasserreichstes Trinkwasserreservoir beherbergt. Durch die Proximität der verschiedenen Regionen in Belgien, wird man sich den kulturellen Unterschieden zwischen den Niederlanden, Deutschland und Frankreich eher bewusst: Während in Flanders und generell in Zentralbelgien die Belgier weniger “outdoorsy” sind und man einen gesamten Wald an einem schönen Sonntag in der Regel nur für sich hat, laufen einem im deutsch angehauchten Osten schon wesentlich mehr Personen entgegen.

An heißen Wochenenden stürmen Massen aus Zentralbelgien, Leuven und Brüssel inklusive, an die Westküste, wo im Sommer regelmäßig thematische Veranstaltungen stattfinden, wie Seafood- und Sandcastlefestivals. Durch die Lage kann man auch einen wunderschönen Sonnenuntergang gegen halb 22 Uhr erwischen, wenn man geduldig genug ist.

Zwischen Prüfungsphase und Heimreise haben die meisten internationalen Studierenden zwei Wochen eingeschoben, um Belgien und die Nachbarländer zu erkunden. Ein Herzstück von Belgien ist die Stadt Ghent, die von einer österreichischen Kollegin liebevoll als „kleines Wien“ beschrieben wurde, was ich nach meinem Besuch unterzeichnen würde. Ghent ist recht schnell eine meiner Lieblingsstädte in Europa geworden, neben einer weiteren belgischen Stadt, die ebenfalls sehr angepriesen wird: Brugge. Mit den Kanälen und der gotischen Architektur ist Brugge eine unglaublich malerische Stadt. Und mit einer Zugfahrtdauer von drei Stunden aus Leuven konnten wir uns auch Luxembourg nicht entgehen lassen. Luxembourg City ist eine sehr einzigartige Stadt mit einer Sauberkeit, die ich in keiner anderen Stadt zuvor gesehen habe. Neben den kostenfreien öffentlichen Verkehrsmitteln und den sehr zuvorkommenden Einwohner_innen hat die Stadt auch landschaftlich und architektonisch sehr viel zu bieten.

Nach den Reisen hieß es Abschied nehmen (aber nicht für immer) von all den wundervollen Kontakten und Freunden, die einen auf dieser Reise begleitet haben. Ein Freund hat vor meiner Reise behauptet, dass Erasmus+-Freundschaften deutlich über Erasmus+ hinaus im Leben halten und heute bin ich mir sicher, dass er Recht behalten wird. Abgesehen von den individuellen Freundschaften, ist die internationale Community in Leuven was ganz Besonderes. Es gibt zahlreiche Helferlein, die einen an die Hand nehmen und das Leben hier zeigen, sodass man sich selten allein und hilflos fühlt.

Abschließend möchte ich gerne drei Tipps weitergeben, falls jemand ein Erasmus+-Semester in Leuven in Erwägung zieht: 1) KU Leuven ist eine recht schwierige Universität, also die Lehrveranstaltungen bedacht auswählen! 2) Mit der Unterkunftsauswahl/-suche frühzeitig beginnen. Die Unterkünfte in Leuven sind sehr schnell ausgebucht. 3) Die Orientierungsphase in der ersten Woche ist der Zeitraum, wo die meisten Informationen und Kontakte ausgetauscht werden und wo sich bereits einige Gruppen bilden, also ja nicht verpassen.

Altstadt mit Park
Holzsteg am Meer
Wald
Historischer Marktplatz
Fluss mit historischen Häusern
Altstadt
Fluss mit historischen Häusern
Burg
Strand mit Leuten
Strand bei Sonnenuntergang
Statue
Blick auf Stadt und Fluss
Blick auf Burg, Fluss, Brücke
Stadt auf einer Klippe
Stadtblick
Park mit Leuten
Fluss mit historischen Häusern