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Energiewende: Schwierig, aber möglich

Die Energy Economics Group der TU Wien forscht an der Frage, wie die Energiewende gelingen kann. Einfach wird das nicht, aber Prof. Reinhard Haas blickt insgesamt optimistisch in die Zukunft.

Reinhard Haas in einem Stiegenaufgang aus Beton

Es ist doch zum Verzweifeln! Das ist der Eindruck, den man leicht gewinnt, wenn man Meldungen über Klimawandel und Energiewende liest: Die Energiewende sei technisch gar nicht möglich, wird behauptet, sie würde Blackouts verursachen und unsere Wirtschaft zerstören.

Prof. Reinhard Haas, Leiter der Energy Economics Group am Institut für Energiesysteme und Elektrische Antriebe der TU Wien sieht das anders: Natürlich gibt es bei der Energiewende große Herausforderungen zu bewältigen. Ob uns die Wende in allen Bereichen tatsächlich gelingt, ist noch nicht klar. Aber es gibt keine prinzipiellen technischen Hürden, die dieses Ziel unmöglich erscheinen lassen. Insgesamt blickt Reinhard Haas eher optimistisch in die Zukunft – insbesondere in Hinblick darauf, welche gewaltigen Fortschritte es im Bereich der erneuerbaren Energie in den letzten Jahrzehnten gegeben hat.

Vier Sektoren: Strom, Gebäude, Industrie und Mobilität

Wenn die Dekarbonisierung gelingen soll, darf man nicht nur an die Stromversorgung denken. Für vier große Sektoren müssen Lösungen gefunden werden: Für elektrischen Strom, Industrie, Gebäude und Verkehr.

„Strom ist der Bereich, der sich am einfachsten umstellen lässt“, meint Reinhard Haas. „Die Stromversorgung Österreichs soll bis 2030 bilanziell CO2-neutral werden – also schon sehr bald. Das bedeutet, dass im Sommer mit Sonnenstrom Überschüsse produziert werden, im Winter werden dafür ein paar Prozent aus Gaskraftwerken dazu genommen. Neben der PV hat vor allem die Windkraft noch ein großes Potenzial. Hier wird im nächsten Schritt neben dem Bau neuer Anlagen auch das „Repowering“ eine zentrale Rolle spielen – der Ersatz von Anlagen der ersten Generation durch leistungsstärkere, moderne Anlagen. „Diese Ziele im Bereich der Stromversorgung sind ambitioniert, aber realistisch“, meint Haas.

Der Ausbau der Elektromobilität ist dabei kein großes Hindernis: Bis 2030 wird dadurch der Elektrizitätsbedarf in Österreich um rund 3 TWh pro Jahr steigen – verglichen mit dem derzeitigen Strombedarf von etwa 78 TWh pro Jahr ist das wenig.

Länger wird die Umstellung des Gebäudesektors dauern. Bis 2050 könnte man die Wärmeversorgung der Gebäude in Österreich dekarbonisieren, glaubt Haas. Wärmepumpen werden dabei eine wichtige Rolle spielen. Doch Haas warnt davor, die Wärmepumpe als Allheilmittel zu sehen: Wirklich sinnvoll ist sie vor allem in Kombination mit guter Gebäudedämmung. Oft lässt sich durch thermische Sanierung sogar mehr Effizienzgewinn erzielen als mit einer Wärmepumpe.

Schwieriger ist die Umstellung in der Industrie. Dort wird Wasserstoff eine Rolle spielen. Kritisch sieht Haas allerdings die Vorstellung, wir würden in Zukunft in großem Stil Wasserstoff aus Wüstengebieten importieren, in denen billiger Solarstrom erzeugt und zur Herstellung von Wasserstoff genutzt werden kann: „Würden diese Länder den Sonnen-Strom selber nutzen statt daraus für uns in Europa Wasserstoffgas zu erzeugen, wäre die CO2-Einsparung insgesamt deutlich größer. Außerdem haben wir bei Erdöl und Erdgas keine guten Erfahrungen damit gemacht, uns in Abhängigkeit von Monopolisten zu begeben. Wir sollten nicht denselben Fehler beim Wasserstoff wiederholen.“ Alle Industrieprozesse, die man statt mit Gas auch elektrisch betreiben kann, sollten zunächst einmal elektrifiziert werden, meint Haas.

Eine große Herausforderung wird auch die Dekarbonisierung der Mobilität. Von E-Fuels hält Reinhard Haas wenig: „Das ist eine Verschwendung von Primärenergie“, meint er. E-Fuels mit elektrischer Energie zu erzeugen ist zwangsläufig weniger effizient als mit derselben elektrischen Energie ein batterieelektrisches Fahrzeug aufzuladen – und selbst wenn man davon ausgeht, dass die Potenziale bei erneuerbarer Energie noch deutlich größer werden: Man sollte sie trotzdem effizient nutzen, denn auch erneuerbare Energie ist prinzipiell begrenzt.

Unsere gesamte heutige Mobilität einfach auf Elektrofahrzeuge umzustellen, hält Haas trotzdem nicht für die richtige Lösung: Man muss bei der Mobilität die Gesamteffizienz erhöhen. Das beginnt mit der sinnvollen Dimensionierung von Autos: „Ein kleines Elektroauto mit 35 kW braucht halt weniger Strom als ein Tesla“, betont Haas. Wichtig ist aber auch, den Verkehr insgesamt zu reduzieren und öffentliche Verkehrsmittel attraktiver zu machen – auch damit lässt sich viel Energie sparen.

Keine Angst vor dem Blackout

Eine große Herausforderung wird die Aufgabe bleiben, Energie aus alternativen Quellen längerfristig zu speichern. Überkapazitäten bei Alternativenergie zu schaffen kann das Problem verringern – aber es wird nötig bleiben, Energie für den Winter aufzubewahren, wenn der Heizbedarf hoch und die Photovoltaik-Leistung gering ist. Die eine perfekte Lösung dafür gibt es nicht, es wird eher darum gehen, verschiedene kleinere Lösungen klug miteinander zu kombinieren – etwa Pumpspeicherkraftwerke, Biomasseanlagen und Synthesegas.

Der Umbau unserer Elektrizitätsversorgung macht auch einen Umbau der Netz-Infrastruktur nötig. Das sollte uns aber weder erschrecken noch verwundern, meint Reinhard Haas: „Unsere Netzinfrastruktur ist großteils 50-60 Jahre alt. Dass nach so langer Zeit einiges erneuert werden muss, ist klar. Unsere Telefon-Infrastruktur etwa hat sich in den letzten Jahrzehnten noch viel dramatischer verändert.“

Große Netz-Probleme wie Blackouts durch schwankende Stromerzeugung durch alternative Energiequellen erwartet Reinhard Haas nicht. „Wir sind in Europa diesbezüglich deutlich besser aufgestellt als etwa Texas, wo es tatsächlich immer wieder zu längeren Stromausfällen kommt.“ Trotzdem muss in manchen Bereichen die Netzkapazität angepasst werden – das ist allerdings weniger ein technisches als ein politisches Problem.

Viel hat sich gebessert

Dass Reinhard Haas die Energiewende für machbar hält, liegt vor allem an den großen Erfolgen der Alternativenergie in den letzten Jahrzehnten „Als ich 1989 begann, mich mit Fotovoltaik zu beschäftigen, war das ein Experimentierfeld für ein paar Almhütten“, erinnert er sich. Seither gab es große technologische Fortschritte, und die Preise sind massiv gefallen.

Photovoltaik ist mittlerweile kostengünstiger als Strom aus Kohle oder Kernenergie. Daher hält Reinhard Haas Subventionen für Photovoltaik auch langfristig nicht mehr für nötig: Alternativenergie kann sich am Markt behaupten – vorausgesetzt natürlich, der Markt wird nicht durch direkte oder indirekte Förderungen für fossile Energieträger verzerrt. Die wahren Kosten der Emissionen müssen über eine CO2-Steuer eingepreist werden, dann sind die erneuerbaren Energien die kostengünstigste Lösung – und werden sich somit am Ende auch durchsetzen.

 

Kontakt: Prof. Reinhard Haas

Text: Florian Aigner