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Mathematik im Einsatz gegen Drogen

Die Abteilung für Operations Research und Systemtheorie an der TU Wien versucht dem Phänomen Drogen mit einer besonderen Methode beizukommen: mit Mathematik. Durch komplexe Modelle wird der Dynamik von Drogenepidemien - im wahrsten Sinne des Wortes - Rechnung getragen, und Gegenmaßnahmen können optimiert werden.

Die Bemühungen an der TU Wien, der Drogenproblematik mittels Mathematik auf den Leib zu rücken, gehen bis 1996 zurück. Damals wurde das erste größere Forschungsprojekt beim Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (<link http: www.fwf.ac.at _blank>FWF) bewilligt. (<link http: www.tuwien.ac.at forschung nachrichten>01) Aufgrund der guten Datenlage wurde die Kokain-Epidemie in den USA als Untersuchungsobjekt ausgewählt und mit <link http: www.heinz.cmu.edu researchers faculty caulkins.html _blank>Jonathan P. Caulkins auch ein entsprechender Partner gefunden. (<link http: www.tuwien.ac.at forschung nachrichten>02) Der Unterschied zu früheren mathematischen Annäherungsversuchen an das Drogenproblem ist vor allem, dass der dynamische Charakter von Drogenepidemien berücksichtigt wird. Dazu sind komplexere mathematische Modelle erforderlich, als sie bis dahin angewendet wurden, insbesondere weil neben den rein deskriptiven Modellen auch Optimierungsmodelle betrachtet werden.

Faktor Konsumverhalten

Eine wichtige Größe bei der Modellierung ist die Anzahl der Konsumenten. Dort wird aufgrund der vorhandenen Daten zwischen "Light" und "Heavy Usern" unterschieden. Können die Gelegenheitskonsumenten noch durchaus zum Einstieg animieren, wirken die "Heavy User" zunehmend abschreckend. Mit anderen Worten: Was Andreas Goldberger in einer In-Disco passiert ist, wäre ihm am Karlsplatz wohl erspart geblieben.

Die Kokain-Epidemie in den USA

Der Kokainkonsum in den USA stieg von einer vergleichsweise geringen Menge Mitte der 1960er-Jahre ab den 70er-Jahren stark an und erreichte Mitte der 80er-Jahre ein Plateau. Mittlerweile ist der Konsum wieder leicht rücklaufig. Die direkten staatlichen Ausgaben beim Vorgehen gegen das Kokain beliefen sich 1992 auf ca. 11.3 Mrd. US-Dollar. Dabei entfielen auf Präventions- (z.B. Aufklärung in Schulen) und Therapiemaßnahmen jeweils nur 0.9 Mrd., der Rest auf "Law Enforcement", also den Kampf der Sicherheitskräfte gegen Dealer. Hinzu kommen noch die sozialen Kosten. Es wird mit einem Wert von mindestens 100 US-Dollar pro konsumiertem Gramm gerechnet. Dies ergäbe für die USA in 1992 immerhin 29.1 Mrd. US-Dollar.

Optimaler Mitteleinsatz

Die Gesamtkosten des Kokainkonsums beliefen sich 1992 also auf ca. 40 Mrd. US-Dollar. Angesichts beschränkter Budgets können die mathematischen Modelle den in der jeweiligen Phase optimalen Mix von Prävention, Therapie und Zwangsmaßnahmen errechnen. Die Abbildung zeigt dabei einerseits den tatsächlichen (rot), andererseits aufgrund optimierten Mitteleinsatzes errechnete Verläufe der US-Kokainepidemie mit (grün) und ohne Budgetlimitierung (blau).

Chancen und Risken

Freilich ist rationale Mathematik nur selten der erste Ratgeber von emotionaler Politik. Politisches Kleingeld ist eher mit dem Kampf gegen ein öffentlich wahrgenommenes Problem - sprich eine bereits ausgebrochene Epidemie - zu lukrieren, was gegen eine vorausschauende Strategie spricht. Auch stehen weltanschauliche Positionen (restriktive versus liberale Drogenpolitik) einem flexiblen, dem Stadium angepassten Mittelmix entgegen.

Das entwickelte Modell ist natürlich stark von der gesellschaftlichen Relevanz der Substanz und von der größe des "Marktes" abhängig. Bei entsprechender Datenlage könnten aber durchaus auch für andere Drogen und Länder Modelle entwickelt werden. Diesbezüglich ist die "Nachfrage" nach dieser Form von Politikberatung in den USA mit ihrem lobbyistischen System aber größer als z.B. in Österreich.

Elaborierte Mathematik

Die Güte der an der TU entwickelten Modelle wird stets weiterentwickelt. Durch Sensitivitätsanalysen wird getestet, ob die Ergebnisse auch entsprechend "robust" sind, wenn an den Parametern "gedreht" wird. Durch die Beschäftigung mit Drogen erwächst durchaus auch der Mathematik ein Gewinn: so werden für die teilweise sehr komplexen Modelle, die mitunter auch partielle Differenzialgleichungen enthalten, laufend neue Lösungsverfahren - vor allem im Bereich der dynamischen Optimierung - entwickelt.

Publikation

Die Bemühungen finden auch innerhalb der Community Anerkennung. So veröffentlichten beispielsweise Tragler und Feichtinger gemeinsam mit Caulkins in der Mai-/Juni-Ausgabe der Fachzeitschrift Operations Research den Beitrag "Optimal Dynamic Allocation of Treatment and Enforcement in Illicit Drug Control". (<link http: www.tuwien.ac.at forschung nachrichten>03)

 

Fußnoten