Außen hart und verschleißbeständig, innen mechanisch belastbar. Zähne und Funktionsgradienten-Hartmetalle weisen ähnliche Eigenschaften auf. Unsere Zähne sind mit einem harten Schmelz versehen, der nach innen hin in ein zähes Zahnbein übergeht, das fest im Kiefer hält. Der gesamte Zahn muss mechanischen Belastungen standhalten (bei Raubtieren treten Bisskräfte auf, die einer Belastung von Tonnen entspricht), während er aber scharf bleiben muss, um zu schneiden. Hartmetalle wiederum sind besonders widerstandsfähige Legierungen und werden in Zerspanungsprozessen (fräsen, drehen, bohren) von Werkstoffen in der Automobilindustrie und Elektronik eingesetzt.
Kostspielige Beschichtung
Die in der Industrie eingesetzten Werkzeughalter, wie beispielsweise Fräsköpfe, sind mit so genannten Wendeschneidplatten bestückt. Sie sitzen vorne am Fräskopf und sind aus beschichtetem Hartmetall. Die herkömmliche Beschichtung - das Aufbringen einer Schicht nachdem die Wendeschneidplatte erzeugt wurde - ist kostspielig und macht rund ein Viertel der gesamten Kosten einer Wendeschneidplatte aus. Noch dazu hat das nachträgliche Aufbringen einer Beschichtung den Nachteil, dass sich die Schicht beim Fräsen relativ leicht lösen kann. (Problem der Grenzfläche siehe Abb. 2)
Die Arbeitsgruppe Metallkunde an der TU Wien hat nun Überlegungen angestellt, wie man diese beiden Probleme umgehen kann. Ziel war es also, ein alternatives Verfahren zu entwickeln und anzuwenden, mit dem man eine ebenso harte Außenschicht wie beim herkömmlichen Beschichtungsverfahren erzielen kann, dafür aber gleichzeitig einen kontinuierlichen Übergang zum Inneren schaffen kann und somit eine Grenzfläche vermeidet (siehe Abb. 3).
Funktionsgradienten-Hartmetall - ein Material stellt sich vor
Moderne Produktionstechnologien erfordern immer öfter Hochleistungswerkstoffe, die kompliziert aufgebaut und nicht aus einem Guss sind. Ganz im Gegenteil: verschiedene Materialien sind darin gezielt topografisch verteilt. Gradientenwerkstoffe beispielsweise sind solche Materialien. Die Bezeichnung Gradient kommt daher, dass sich die Eigenschaften eines Werkstoffes von einer Stelle in einem Bauteil zu einer anderen fließend (stetig) ändern. Da die verschiedenen Teile eines Bauteils unterschiedliche Funktion erfüllen, spricht man auch von Funktionsgradienten-Materialien.
Von der Grundlagenforschung zum marktfähigen Produkt
Nach mehr als fünfjähriger Forschungsarbeit ist es der Arbeitsgruppe Metallkunde der TU Wien unter der Leitung von Prof. Walter Lengauer in Zusammenarbeit mit der <link http: www.widia.com de kennametal about_kennametal.jhtml _blank>Firma Kennametal-Widia GmbH, Essen (D), gelungen, die Grundlagen und Herstellung von Funktionsgradienten-Hartmetallen zu erforschen und bis zur Produktfähigkeit zu entwickeln.
Die Prozesstechnologie der Herstellung beinhaltet dabei die Reaktion der Hartmetalle mit einer stickstoffhaltigen Gasatmosphäre. Durch das Phänomen der Diffusion kann dabei eine harte Außenzone und stetiger Übergang von einer harten Außen- in eine zähe Innenzone erzielt werden.
Lebensdauer verzehnfachen - Produktionskosten senken
Durch den fließenden Übergang - etwa von hart auf zäh - kann ein besonderes Verhalten erzielt werden, das sich durch einen sprunghaften Material-Übergang nicht erzielen lässt. Die Teile sind mechanisch und thermisch belastbarer, zeigen weniger Spannungen, die sich sonst aufbauen, wenn zwei verschiedene Materialien aneinander gefügt werden und zur Zerstörung des Bauteils führen würden.
Das Verfahren ist kostengünstig, da es bereits beim Herstellungszyklus der Hartmetalle, dem so genannten Sintern, erfolgen kann (Einstufenprozess). Mit diesem Verfahren kann die Lebensdauer (Standzeit) von Hartmetallen beim Einsatz gegenüber unbehandelten Sorten auf mehr als das Zehnfache verlängert werden. Damit können Ressourcen eingespart und Produktionskosten gesenkt werden.
Das angewendete Verfahren ist daher auch als Substrattechnologie zu verstehen, das Werkstoffe wie Hartmetalle oder andere metallische Materialien für eine nachfolgende Beschichtung verbessert. So kann die Reaktionsfähigkeit der Oberfläche gegenüber anderen Materialien und der umgebenden Atmosphäre modifiziert werden. Für Hartmetalle konnten bereits Erfolge bei der Haftung und der Leistungsfähigkeit von harten Schichten aus Nitriden und Diamant erzielt und Reaktionseigenschaften verbessert werden.
Forschungsgebiete der Arbeitsgruppe Metallkunde
Diffusionsmethoden auf dem Gebiet der Hartstoffforschung werden von der Forschungsgruppe im Rahmen von angewandter Grundlagenforschung schon seit mehr als 15 Jahren untersucht. Der Erfolg kann als Synergieeffekt aus den Anstrengungen auf dem Gebiet der Hartstoffforschung und der Diffusionsforschung angesehen werden.
Die Arbeitsgruppe Metallkunde erforscht neben der Herstellungstechnologie von Funktionsgradienten-Hartmetallen auch in Zusammenarbeit mit einem internationalen Konzern neuartige polymer-abgeleitete Keramik, die ein breites Anwendungspotenzial in Produkten (z.B. Wälzlager, Maschinenteile, Verbrennungsmotoren, Düsen,…) und in der Produktionstechnologie haben. Auch Projekte der angewandten Grundlagenforschung auf dem Gebiet der thermomechanisch hoch belasteten Materialen werden durchgeführt. <link http: www.metallkunde.at _blank>Weiterführende Informationen
Die Gruppe umfasst derzeit mit dem Leiter 10 MitarbeiterInnen, wobei auf dem Gebiet der Hartmetalle neben Prof. Walter Lengauer noch Herr <link http: whitepages.tuwien.ac.at oid _blank>DI Alexander Eder, Herr <link http: whitepages.tuwien.ac.at oid _blank> DI Rudolf Koenigshofer und Frau <link http: whitepages.tuwien.ac.at oid _blank>Melanie Mauger tätig sind.