Kerstin Schneider-Hornstein, Klaudia Hradil und Celine Krüger-Zahradnik bilden das Vorsitzteam des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen (AKG) an der TU Wien mit Schneider-Hornstein als Vorsitzender und Hradil sowie Krüger-Zahradnik als ihre Stellvertreterinnen. Im Rahmen eines Gesprächs beim Public Viewing des Infotag-Videos „Kommunikation im Gleichbehandlungston“ berichteten sie über die Aufgaben des AKG, häufige Beschwerdegründe – und eine Plakatkampagne, die sich gezielt an Betroffene sexueller Belästigung richtet und grafisch von der AKG-Mitarbeiterin Johanna Schwarz gestaltet wurde. Ab sofort sind die Plakate und Screens an der TU Wien mit der Botschaft zu sehen: Wer sexuelle Belästigung erlebt, kann sich (anonym) an den AKG wenden.
Gehör finden, aktiv werden – der AKG
Der AKG ist als gesetzliches Kontrollorgan auch eine unabhängige Anlaufstelle für alle Universitätsangehörigen, die Diskriminierung oder Ungleichbehandlung erleben – in den sechs gesetzlich festgelegten Diskriminierungsdimensionen des Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes, öffnet eine externe URL (B-GlBG). Vorsitzende Kerstin Schneider-Hornstein betont die institutionelle Verankerung des AKG: „Der AKG ist in sämtlichen Kommissionen der TU Wien vertreten, etwa bei Berufungsverfahren, und nimmt dort eine wichtige Kontrollfunktion ein“. „Wir haben zwar kein Stimmrecht, aber wir können Protokollierungen verlangen und eigene Stellungnahmen abgeben“, ergänzt Klaudia Hradil, stv. Vorsitzende. Weisungen gibt es für den AKG keine – das ist ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal, das die Unabhängigkeit des AKG gewährleistet und eine seiner größten Stärken ist.
„Oft hilft es aber Betroffenen schon, wenn jemand zuhört und einen Vorfall ernst nimmt", sagt Klaudia Hradil. Wichtig ist jedenfalls: Der AKG kann Missstände dokumentieren, strukturelle Probleme sichtbar machen und Veränderungsprozesse anstoßen und präventive Maßnahmen setzen, wie den Frauenförderungs- und Gleichstellungsplan entwerfen. Viele Konflikte ließen sich durch frühzeitige, kompetente Beratung vermeiden. Dass der Vorsitz von drei Personen getragen wird, ist übrigens kein Zufall – die Themen sind vielfältig, der Arbeitsaufwand hoch. Ob es um sexuelle Belästigung geht, Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Herkunft oder anderen Merkmalen: Der AKG unterstützt, klärt auf und begleitet. Und er handelt – sofern ein klarer Auftrag vorliegt. Denn Veränderung braucht Zeit, aber sie beginnt mit dem ersten Schritt: der Meldung eines Vorfalls.
Führungskompetenz ist kein Nice-to-have
„Der Ausgangspunkt vieler Beschwerden liegt oft bei einer schwachen Führungspersönlichkeit – unabhängig davon, ob sie nett ist oder nicht“, sagt Celine Krüger-Zahradnik. Viele der Fälle, mit denen der AKG befasst wird, entstehen dort, wo Fachkompetenz mit Führungsverantwortung verwechselt wird. Und ein starkes Machtgefälle führt zu vielen Problemen, gerade an Unis, denn „Wenn jemand während der Dissertation in einen Konflikt mit einer renommierten Person gerät, steht oft die berufliche Zukunft auf dem Spiel“, Krüger-Zahradnik weiter. Daher sehen die AKG-Vorsitzenden Handlungsbedarf bei der Auswahl von Führungspersonal: Oft würden hervorragende Forscher_innen Leitungsfunktionen besetzen, aber die dafür nötige Führungskompetenz nicht mitbringen. Klaudia Hradil: „Je weniger soziale Kompetenz eine Führungskraft mitbringt, desto mehr Arbeit haben wir.“ Die Folgen mangelnder Führungskompetenz seien gravierend: unausgesprochene Konflikte, schlechte Kommunikation, Frustration, Machtmissbrauch. Der AKG plädiert daher für ein Umdenken: Führung muss als eigene Qualifikation zumindest bei Berufungsverfahren anerkannt und gestärkt werden – mit klaren Standards und verbindlichen Regelungen für ein allfälliges Nachbringen solcher Qualifikationen und regelmäßigen Schulungen.
Zwischen Reibung und Bereicherung – der „Generation Gap“
Ein weiteres Thema, das den AKG zunehmend beschäftigt, ist der sogenannte „Generation Gap“. Konflikte zwischen verschiedenen Altersgruppen entstehen häufig aus unterschiedlichen Erwartungen an Sprache, Hierarchie oder Feedbackkultur. „Da prallen manchmal einfach Welten aufeinander“, sagt Hradil. Während ältere Generationen oft Wert auf Struktur und formelle Abläufe legen, wünschen sich Jüngere mehr Offenheit und Kommunikation auf Augenhöhe. Schneider-Hornstein beobachtet: „Die neue Generation lässt sich nicht mehr alles gefallen.“ Das kann Konflikte auslösen – aber auch neue Perspektiven eröffnen. Celine Krüger-Zahradnik – die jüngste im Vorsitzteam, das altersmäßig jeweils zehn Jahre auseinanderliegt – sieht für die AKG-Arbeit vor allem einen großen Vorteil: „Unterschiedliche Sichtweisen helfen, komplexe Situationen besser zu verstehen und gerechter zu handeln.“
Alte Themen, neue Offenheit
Wie hat sich die Arbeit des AKG in den mehr als 30 Jahren seines Bestehens verändert? Darüber ist sich das Vorsitzteam einig: „Heute werden deutlich mehr Diskriminierungsvorfälle gemeldet als vor 30 Jahren“, berichten sie. Die Themen seien aber dieselben geblieben – Diskriminierung, sexuelle Belästigung, Machtmissbrauch – der Umgang damit habe sich jedoch sehr verändert.
„Früher war es schwerer, überhaupt ins Gespräch zu kommen. Heute ist es einfacher, sich zu melden“, sagt Klaudia Hradil. Das gestiegene Bewusstsein sei auch Initiativen wie #MeToo oder der LGBTIQA+-Bewegung zu verdanken, ergänzt Krüger-Zahradnik. Der AKG versteht sich längst nicht mehr nur als Kontrollorgan, sondern als Ort für Beratung, Prävention und Veränderung. Neue Themen wie Diversität, psychische Belastung oder diskriminierungsfreie Digitalisierung zeigen: Die Anforderungen verändern sich – und der AKG erschließt neue Handlungsfelder.
„Du musst dir das nicht gefallen lassen“ – AKG macht Mut, sich zu melden
Mit einer neuen Plakatkampagne richtet sich der AKG gezielt an Studierende, die sexuelle Belästigung erfahren haben. Die zentrale Botschaft: „Du musst dir das nicht gefallen lassen.“
Viele Betroffene zögern, schweigen – oder wissen nicht, an wen sie sich wenden können. Aber: „Lieber einmal zu oft kommen – später wird es meist schwieriger“, betont Schneider-Hornstein. Der AKG hört zu, begleitet und unterstützt – auf Wunsch auch anonym und stets vertraulich. Was genau als sexuelle Belästigung gilt, wird mitunter hinterfragt. Entscheidend sei, wie sich die betroffene Person fühlt, sagt Schneider-Hornstein. Unterschiedliche Hintergründe und Hierarchien beeinflussen die Wahrnehmung – deshalb sei ein sensibler Dialog besonders wichtig.
So läuft eine Meldung beim AKG ab:
- Ein Vorfall passiert: Möglichst früh melden – nicht erst nach Tagen oder Wochen.
- Kontaktaufnahme: Betroffene oder Zeug_innen melden sich beim AKG-Team der Fakultät. Alle Gespräche sind vertraulich.
- Primär anonym: Wenn gewünscht, bleibt die Meldung anonym. Sie wird dann anonymisiert dokumentiert – wichtig für spätere Fälle.
- Folgeschritte: Bei Wunsch nach Konsequenzen wird die beschuldigte Person kontaktiert und der Fall im Jour Fixe mit Vizerektorin Ute Koch besprochen: Anonymität der Betroffenen kann dann jedoch nicht mehr aufrechterhalten werden.
- Mögliche Maßnahmen gegen die beschuldigte Person: Informationsgespräch, Ermahnungen, Verweise, Schulungen, Aufklärung, Konsequenzen – abhängig vom Einzelfall.
- Langfristige Wirkung: Ziel ist ein faires, strukturiertes Vorgehen – keine Vorverurteilungen, dabei klares Handeln.
Nicht jeder Fall endet mit sichtbaren Konsequenzen, ein Eintrag im Personalakt ist für das Umfeld unsichtbar. Doch selbst dokumentierte Einzelfälle können bei Wiederholung entscheidend sein. Schneider-Hornstein ist noch wichtig klarzustellen: „Wir sind keine Racheinstanz. Wir handeln mit Verantwortung.“ Die Botschaft des AKG: Niemand muss sich mit sexuellen Übergriffen oder anderen Formen der Diskriminierung abfinden. Der AKG ist da – vertraulich, engagiert, professionell. Frühzeitig zu sprechen schützt nicht nur einen selbst, sondern auch andere.
Anlaufstelle mit Haltung
Von Beginn des Gesprächs an war spürbar: Im AKG kommen Fachwissen, Haltung und echtes Engagement zusammen. Der AKG und seine Vorsitzenden stehen für eine Universität ein, in der niemand benachteiligt wird, in der Diskriminierung keinen Platz hat – und in der Führung Verantwortung bedeutet. Sie glauben an den Wert eines offenen Austauschs, an das Miteinander über Hierarchien und Generationen hinweg. Womit wir wieder beim Anfang wären: Ein gutes Miteinander beginnt mit gelingender Kommunikation – im Gleichbehandlungston.