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TUW Forum Zukunft: ABFALL. HELMUT RECHBERGER im Interview

Drei Tonnen Abfall pro Jahr produzieren wir durchschnittlich in Österreich. Helmut Rechberger, Leiter des Forschungsbereichs „Abfallwirtschaft und Ressourcenmanagement“, im Interview über Müll und darüber, warum Plastiksackerln und PET eigentlich Randthemen sind.

Zweigeteiltes Bild: rechts: blauer Hintergrund mit weißer Schrift und Fernrohr, rechts Helmut Rechberger vor Bücherwand, kleinen Globus haltend.

© TU Wien

Forum Zukunft: Helmut Rechberger über Abfall.

Helmut Rechberger spricht über Müllvermeidung und nachhaltige Formen der Abfallwirtschaft.

Wir produzieren Tonnen und Abertonnen von Müll: Lebensmittel- und Gartenabfälle, Bau- und Abbruchabfälle, Abfälle der Industrie, Schlamm, Elektroschrott, ausrangierte Fahrzeuge, Batterien, Papier, Abwasser, Altkleider, Möbel und unvorstellbare Mengen an Plastik- und Verpackungsabfall. Abfall ist die Kehrseite unserer Konsumgesellschaft und eines unserer dringlichsten Probleme. Wir haben mit Helmut Rechberger darüber gesprochen:
 

Warum haben Sie sich für eine Beschäftigung mit einem so schmutzigen Thema wie Abfall entschieden?

Helmut Rechberger: Weil mich ein TU Wien Professor – Paul Brunner, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster – für das Thema begeistert hat. Er hat sich eben nicht nur physisch mit dem Abfall beschäftigt, sondern intellektuell und methodisch mit dem gesamten Stoffhaushalt einer Volkswirtschaft. Seitdem versuchen wir diesen Stoffhaushalt besser zu verstehen, zu analysieren, wo es zu Ineffizienzen und Verlusten kommt und ihn zu optimieren. Natürlich beinhaltet dies auch die Untersuchung von Abfällen und es stimmt, die können ziemlich übel sein, aber sie beinhalten eben auch potenzielle Rohstoffe, die es zu nutzen gilt. In hochentwickelten Ländern wird der direkte, physische Kontakt mit den Abfällen allerdings immer weniger, weil Anlagen und Maschinen das Sortieren und die Verwertung der Abfälle übernehmen. 

 

Wie verhalten Sie selbst sich in Bezug auf Abfallvermeidung und Abfall?

Helmut Rechberger: Wahrscheinlich nicht viel anders als der Durchschnitt in Wien: Wir trennen zuhause unseren Müll gemäß der bereitgestellten Sammelinfrastruktur. Abfallvermeidung betreiben wir mehr unbewusst, weil meine Frau und ich eher ungern einkaufen und wir einen gewissen Widerwillen gegen Produkte haben, die man nicht wirklich braucht. Viele würden unsere Wohnung wahrscheinlich als eher leer bezeichnen. Ich schätze nützliche und langlebige Produkte, die mich möglichst keine Zeit kosten, sondern Zeit sparen helfen, indem sie gut gearbeitet sind, repariert werden können und nicht andauernd ersetzt werden müssen.

 

Wieviel Abfall produziert ein_e Österreicher_in durchschnittlich pro Jahr und welche Abfälle kommen in diese Berechnung?

Helmut Rechberger: Das variiert natürlich von Region zu Region, aber durchschnittlich sind es in Österreich jährlich rund 170 kg an Restmüll, die jede_r produziert. Dazu kommen dann noch die Abfälle, die wir trennen: Biomüll mit ca. 120 kg, ca. 70 kg Altpapier, ca. 30 kg Altglas, ca. 15 kg Altmetalle, ca. 20 kg Kunststoffverpackungen, ca. 30 kg Altholz, aber auch Sperrmüll, mit ebenfalls ca. 30 kg. Es gibt jedoch noch eine ganze Menge anderer Abfälle, wie Klärschlamm, Elektroaltgeräte, Altautos, gewerbliche und industrielle Abfälle, Baurestmassen, Bodenaushub … alles zusammengenommen produzieren wir etwas mehr als drei Tonnen an Abfall pro Kopf und Jahr, nimmt man den Bodenaushub dazu, dann sind es gar acht Tonnen. Wenn man es genauer wissen will, zum Beispiel nach Bundesländern aufgeschlüsselt, dann empfiehlt sich ein Blick in den Bundesabfallwirtschaftsplan, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster, der die genauesten Zahlen zur österreichischen Abfallwirtschaft enthält.


Wir haben das Gefühl das Richtige zu tun, wenn wir unseren Hausmüll trennen – so als würden wir unseren Abfall damit reduzieren. Wenn elektronische Geräte einmal entsorgt sind, haben wir sie schnell wieder vergessen. Wohin aber geht unser Müll? Werden Kunststoffe, Elektroschrott oder giftige Substanzen nach Indien oder in ein anderes asiatisches Land transportiert und landen dort im Meer oder auf einer Deponie? Oder „kümmern“ sich gar Kriminelle um unseren Abfall, der dann auf wilden Deponien in Ostdeutschland oder in „Feuerland“ (nahe Neapel) verschwindet.

Helmut Rechberger: Der weitaus überwiegende Teil der in Österreich produzierten Abfälle wird nach dem Stand der Technik in Österreich verwertet bzw. entsorgt. Bestimmte Abfälle dürfen zur Verwertung auch ins Ausland verbracht werden, was Sinn macht, wenn beispielsweise die anfallende Menge für eine wirtschaftliche Verwertung im Inland nicht reicht. Österreich importiert übrigens auch Abfälle, z.B. Schrotte, um diese zu verwerten. Natürlich gibt es auch Fälle, wo Abfälle mit fragwürdigem Schicksal ins Ausland gehen, weil man sich damit eine teurere Verwertung im Inland erspart. Über solche Fälle wird dann in den Medien berichtet und sie werfen leider ein schlechtes Licht auf die gesamte Branche.

 

Schließen Gesellschaft und Politik insgesamt die Augen vor dem Abfall? Welcher Müll ist unsere größte Sorge?

Helmut Rechberger: Abfall ist eigentlich immer im Fokus von Gesellschaft und Politik, allerdings nicht immer jener Abfall, der uns tatsächlich die größte Sorge bereiten sollte. Es wurde etwa viel und lange über ein Plastiksackerlverbot und Pfand auf PET-Flaschen diskutiert. Das sind jedoch Randthemen, weil sie einen vergleichsweise unbedeutenden Teil unseres Abfallaufkommens betreffen. Generell haben wir die Situation, dass wir das Abfallrecycling steigern wollen, um eine Kreislaufwirtschaft umzusetzen. Warum wurden bislang nicht schon Abfälle in höherem Ausmaß recycelt? Hauptsächlich, weil ihre stoffliche Zusammensetzung komplex und auch zum Großteil unbekannt ist, sodass sie im Vergleich zu primären Rohstoffen für den Produktionsprozess zu viele Probleme mit sich bringen. Nun ist es aber so, dass unsere Produkte und damit in weiterer Folge unsere Abfälle eher noch komplexer werden. Ein Mobiltelefon vor 15 Jahren war stofflich wesentlich einfacher zusammengesetzt als ein modernes Smartphone. Ein Biedermeierhaus ist stofflich etwas ganz anderes als ein modernes Passivhaus. Das bedeutet, dass das zukünftige Recycling unweigerlich schwieriger wird. Wenn dann noch die Recyclingraten erhöht werden sollen, kann man erahnen, welch große organisatorische und technische Aufgaben zukünftig auf die Abfallwirtschaft zu kommen.

 

Was ist Ihre persönliche Vision in Bezug auf unseren Abfall? In welche Richtung müssen wir uns entwickeln, damit wir bis 2040 klimaneutral werden?

Helmut Rechberger: Technisch gesehen müsste man einen Mix an Maßnahmen realisieren aus:

  1. einem Verzicht auf gewisse Produkte bzw. Tätigkeiten. Nicht alles, was möglich oder machbar ist, muss getan oder konsumiert werden. Es gibt fast immer vernünftigere und schönere Alternativen – somit ist ein Verzicht leichter oder sogar gewinnbringender.
  2. Produkte sollten langlebiger sein. Das bedeutet, dass viele Produkte so gestaltet werden, dass sie länger halten und man sie reparieren kann.
  3. Produkte sollten recyclingfähig sein. Das bedeutet, dass man einen Großteil der Stoffe in ausreichender Reinheit und vertretbarem Einsatz wieder zurückgewinnen kann. Und dies kann,
  4. nur gelingen, wenn die Abfallwirtschaft ein wesentlich höheres technisches Niveau erreicht als heute. Die Abfallwirtschaft ist also ein Entwicklungsfeld, und die TU Wien reagiert ja auch darauf, indem beispielsweise das Studium des Umweltingenieurwesens [Anm. seit WS 2019/20] ins Leben gerufen wurde. 

 

Danke für das Interview!

 

Helmut Rechberger ist Professor am Institut für Wassergüte und Ressourcenmanagement, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster und Leiter des Forschungsbereichs „Abfallwirtschaft und Ressourcenmanagement“, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster an der TU Wien.

 

#staytuned: Fragen an Helmut Rechberger? Am 15.12. von 13:00–16:00 Uhr live auf TUW-Social Media: Facebook, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster, Instagram, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster und Twitter, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster

Zur Reihe "Forum Zukunft": In der Interviewreihe "Forum Zukunft" der TU Wien kommen zu unseren zentralen Zukunftsthemen Expert_innen zu Wort. Bereits erschienen:
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