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Woman in Science: Leila Taghizadeh, Mathematikerin

Die Spuren der Mathematik sind überall, sagt Leila Taghizadeh. Studiert hat sie das Fach, weil es ihr auch an der Schule gefiel. Seit kurzem forscht die vielfach ausgezeichnete Taghizadeh wieder an der TUW.

Leila Taghizadeh vor einem Whiteboard mit grünem Blazer und schwarz-weiß gestreiftem Shirt. Sie trägt ihr dunkles Haar schulterlang.

© Ting Chung

Taghizadeh Leila

Foto Leila Taghizadeh

Mathematik ist überall – die Mathematikerin Leila Taghizadeh

Unsicherheiten stören die Mathematikerin Leila Taghizadeh überhaupt nicht. Denn ihnen rückt sie in ihrer Forschung mit mathematischen Methoden zu Leibe. Wie? Mit Modellierung von Unsicherheiten unter Verwendung von Werkzeugen aus der Numerischen Analyse, der Wahrscheinlichkeitstheorie und der Statistik. Für ihr aktuelles Forschungsprojekt „Computational Uncertainty Quantification in Nanotechnology“ erhielt sie das renommierte Elise-Richter-Stipendium des Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF. Soeben hat sie es angetreten und ist dafür – nach zweijähriger Unterbrechung – nach Wien an das Institute of Analysis and Scientific Computing, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster der TU Wien zurückgekehrt. Im Interview gibt sie Einblicke in ihr Leben als Forscherin.

 

Frau Taghizadeh, wie ist es für Sie, wieder nach Wien zurückzukehren und wie ist es, immer wieder in unterschiedlichen Ländern zu arbeiten?

Leila Taghizadeh: Ich fühle mich in Wien zu Hause, weil ich zu meiner Familie zurückgekehrt bin. Für Forscher_innen ist es, um Erfahrungen zu sammeln, wichtig, immer wieder Arbeitsorte und auch Länder zu wechseln. Natürlich ist es eine Herausforderung umzuziehen – vor allem mit einem kleinen Kind – aber ich habe mich für diesen Weg entschieden und bin glücklich damit, weil ich ansonsten wertvolle Erfahrungen nicht gemacht hätte. Danke an meine Familie, dass sie mich während der letzten zwei Jahre so unterstützt hat!

Was hat sie dazu gebracht Mathematikerin zu werden?

L.T.: In der Schule war Mathematik mein Lieblingsfach. Es hat mir immer gefallen, mathematische Probleme auf verschiedene Arten zu lösen; langweilig war mir dabei nie. Also wollte ich mich mehr damit beschäftigen und habe mich daher für ein Mathematikstudium entschieden. Später habe ich gesehen, dass die Spuren der Mathematik überall sind: in der Physik, der Biologie, der Medizin, etc. Mathematik hat die Fähigkeit natürliche Phänomene zu beschreiben, sie ist sehr umfassend und das ist auch das Schöne an der ihr. Mathematik hat einen enormen Einfluss auf unser Leben!

Gerade haben Sie ihre Forschung zu „Computational Uncertainty Quantification in Nanotechnology“ begonnen. Wie würden sie „unsichere Quantifizierung“ beschreiben?

L.T.: Vorweg: Unsicherheit ist allgegenwärtig; und zwar in dem Sinne, dass mathematische Modellparameter in der Regel unbekannt sind und rein zufällig sein können. Sie können nicht berechnet oder gemessen werden. Daher benötigen wir zunächst Werkzeuge, um die Unsicherheiten zu messen. Darin besteht das Hauptziel der „Uncertainty Quantification“. Letztlich geht es dabei darum, die Unsicherheiten mathematischer Modelle soweit zu verringern, um so präzise wie möglich zu Modelllösungen oder Modellunbekannten zu kommen. Damit beschäftige ich mich in meiner Forschung: Ich quantifiziere und verringere Unsicherheiten in mathematischen Modellen in Biologie, Physik und Ingenieurwesen, insbesondere für mathematische Modelle nanoelektronischer Geräte.

Wie können wir uns ein mathematisches Experiment vorstellen und warum sind sie kostspielig?

L.T.: Physikalische oder biologische Phänomene werden in der Regel durch mathematische Modelle beschrieben, insbesondere durch Systeme partieller Differentialgleichungen (PDEs). Eine umfassende Kenntnis des mathematischen Modells ermöglicht uns ein qualitatives und quantitatives Verständnis dieser Phänomene. Aber dafür müssen wir uns auch mit dem entsprechenden inversen Problem befassen. Experimentelle Daten können uns dabei helfen, indem sie unser Vorwissen über die Modellunbekannten aktualisieren. Ein physikalisches oder biologisches Experiment kann schwierig und teuer in der Durchführung sein, denken wir etwa an Experimente auf der Nanoskala. Andererseits kann dies rechenintensiv sein, wenn es um die Anzahl der PDEs geht, die im Kontext PDE-basierter inverser Probleme gelöst werden müssen.

Was geschieht mit den Ergebnissen ihrer Arbeit, wie wirken sie sich aus?

L.T.: Die Ergebnisse meiner Forschung umfassen optimale Bedingungen und einen Versuchsaufbau, unter denen die meisten Informationen aus den Messdaten extrahiert werden können. Das ist in vielerlei Hinsicht wichtig: entscheidend ist, dass optimale Versuchspläne die Unsicherheit der Modellunbekannten verringert. Und das führt zu genaueren statistischen (Bayes'schen) Inversionsergebnissen. Mit einem Wort: Das Ziel meiner Forschung ist es, die Unsicherheit des mathematischen Modells zu reduzieren, um eine optimale und zuverlässige Planung von Experimenten und Geräten zu ermöglichen.

Wenn Sie zurückdenken, was war wichtig für Ihre Karriere? Wussten Sie bereits als Kind, was Sie werden wollten, und wurden Sie von Ihrer Familie geprägt oder ermutigt?

L.T.: Schon während meiner Schulzeit hat mich meine Familie, besonders mein Vater, immer wieder dazu angespornt, an meine Zukunft und meine Ziele zu denken und an der Schule und später an der Universität hart daran zu arbeiten. Ich denke, dass harte Arbeit besonders heutzutage wichtig ist, um Karriere zu machen. Dazu braucht man aber eine hohe Motivation und Zuversicht. Ich werde meinem Mann immer dafür dankbar sein, dass er mich positiv beeinflusst hat und mich immer wieder dazu ermutigt hat weiterzumachen.

Haben Sie abschließend einen Rat für junge Wissenschaftler_innen?

L.T.: Mein Rat ist: Arbeitet hart und gebt euer Bestes! Gebt niemals auf. Die Menschen um Euch herum werden immer wieder Ratschläge für Euch haben – gute und schlechte. Entscheiden müsst Ihr selbst. Nehmt die guten an, die anderen lasst los.

 

Leila Taghizadeh studierte Mathematik im Iran, wo sie zunächst auch als Universitätsdozentin tätig war. 2012 zog sie nach Österreich, um am Institut für Analysis und Wissenschaftliches Rechnen der TU Wien zu arbeiten – zunächst als Softwareentwicklerin, dann als Projektassistentin. Im Jahr 2019 schloss sie ihr Doktorat zur Unsicherheitsquantifizierung ab, für das sie 2020 den Hannspeter Winter Award erhielt. Nach rund zwei Jahren als PostDoc an der TU Wien zog sie 2021 als wissenschaftliche Mitarbeiterin nach Deutschland Postdoktorand am Fachbereich Mathematik der Technischen Universität München, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster. Im Jahr 2022 erhielt sie ein FWF-gefördertes Elise-Richter-Stipendium für ihr Projekt „Computational Uncertainty Quantification in Nanotechnology“, das sie am 15. Mai 2023 am Institut für Analysis und Wissenschaftliches Rechnen der TU Wien startete. Dies ist die einzige FWF-Elise Richter-Stipendium für die TU Wien im Jahr 2022 und das einzige in Mathematik in Österreich im Jahr 2022.

Link: https://www.asc.tuwien.ac.at/taghizadeh, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster

Interview: Edith Wildmann