Steigende Temperaturen und zunehmende Klimabelastung stellen unser Mobilitätsverhalten deutlich infrage. In ländlichen Gebieten ist der Umstieg auf Öffis oder das Rad schwierig, aber auch in den Regionen rund um Wien – dem sogenannten Speckgürtel – gilt das Auto oft als unverzichtbar. Doch gerade hier gibt es aufgrund der Stadtnähe neue Ideen, die der Forschungsbereich Verkehrsplanung und Verkehrstechnik im Rahmen einer Studie testete:
„Try5“ heißt das Pilotprojekt der TU Wien gemeinsam mit der KEM-Region Zukunftsraum Wienerwald, das dieser Frage auf praktische Weise nachging und vielversprechende Ergebnisse zeigt.
Verkehrsplaner Ulrich Leth von der TU Wien und Herwig Kolar von der KEM-Region initiierten den Versuch mit 12 Haushalten (20 Erwachsene) in den Gemeinden Klosterneuburg, Purkersdorf und Pressbaum. Die Aufgabe der Teilnehmenden: Fünf Wochen ohne eigenes Auto auskommen – dafür gab es maßgeschneiderte Alternativen wie Carsharing, Lastenräder, E-Scooter, Öffi- und Taxi-Gutscheine sowie persönliche Mobilitätsberatung.
Alltag ohne Auto. Geht das?
Das Mobilitätsverhalten wurde mithilfe einer App automatisch vor und während der Testphase getrackt. So ließen sich objektive Vorher-Nachher-Vergleiche erstellen, die durch Interviews mit den Teilnehmenden komplettiert wurden.
„Try5 ist keine klassische Mobilitätskampagne“, sagt Ulrich Leth. „Die Kombination aus dem Push-Faktor Autoverzicht, Pull-Maßnahmen durch attraktive Alternativen sowie individueller Begleitung der Teilnehmenden und digitaler Datenerhebung macht das Projekt zu einer österreichweiten Premiere. Unser Ziel ist es, eine langfristige Veränderung im Mobilitätsverhalten zu bewirken, die weit über das Ende der Projektlaufzeit hinausreichen soll.“
Ende Mai 2025 war die Testphase abgeschlossen, jetzt sind die Daten ausgewertet und analysiert. Viele Haushalte entdeckten neue Mobilitätsoptionen – etwa Lastenräder oder wenig bekannte Öffi-Verbindungen.
75 Prozent der Haushalte (9 von 12) bzw. 85 Prozent der Personen (17 von 20) haben ihr Auto während des fünfwöchigen Testzeitraums nicht verwendet (eine Ausnahme war z.B. die Fahrt mit dem verletzten Kind ins Spital). Die durchschnittlichen Emissionen pro Person und Tag haben von 3,4 kg CO2-Äquivalent auf 1,9 kg abgenommen, was einer Einsparung von 45 Prozent entspricht. Die 12 teilnehmenden Haushalte haben so innerhalb von 5 Wochen knapp 1 Tonne CO2-Äquivalente im Vergleich zu ihrem bisherigen Mobilitätsverhalten eingespart, indem sie ihr Auto praktisch nicht verwendet haben und dafür eine Reihe von Mobilitätsoptionen nutzen konnten.
Die durchschnittliche Anzahl der Wege pro Person und Tag hat von 5,0 auf 6,0 zugenommen, die zurückgelegte Entfernung aber von 28,6 auf 20,1 km abgenommen. „Wir haben gesehen, dass viele Wege lokaler zurückgelegt werden. Der Radverkehr hat davon am stärksten profitiert“, fasst Ulrich Leth die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Projekt zusammen. Auch in Familien oder Berufshaushalten erwies sich der Auto„verzicht“ als praktikabler als erwartet.
Als Nebeneffekt entstand ein starkes Community-Gefühl innerhalb der Haushalte, sowie eine öffentliche Diskussion um die gefühlte Alternativlosigkeit des Autobesitzes.
Wie es weitergeht – und wie viele mitmachen können
Die Empfehlungen aus dem Projekt hat das Projektteam in einem Handlungsleitfaden für Gemeinden, Verkehrsverbünde und Mobilitätsanbieter zusammengefasst. Vielfach geäußerte Wünsche der teilnehmenden Haushalte waren etwa eine einfache und kostengünstige Plattform zum Sharen des eigenen, selten verwendeten Autos mit Nachbar_innen, häufigere und längere Öffi-Verbindungen zu den Tagesrandzeiten sowie ein Abholservice für Sperrmüll oder Grünschnitt durch die Gemeinde.
Der Abschlussbericht und der Handlungsleitfaden stehen auf www.try5.at, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster zum Download zur Verfügung.
Übrigens wurde auch in der Schweiz ein ähnliches Projekt durchgeführt, das von 10 auf 1.000 Haushalte hochskaliert wurde und das in Österreich auf großes Interesse stößt: Die ÖBB 360°, Partner im Try5-Projekt, entwickeln bereits regionale Mobilitätspakete auf Basis von Try5.
Try5, wie nachhaltige Mobilität auch im ländlich geprägten Speckgürtel funktionieren kann.
Die Erkenntnis? Wenn die Alternativen stimmen, ist Veränderung möglich.
Beteiligte Institutionen:
- Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik | Institut für Verkehrswissenschaften, TU Wien
- KEM-Region Zukunftsraum Wienerwald
- ÖBB 360° (Mobilitätsdienstleister)
Rückfragehinweis
Ulrich Leth
Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik
Technische Universität Wien
+43 1 58801 - 231 20
ulrich.leth@tuwien.ac.at

