Markus Radlgruber

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Dezember 2020

Der Umstand, dass ich diesen Blog von nun an anstatt meinem Wiener Studienkollegen David fortführe zeigt schon, dass dieses Jahr vieles anders kommt als erwartet. Speziell, wenn man ein Erasmus-Semester während einer Pandemie macht. David hat sich mit Beginn November dafür entschieden, nach Österreich zurückzukehren, während ich trotz der vielen verschärften Corona-Restriktionen, die zu diesem Zeitpunkt in Kraft getreten sind, hiergeblieben bin.

Wie viele meiner Freunde hier, musste auch ich vor Beginn der Reise lange abwägen, ob es sinnvoll ist, das Wintersemester in Barcelona zu verbringen. Vieles war völlig unplanbar: Wird das Semester im face-to-face-Modus abgehalten? Nehme ich das Risiko in Kauf, in Spanien während eines erneuten Lockdowns festzusitzen?

Letztlich habe ich mich glücklicherweise dafür entschieden, im September nach Spanien zu fliegen und habe es bis jetzt keine einzige Sekunde bereut. Natürlich ist die Stimmung auch in Spanien angespannt, doch habe ich so unglaublich vieles erleben und erfahren dürfen. Ich habe großartige Menschen getroffen und viele Freundschaften geschlossen, die ich nicht mehr missen möchte.
Paradoxerweise nehme ich die coronabedingten Einschränkungen auch als wenig belastend wahr. Ich denke, der Grund dafür ist, dass ich die Stadt in ihrem ursprünglichen Zustand nicht kannte und somit die vielen Restriktionen nicht so bewusst wie Einheimische wahrnehme. Stattdessen entdecke ich – im Rahmen der Möglichkeiten – nahezu jeden Tag viele neue Dinge.

Was man während der Pandemie noch wunderbar machen kann sind diverse Ausflüge ins katalonische Hinterland – und das hat wirklich einiges an Naturschönheiten zu bieten. So habe ich die alpinen Berge einmal gegen die in den Pyrenäen getauscht oder die Küste Tarragonas im von Touristen unverfälschten Original entdecken können. Ein Highlight im Dezember war definitiv der Ausflug zu den Muntanyes de Prades, wo wir ein paar Tage den Naturpark erkundet haben – die Fotos erzählen hier wahrscheinlich mehr als Worte je könnten.

Definitiv in Erinnerung behalten werde ich auch die Art und Weise, wie ich dieses Jahr Weihnachten verbracht habe: nachdem die Heimreise aus Spanien aktuell relativ umständlich ist (Stichwort Quarantäne, PCR-Test, …) habe ich mich dafür entschieden, die Feiertage gemeinsam mit Freunden hier in Barcelona zu verbringen. Die aktuell ohnehin schon ruhigere Stadt wurde in dieser Zeit noch ein Stück ruhiger und ich habe es sehr genossen, ein Jahr keinen klassischen „Weihnachtsstress“ zu haben.

Die Fotos sind eine Auswahl meiner Highlights seit September und stammen somit nicht alle vom spanischen Winter. Das Wetter ist zwar auch im Dezember angenehm, aber die Bilder suggerieren trotzdem nicht ganz die aktuelle Realität – dazu dann im Jänner mehr.

[Translate to English:] Manner
[Translate to English:] Brücke
[Translate to English:] Wanderweg
[Translate to English:] Berg mit Kreuz
[Translate to English:] Berge mit Turm
[Translate to English:] Stadt
[Translate to English:] Strand
[Translate to English:] Gasse
[Translate to English:] Palmen
[Translate to English:] Wiese mit Ruinen
[Translate to English:] Fluss in Bergen
[Translate to English:] Gasse in der Altstadt
[Translate to English:] Berge mit See

Jänner 2021

So schnell geht’s und das Semester neigt sich dem Ende zu. Der Jänner war eher im Vergleich zum restlichen Semester eher unspektakulär. Viele Prüfungen und Assignments wollten erledigt werden. Grundsätzlich war es bei den Vorlesungen so, dass es Mid-Term und Final-Exams gegeben hat und zusätzlich mussten im Laufe des Semesters auch Assignments abgegeben werden. Ich mochte das System dieser kontinuierlichen Evaluierung. Im Gegensatz zur TU Wien wird somit die Leistung nicht anhand einer einzigen Vorlesungsprüfung festgestellt. Dennoch war die Prüfungsdichte im Jänner sehr hoch und somit die Freizeit knapper. Zusätzlich wurde durch die stark steigenden Corona-Fallzahlen weitere Restriktionen, die vor allem die Mobilität betreffen, verlautbart. Es ist nun nicht mehr gestattet, die Stadt zu verlassen.

Da ich meine Zeit hier wirklich genossen habe und die Situation in Österreich momentan auch nicht besonders einladend ist, habe ich beschlossen, einen weiteren Monat in Spanien zu bleiben. Ich habe ein sehr interessantes Angebot für eine Bachelorthesis auf der UPC erhalten und beginne gerade damit, diese hier zu schreiben. Der organisatorische Part war überraschend unkompliziert: Die Betreuung erfolgt durch einem Professor der UPC und lässt sich nach meiner Rückkehr auch einfach online fortsetzen. Ein weiteres Beispiel dafür, wie studentenfreundlich die Universität hier arbeitet.

Ich genieße es absolut, einmal keinen eiskalten Winter zu haben. Unter 10°C hatte es selten und die Sonne verschwindet höchstens für 1-2 Tage hinter einer dicken Wolkendecke. In den Wohnungen kann es allerdings schon richtig kalt werden. Die meisten Gebäude haben lediglich Einscheibenverglasung und sind schlecht isoliert. Da heißt es warm anziehen! Ich finde es eigenartig, dass man es in Kauf nimmt, im Winter so sehr zu frieren. Retrospektiv betrachtet finde ich es aber auch eigenartig, dass wir unsere Gebäude im Winter so sehr heizen, denn ich habe mich schnell an die kälteren Zimmertemperaturen gewöhnt. In diesem Zusammenhang bedenklich finde ich allerdings, dass Elektroheizungen im großen Stil eingesetzt werden, denn Katalonien bezieht den Großteil seiner Energie aus fossilen Quellen. Beim Stichwort Nachhaltigkeit: Barcelona wird ja oft auch als Vorreiter in Sachen urbaner Mobilität zitiert. Das Netzwerk der öffentlichen Verkehrsmittel habe ich selbst als in dieser Hinsicht verwöhnter Wiener als sehr gut wahrgenommen. Das berühmte in Barcelona angewandte Konzept der Superblocks (es werden einige Straßen ausschließlich für aktive Mobilität bereitgestellt, dem motorisierten Individualverkehr wird die Zufahrt verwehrt) ist auch oft auffindbar und erhöht die Lebensqualität in der Stadt definitiv. Ich persönlich finde aber, dass vor allem das Distrikt Eixample mit seiner Sachbrettmuster-Planung wesentlich stärker gegen den Autoverkehr vorgehen müsste. Vor allem als Radfahrer geht man schnell im Verkehr unter und muss mit langen Wartezeiten an roten Ampeln rechnen. Leider wurden baufreien Flächen in der Stadt kaum Raum gegeben, sprich eine ruhige Grünfläche zu finden ist hier quasi unmöglich.

[Translate to English:] Turm
[Translate to English:] Zug
[Translate to English:] Stadt
[Translate to English:] Gebäude
[Translate to English:] Obst
[Translate to English:] Strand

Februar 2021

Mit dem Ende des Februars kommt für mich auch das Ende meiner Zeit in Barcelona. Es war eine wunderbare Erfahrung und ich werde sie definitiv positiv in Erinnerung halten. Die anfängliche Unsicherheit, das Semester während der Pandemie zu machen, wurde schnell gegen die Euphorie der neuen Eindrücke getauscht und ist auch währenddessen nicht zurückgekommen. Ich habe diese Stadt in einer anderen, wesentlich ruhigeren, Art und Weise kennen- und auf jeden Fall auch lieben gelernt.

Ich kann jedem wärmstens empfehlen, ein Erasmus-Semester zu absolvieren. Barcelona ist dafür wohl eine sehr prominente Wahl und hier wird man sich (auch aufgrund des internationalen Flairs der Stadt) sehr schnell zu Hause fühlen. Bei den Welcome Days zu Beginn des Semesters trifft man eine Unmenge an Leuten und findet schnell Personen mit gemeinsamen Hobbies. Es entstehen unglaublich einfach und auch ungezwungen neue Kontakte und man erfährt so einiges von anderen europäischen Ländern.

Was man in Barcelona nicht perfekt lernen wird, ist Spanisch zu sprechen, denn erstens ist es oft gar nicht so einfach aus der „Erasmus-Bubble“ auszubrechen, zweitens spricht so gut wie jeder hier Englisch und drittens lieben die Katalanen ihre katalanische Sprache. Im Alltag begegnet man dieser auch häufig. Etwas, das einem auch bewusst sein sollte: Katalonien ist nicht gleichzusetzen mit Spanien. Es hat seine eigene Kultur und Mentalität, die meines Erachtens eher mittel- oder nordeuropäische Attribute aufweist.

Abschließend ein paar Tipps für alle die planen, nach Barcelona zu kommen:

  • Ein Zimmer sollte man sich vor Ort suchen – z.B. für die ersten Wochen temporär in einem Hostel oder Airbnb unterkommen und mittels Facebook oder diversen Apps WGs suchen und besichtigen. Hier heißt es Geduld haben, denn eine gute WG wird das Semester mit Sicherheit um einiges besser machen.
  • Die Fächer, die im Learning Agreement ursprünglich eingetragen sind, können aus diversen Gründen oft so nicht absolviert werden. Man sollte sich nicht zu sehr auf die gewählten Kurse einschießen, denn manchmal ist man kurzfristig mit Änderungen oder terminlichen Konflikten konfrontiert. Am besten ist es wahrscheinlich, viele Kurse in einem Jahrgang des Curriculums auszuwählen, denn somit umgeht man das Problem und hat gleichzeitig auch Anschluss in einem fixem Klassenverband. (Ja es gibt tatsächlich Klassenverbände hier, das System ist sehr „verschult“)
  • Will man viele Leute kennenlernen, ist es am einfachsten, die Aktivitäten des ESN (Erasmus Student Network) zu besuchen. Dort wird man mit einem bunten Freizeitprogramm bespaßt, das für jeden Charakter Angebote bietet.
  • Generell sollte man sich vor der Abreise nicht allzu große Sorgen machen. Es werden mit Sicherheit kleinere oder größere Probleme vor Ort auftreten, aber im Endeffekt wird man alle Schwierigkeiten meistern und aus den Erfahrungen wachsen.
  • Barcelona ist eine fahrradfreundliche Stadt. Viele meiner Kollegen haben sich zu Beginn des Semesters ein Fahrrad zugelegt und dieses vor der Heimreise (oft ohne Verluste) wieder verkauft. Würde ich das Semester nochmal starten, würde ich mir jedenfalls auch eines zulegen.
[Translate to English:] Straße in der Stadt
[Translate to English:] Stadt in der Nacht
[Translate to English:] Stadt
[Translate to English:] Unterführung
[Translate to English:] Stadt in der Nacht
[Translate to English:] Hafen
[Translate to English:] Park