Titel

Bürgerschul-Direktorin, Schulrätin

Geburts- und Sterbedatum

Geb. 27. Mai 1884 in Oberhollabrunn, NÖ
Gest. Oktober 1970 in Wien

Altes schwarz-weiss Foto von Mathilde Hanzel

Kurzvorstellung Frau Hanzel-Hübner

Geboren als Tochter eines Gymnasialprofessors und einer ehemaligen Gouvernante und Privatlehrerin, besuchte Mathilde (Tilly) Hübner zuerst eine private Bürgerschule für Mädchen in Wien und dann die Höhere Töchterschule des Schulvereins für Beamtentöchter.
1899 – 1903 besuchte sie die k.k. Lehrerinnen-Bildungsanstalt in Wien (Hegelgasse), die sie mit ausgezeichnetem Erfolg absolvierte. Anschließend supplierte sie einige Jahre als Aushilfslehrerin, 1907 erwarb sie die Lehrbefähigung als Bürgerschullehrerin.
Ab 1909 erhielt sie ihre erste definitive Anstellung als Bürgerschullehrerin II. Klasse an der Mädchenbürgerschule beim Wasserturm in Favoriten.
1910 heiratete sie den Lehramtskandidaten für Mittelschulen Ottokar Hanzel.
Trotz der Geburt zweier Töchter 1911 und 1914 blieb sie als Lehrerin berufstätig.
1926 wurde sie zur Direktorin der Bürgerschule in der Redtenbachergasse in Wien XVII. ernannt. 1934 wurde ihr der Titel „Schulrat“ verliehen, zugleich erfolgte ihre Zwangspensionierung aufgrund der Sparmaßnahmen des sog. „Doppelverdienergesetzes“ der Dollfuß-Regierung.
Mathilde Hanzel Hübner hatte sich schon früh in der bürgerlichen Frauenbewegung engagiert und war von 1910 – 1914 Vizepräsidentin des  Allgemeinen Österreichischen Frauenvereins. Danach widmete sie sich vor allem friedens- und erziehungspolitischen Aktivitäten.

Tilly Hübner war sehr lernbegierig und interessierte sich besonders für Mathematik und Naturwissenschaften. Sie hätte gerne ein Universitätsstudium begonnen. Dazu fehlten ihr allerdings die erforderliche Vorbildung und wohl auch der finanzielle Rückhalt der Familie. Daher wählte sie einen für diese Zeit sehr typischen „Umweg“ weiblicher Bildungskarrieren über die Lehrerinnen-Bildungsanstalt. Parallel dazu legte sie 1906 als Externe die Matura an der Staatsrealschule in Wien V. ab. Ihre ersten praktischen Schulerfahrungen scheinen ihr Interesse für bauhygienische Fragen geweckt zu haben.
Möglicherweise inspiriert durch die Bekanntschaft mit ihrem späteren Ehemann, Ottokar Hanzel, der an der TH in Wien für das Lehramt studiert hatte, suchte Tilly Hübner im Sommer 1907 um Zulassung als ordentliche Hörerin an der Technischen Hochschule in Wien an. Da zu diesem Zeitpunkt Frauen an technischen Hochschulen nicht zugelassen waren, wurde ihr Gesuch abgewiesen. Sie blieb aber hartnäckig und erreichte schließlich, dass das Unterrichtsministerium ihre Zulassung als Gasthörerin für einzelne Vorlesungen aus Gebäudehygiene und Volkswirtschaftslehre für das Studienjahr 1908/09 genehmigte. Somit kann sie als erste Hospitantin an der TH in Wien angesehen werden.

Wichtig für Mathilde Hanzel Hübners beruflichen Weg war sicher, dass sie als Kind ein relative liberales Elternhaus erlebte, in dem Bildungsfragen grundsätzlich einen hohen Stellenwert einnahmen: „Mein Vater war Professor für Klassische Sprachen, meine Mutter eine sehr gebildete freisinnige Frau.“ (Lebensrückblick 1953)
Eine nicht unbedeutende Rolle spielte die Bekanntschaft mit dem Technikstudenten Ottokar Hübner, der sie bei der Vorbereitung auf die Realschulmatura als Privatlehrer unterstützte und später ihr Ehemann wurde.
Darüber hinaus war ihre Einbindung in die „erste“ österreichische Frauenbewegung von großer Bedeutung, insbesondere für ihr politisches Engagement.

Der Berufsweg von Mathilde Hanzel-Hübner war vor allem geprägt durch die großen formalen und gesellschaftlichen Hindernisse, die sich Frauen für die Verwirklichung ihrer Lebensentwürfe in den Weg stellten. Deren Überwindung war ein Motiv ihrer Bemühungen um Zulassung zum Studium an der TH in Wien:
„Früh war ich mir bewusst, welch mangelhafte Bildungsmöglichkeiten damals noch für Mädchen bestanden, und wollte daher meinen Teil dazu beitragen, zu beweisen, dass keinerlei Studium für Frauen zu schwer sei“. (Lebensrückblick 1953).

Das Thema „Vereinbarkeit“ dürfte sich Tilly Hanzel etwas anders gestellt haben, als es heute meist diskutiert wird: Im ersten Weltkrieg war sie gezwungen, sich und ihre beiden kleinen Töchter allein zu erziehen, da der Ehemann eingezogen war. In der Zwischenkriegszeit war ein standesgemäßes Auskommen für eine Mittelschichtfamilie ohne eigenes Vermögen faktisch nur möglich, wenn beide Elternteile berufstätig waren. Für sie und viele Frauen ihrer Generation stellte sich daher vor allem die Frage „Berufstätigkeit“ vs. „Zwangszölibat“.
Mathilde Hanzels Ausscheiden aus dem Berufsleben 1934 erfolgte auch nicht auf eigenen Wunsch, sondern durch politischen Druck aufgrund des sog. „Doppelverdienergesetzes“, das verheirateten Frauen eine Erwerbstätigkeit untersagte.

Als junge Frau war Mathilde Hanzel Hübner eine Verfechterin des Standpunkts, „die Frauen müssen nur die Gelegenheit haben, dann würden sie ihre Fähigkeiten entwickeln.“ In ihren späteren Jahren war sie deutlich skeptischer hinsichtlich des Zeitraums, der für Veränderungen notwendig sein würde. Allerdings war sie immer davon überzeugt, dass Frauen zur Durchsetzung ihrer Interessen selbst politisch aktiv sein müssen, und plädierte für eine Mädchenerziehung, die sie durch entsprechende wirtschaftliche, gesellschaftliche und staatsbürgerliche Einsichten dazu befähigen sollte.

Quellen: Monika Bernold/Johanna Gehmacher: Auto/Biographie und Frauenfrage. Tagebücher, Briefwechsel, politische Schriften von Mathilde Hanzel-Hübner (1884 – 1970). Wien 2003.
Juliane Mikoletzky/Ute Georgeacopol-Winischhofer/Margit Pohl: „dem Zuge der Zeit entsprechend…“ Zur Geschichte des Frauenstudiums in Österreich am Beispiel der Technischen Universität Wien. Wien 1997

Bildquelle: Mathilde Hanzel (1915)
Nachlass Mathilde Hanzel-Hübner, Sammlung Frauennachlässe am Institut für Geschichte der Universität Wien.