18. Januar 2008, 21:00 bis 00:00
sound:frame Cinemix feat. Chateau Flight live!!!
Andere
Die beiden Musiker Gilb´R und I:Cube schlossen sich 1997 zu dem Duo Chateau Flight
zusammen.
Im Frühling 2006 wurden sie gebeten die dritte Episode der bekanntesten französischen
Stummfilmserien, den 1915 von Feuillade produzierten Film "Les Vampires" zu vertonen.
Das Ergebnis ist das Zusammenspiel zwischen einem alten Filmklassiker und modernster Musikkunst.
Die surrealistisch angehauchte Gruselfilmserie ist eine der technisch raffiniertesten
Stummfilmwerke überhaupt. Chateau Flight präsentieren ihren Soundtrack live zu den
bewegenden Bildern von "Les Vampires", in der TU Audimax (Getreidemarkt 9, 1060 Wien)
I:Cube (from Chateau Flight) about the Soundtrack:
Die Idee war ja, "die Musik alleine leben zu lassen", sagt I:Cube.
Stummfilme mit elektronischer Musik sind nichts Neues. Jeff Mills hat schon zwei derartige Projekte abgeschlossen. Doch im Vergleich zu dessen erstem Soundtrack, "Metropolis", wirkt "Les Vampires" wie ein Kindergeburtstag.
Die Musik ist albern, überdreht und voller Action. Mal werden Giorgio-Moroder-Bässe gespielt, dann wieder nur verwischte Gespensterstimmen in tiefen Hallräumen. An einer besonders ulkigen Stelle des Filmsountracks brechen für wenige Takte panflötende Peruaner in einen zischelnden House-Beat.
About "Les Vampires":
"Die Vampire" sind eine Verschwörung ausgefuchster Krimineller, die die Oberschicht Frankreichs mit Betrügereien, Diebstählen und Morden unsicher machen. Den
verkleidungsfreudigen Bösewichten, darunter Proto - Vamp Irma Vep, entgegen stellt sich tapfer der Gentleman - Journalist (und Gene - Kelly - Lookalike) Philippe Guérande mit seinem großnäsigen Spaßvogel - Gehilfen Mazamette. So die Grundkonstellation, aus der sich in jeder Folge ein neues Spiel des Verbrechens und gegenseitigen Überlistens entwickelt.
Langweiligkeiten wie Realismus, Plausibilität, ausgewogene Dramaturgie oder subtil - komplexe Charakterentwicklung wird man "Les Vampires" schwerlich vorwerfen
können: Das hier ist schamloses Unterhaltungsgetose; ein Kino, das 1915 im Rücken noch
den Zirkus hat und vor der Nase gerade mal den Groschenroman. Doch es ist frischer und
interessanter als all die ambitionierten dramatischen oder poetischen Werke, die damals das Kino vom üblen Geruch des Jahrmarktes zu befreien, als große, der Literatur und dem Theater nahestehende Kunst zu etablieren suchten. "Les Vampires" ist wild, grotesk,
einfallsreich und kurzweilig.
Auf einer Ebene der Oberflächenreize bereits ständige Kitzeleinheiten für den Zuschauer:
Schon an Witz und harmlosem Slapstick nicht arm (vor allem Sidekick Mazamette bietet
sich stets als comic relief an), hagelt es genauso mit haarsträubenden Stunts: Die
Sorglosigkeit, mit der (auch von den Hauptdarstellern selbst) in schwindelnder Höhe an Hausfassaden rumgeklettert bzw. von meterhohen Mauern herunter bzw. auf fahrende Züge
herauf gesprungen wird bzw. man sich von selbigen überrollen lässt, ganz offenkundig
ohne Absicherung oder doppelten Boden, ist eine lässige Verhöhnung jeder
Spiderman - CGI - Trickserei und jeder Sicherheitsmaßnahme am modernen Set aus so
sissie-haften Gründen wie versicherungsrechtlichen Bedenken oder Sorge um Wohl und
Überleben der Filmstars. In den wenigen Fällen, in denen dann doch offenkundig Puppen statt Menschen verwendet werden, lässt dafür die über alle Physik überspitzte
Wahnhaftigkeit des Geschehens die Kinnlade runterklappen, wenn etwa Figuren im dritten
Stock neugierig ihren Kopf aus dem Fenster recken, um so von unten her mit einem Lasso
eingefangen und dadurch aus ihrer Stube heraus durch die Luft nach unten ins sogleich
abdüsende Verbrecher-Auto gewirbelt zu werden.
Auf einer anderen Ebene die fortwährende, geradezu geeky Freude an Trickserei, Technik
und Gimmick: Nicht Streben, Werden und kommunikativer oder emotionaler Austausch der
Figuren stehen im Fokus des narrativen Interesses, sondern die (beiderseits, wenn auch
vor allem bei den Vampiren) hinterhältigen und gewitzten Pläne und ihre Ausführungen;
die Verkleidungen, Überlistungen und betrügerischen Inszenierungen, das lauschende Verstecken in Schränken oder hinter Vorhängen, die Geheim- und Falltüren, die ausgeklügelten und camouflagierten Tötungsapparaturen, die geheimen Botschaften und ihre
genüsslich filmisch aufgelösten Ver- und Entschlüsselungstechniken.
Überhaupt, wie "Les Vampires" ein ganzes Panorama an Techniken und Kulturtechniken des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts auffaltet und so vorführt, als wolle es an ihrer zeitgenössischen Popularität teilhaben oder sie der Nachwelt dokumentieren: vom überaus delikaten Salon-Französisch der Zwischentitel und den stets leinwandfüllenden Telegrammen, Visitenkarten und Zeitungsspalten, die sorgfältig in ihren medienspezifischen Eigenheiten hervorgehoben werden, über das Telephon und den in seinen Fähigkeiten zelebrierten Phonographen und das Kino bis natürlich zum unerlässlichen 19th
century Trendsport Hypnose. Arbeitsprozess, Technik (und ihr Potential) sowie Artefakt
werden hier manchmal als größerer Star in den Vordergrund gedrängt als Irma Vep selbst.
Irma Vep jedoch bringt uns auf eine weitere Ebene: Ist schon das obige narrative
Vorziehen von List und Technik gegenüber der Figurengeschichte ein äußerst amoralisches,
so reflektiert das Gesicht Irma Veps und mit ihr die gesamte Vampir-Bande eine kaum
verhüllte Faszination des Serials für die Bösen. Man bewundert bereits und drückt
insgeheim die Daumen für die Gewieftheit ihrer Pläne; aber es ist nicht nur die
intellektuelle Freude. Bereits das Bisschen, was "Les Vampires" doch noch an Drama hat, entfällt weniger auf die langweilig Guten, sondern wird zwischen Irma Vep und dem Comte
de Kerlor und Moréno und Satanas (ja, der nennt sich wirklich so) ganz unter den
Vampiren ausgetragen; hier lodern die Leidenschaften, Liebe, Hass, Eifersucht, Verrat, hier gibt es tatsächliche Entwicklungen über den Verlauf der Serie, samt wechselnden Allianzen, Cliffhangern und überraschenden tödlichen Abtritten.
Als größere Gemeinschaft indes erscheinen "Die Vampire" geradezu als heimliches
Wunschobjekt: eine omnipotente Geheimgesellschaft schillernder Bösewichte, die fernab
jeder Moral der Gesellschaft unter sich aussschweifende Feste und Orgien feiern, wenn
sie nicht gerade vornehm versnobten Adeligen Diamantenbroschen klauen. Eine
Spaß-Vulgarisierung von Verschwörungsbildern, wie sie diverse Freimaurerlegenden oder
die Protokolle der Weisen von Zion liefern (nur sind die Opfer der zuweilen selbst
äußerlich eher proletarisch gezeichneten Vampire weniger das Kleinbürgertum als die
Oberschicht), vermengt mit der Projektion eines unmoralisch entfesselten Lebens, an dem
man im Kino insgeheim dann doch auch ganz gerne passiv teilzunehmen bereit ist.
Man genießt das Böse, und "Les Vampires" zögert nicht, es vollends auszukosten - etwa
über immer glanzvoller, glühender verschlagen-bösartige Blicke auch direkt hin zum
Publikum, in die Kamera, bis ins Sadistische zu treiben, ins Blutrünstige -da findet
sich schonmal ein abgeschnittener Kopf in einer Truhe und da wird auch schonmal einem unschuldigem Bürger seine Hutnadel in die Halsschlagader gerammt, ins Fetischistische:
Um den schwarzen Ganzkörperwollpullover von Irma Vep mit dem Underworld - Kate - Beckinsale - Latex von heute zu vergleichen, muss man sich wohl
erotikgeschichtlich etwas zurückdenken, aber auch ihre anderen hundert, teils maskulinen Aufmachungen sind schon verdächtig, und dann gibt es noch Stellen wie jene, in denen sie per Hypnose gefügig gemacht oder gefangen und in einen Teppich eingewickelt wird, usw., von den vielen Fesseleien und den sonderbaren schwarzen KKK-Lederanzügen, die die Herren-Vampire zuweilen zur Schau tragen, mag ich gar nicht erst anfangen ?
Louis Feuillades "Les Vampires", über neunzig Jahre alt, bleibt und besteht als haarsträubender, wahnwitziger, zuweilen perverser Genuss.
Im Anschluss spielen die beiden Musiker zum lockeren Tanz noch eine Aftershow im Prechtsaal der TU Wien (Karlsplatz 13 - Eingang Hauptportal, 1040 Wien).


Öffentlich
Ja
Kostenpflichtig
Nein
Anmeldung erforderlich
Nein