07. Juli 2025, 09:00 bis 10:00
Rigorosum Claudio Schein-Navacchi
Andere
Messungen des Rückstreusignals von Synthetic Aperture Radar (SAR) Sensoren stellen eine unverzichtbare Datenquelle dar, da sie hochauflösende Erdbeobachtungen bei Tag und Nacht sowie unter allen Wetterbedingungen ermöglichen. Die meisten SAR-Sensoren arbeiten im X-, C- und L-Band, einem Frequenzbereich, der sich besonders für die Überwachung des globalen Wasserkreislaufs und der Landoberflächeneigenschaften eignet. Folglich greifen zahlreiche Anwendungen in der Klimaforschung, im Katastrophenmanagement und in der nachhaltigen Ressourcenbewirtschaftung auf SAR-Rückstreudaten zurück, um eine schnelle Kartierung von Überschwemmungen, Schnee, Bodenfeuchte, Vegetation und vielen weiteren bio-geophysikalischen Variablen zu unterstützen.In den vergangenen Jahrzehnten hat die Zunahme von Naturkatastrophen infolge des Klimawandels zu einer deutlich gestiegenen Nachfrage nach SAR-Rückstreudaten mit hoher Auflösung und geringer Latenz geführt. Die stetig wachsenden Datenmengen und die damit verbundenen Verarbeitungsanforderungen bringen sowohl Datenanbieter als auch Nutzende an ihre Grenzen. Darüber hinaus erfolgt die Datenerfassung durch SAR-Sensoren in einer seitlich gerichteten Geometrie, was die Interpretierbarkeit und die Vorverarbeitung, insbesondere bei der Kollokation und radiometrischen Anpassung von Messungen, erschwert. Diese Herausforderungen verdeutlichen den Bedarf an effizienten und standardisierten Prozessierungsketten sowie an gemeinsamen Initiativen zur Bereitstellung von standardisierten Analysis-Ready Daten (ARD). Diese Dissertation greift genau diesen Bedarf auf und verfolgt das Ziel, neue Konzepte zur Erzeugung von harmonisierten Rückstreudaten über Land zu entwickeln.Die Hauptdatenquelle dieser Arbeit sind Ground Range Detected (GRD)-Daten im Interferometric Wide (IW) Swath-Modus der Sentinel-1-Satelliten — die Flaggschiffe und Pioniere des Copernicus Programms der ESA. Diese Daten werden genutzt, um bestehende Qualitätsstandards und Prozessierungsketten zu analysieren. Eine wesentliche Eigenschaft von Sentinel-1 ist die außerordentliche Orbitstabilität, die den Einsatz interferometrischer Verfahren ermöglicht. Ein bislang wenig untersuchter Aspekt ist jedoch der Einfluss dieser Orbitstabilität auf verschiedene Prozessierungsschritte innerhalb der SAR-Vorverarbeitung und Georeferenzierung, bei der sowohl Sigma-Nought-Rückstreukoeffizienten als auch radiometrisch geländekorrigierte (Radiometric Terrain-Corrected, RTC) Gamma-Nought-Rückstreukoeffizienten erzeugt werden.Zur Untersuchung dieses Einflusses wurde eine neue effiziente SAR-Prozessierungssoftware namens wizsard entwickelt, die kalibrierte und georeferenzierte Rückstreudaten bis zu 50 Mal schneller generiert als die Version 8 der SeNtinel Application Platform (SNAP). wizsard ermöglicht es darüber hinaus, Monte-Carlo-Simulationen durchzuführen, bei denen Orbitvariation als Eingangsgrößen und Abweichungen relevanter Prozessierungsparameter als Ausgangsgrößen verwendet werden. Zentrale Parameter wie Einfallswinkel, lokale Rückstreuflächen (Local Contributing Area, LCA) und SAR-Geländemasken zeigen nach der Simulation nur vernachlässigbare Varianzen und können daher für jeden relativen Orbit vorerzeugt werden. Die Entkopplung dieser Parameter von der standardmäßigen Prozessierungkette, ihre Bereitstellung als externe Datenquellen sowie die Erzeugung von Georeferenzierungs-Tabellen führen zu Laufzeitverbesserungen von bis zu 25% für Sigma Nought und 40% für RTC Gamma Nought.Der derzeitige Committee on Earth Observation Satellites (CEOS) ARD-Standard (CEOS-ARD) für normalisierte Radar-Rückstreudaten (Normalised Radar Backscatter, NRB), der auf RTC Gamma Nought basiert, kompensiert systematische, geländeabhängige Geometrieeffekte, berücksichtigt jedoch nicht die streuungsspezifischen Eigenschaften der Landoberfläche. Die Analyse mehrjähriger RTC-Gamma-Nought-Datacubes zeigt eine systematische Einfallswinkelabhängigkeit von RTC Gamma Nought in Abhängigkeit verschiedener Landbedeckungstypen. Diese Abhängigkeit lässt sich durch ein lineares Modell mit einem Regressions- oder Steigungsparameter beschreiben und durch eine Normalisierung des Rückstreusignals auf einen Referenzwinkel korrigieren. Aufgrund der beschränkten Einfallswinkel und des Beobachtungsschemas von Sentinel-1 ist eine solche Normalisierung jedoch nur in bestimmten Regionen möglich. Aufbauend auf der nachgewiesenen Korrelation zwischen temporalen Rückstreustatistiken und dem Regressionsparameter wurde daher ein innovativer Ansatz unter Verwendung eines Feed-Forward Neural Network (FFNN) entwickelt. Dieser Ansatz ermöglicht es, den Regressionsparameter zuverlässig abzuschätzen und RTC-Gamma-Nought-Rückstreudaten auf globaler Ebene zu normalisieren.Die daraus abgeleiteten NRB-Komposite sind großteils unabhängig von streuungsspezifischen Eigenschaften der Landoberfläche und der Geländemorphologie und bilden eine robuste Grundlage für die Landbedeckungs- und Landnutzungsklassifikation sowie für die Ableitung bio-geophysikalischer Parameter. Die in dieser Dissertation vorgestellten Konzepte ermöglichen es Datenanbietern und Nutzenden effizient ARD-NRB-Produkte zu erzeugen. Die gewonnenen Erkenntnisse bilden ein solides Fundament für die Entwicklung zuverlässiger, qualitativ hochwertiger Produkte, welche mit einer geringen Latenz zur Verfügung gestellt werden können. Mit dem bevorstehenden Start künftiger hochauflösender SAR-Missionen wie NISAR und ROSE-L liefert die vorliegende Arbeit einen wichtigen Beitrag zur Verarbeitung von Petabytes an standardisierten ARD-SAR-Rückstreudaten.
Veranstaltungsort
Sem.R. DA grün 02 A (2. Stock, Zugang über gelben Bereich)
1040 Wien
Wiedner Hauptstraße 8
Veranstalter
TU Wien
Öffentlich
Ja
Kostenpflichtig
Nein
Anmeldung erforderlich
Nein