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Institut für Mikroelektronik feiert 35-jähriges Bestehen

Ende Juni feierte die Technische Universität Wien den 35. Geburtstag des Instituts für Mikroelektronik.

Gruppenfoto, auf dem 7 Männer nebeneinander stehen.

© Petra Kamptner-Jonas / TU Wien

Bei der Institutsgründung bestand der leistungsfähigste Mikroprozessor (Motorola MC68030) aus 273.000 Transistoren und lief auf einem einzigen Kern mit Taktraten von bis zu 50 MHz. Heutzutage bestehen Mikroprozessoren aus Milliarden von Transistoren und laufen auf 16 Kernen, die mit bis zu 6 GHz getaktet werden. Bereits 1988 erkannte Siegfried Selberherr das transformative Potenzial der Mikroelektronik, die unweigerlich umfassende Modellierungs- und Simulationsfähigkeiten erfordert, um ihr wahres Potenzial auszuschöpfen. Vor diesem Hintergrund leistete er mit der Veröffentlichung der ersten Software zur numerischen Simulation von Feldeffekttransistoren (FETs) mit dem Titel MINIMOS Pionierarbeit auf dem Gebiet der Computer Aided Design (TCAD)-Technologie in der Mikroelektronik. MINIMOS fand im Laufe der Jahre breite und aktive Anwendung in Wissenschaft und Industrie und wurde zur Untersuchung, Entwicklung und Optimierung fortschrittlicher siliziumbasierter Transistoren eingesetzt.  Am 1. Juli 1988 gründete Selberherr schließlich das Institut für Mikroelektronik an der Technischen Universität Wien.

In den letzten 35 Jahren hat sich das Institut für Mikroelektronik zusammen mit der gesamten Mikroelektronikindustrie in hohem Maße weiterentwickelt und ist gewachsen, was durch seine aktive Beteiligung an der Entwicklung und Verbesserung von TCAD-Werkzeugen und -Modellen für den Betrieb und die Herstellung von Halbleiterbauelementen ermöglicht wurde. Zusammen mit Erasmus Langer, welcher Selberherr gleich zu Beginn auf diesem Weg begleitete, entwickelte sich dieses kleine Institut zu einem Forschungszentrum von internationalem Ansehen. Heute beherbergt das Institut für Mikroelektronik acht Professuren (weitere sind in den kommenden Jahren geplant), vier Verwaltungsmitarbeiter_innen, drei technische Mitarbeiter_innen und unzählige Forscher_innen in unterschiedlichen Phasen ihrer Karriere. Dies ist ein klares Zeichen für die Verwirklichung von Selberherrs Vision, denn TCAD ist aus der Mikro- und Nanoelektronik nicht mehr wegzudenken. Heutzutage ist es unmöglich, dass elektronische Geräte, Schaltungen oder integrierte Schaltkreise ohne die Hilfe von TCAD-Tools entworfen werden könnten. Der Einfluss, den das Institut hatte, lässt sich anhand seiner bemerkenswerten wissenschaftlichen Leistung mit zum heutigen Tage über 84 Büchern und Buchherausgeberschaften, über 800 Zeitschriftenveröffentlichungen, 188 Buchbeiträgen und mehr als 2100 Konferenzpräsentationen quantifizieren. Im Laufe der Jahre wurden über 200 Doktorand_innen ausgebildet und das Institut hat sich neben unzähligen Industriekooperationen an mehr als 100 öffentlich geförderten Projekten beteiligt. Zahlreiche ehemalige Doktorand_innen und Mitarbeiter_innen des Instituts für Mikroelektronik waren nun vor Ort, um diesen Meilenstein zu feiern.

Am 29. Juni lud der Leiter des Instituts für Mikroelektronik, Tibor Grasser, alle aktuellen und ehemaligen Mitarbeiter_innen und Doktorand_innen sowie Kolleg_innen der TU Wien ein, zusammenzukommen und die enormen Erfolge der letzten 35 Jahre zu feiern, sowie um auf die Erfolge anzustoßen, die in den nächsten 35 Jahren noch kommen werden. Die Feier wurde mit einigen einleitenden Worten unserer geschätzten Kollegen eröffnet: Den Anfang machte der Vizerektor Forschung und Innovation, Johannes Fröhlich, gefolgt vom Vizerektor Digitalisierung und Infrastruktur, Josef Eberhardsteiner, sowie dem künftigen Rektor der Technischen Universität Wien, Jens Schneider und dem Dekan der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik, Norbert Görtz.

Nach den Einführungen ergriff Erasmus Langer das Wort. Langer trat dem Institut für Mikroelektronik bei seiner Gründung im Jahr 1988 bei und leitete das Institut von 1999 bis 2015. Er führte die Zuhörer_innen durch die Geschichte des Instituts, von seiner interessanten und unkonventionellen Gründung bis hin zu seiner Adaption und Navigation innerhalb einer wachsenden und immer komplexer werdenden Welt des Halbleiter-TCAD. Abschließend gab der derzeitige Vorstand des Instituts für Mikroelektronik, Tibor Grasser, einen Überblick über die laufenden Arbeiten am Institut und einen Ausblick wohin der Weg in Zukunft führen könnte. Die Halbleiterindustrie hat in letzter Zeit drastische Veränderungen erlebt, von der Einführung neuartiger Transistorstrukturen und der Anwendung neuer Materialien bis hin zu Unsicherheiten darüber, was auch in naher Zukunft kommen wird. Das Institut für Mikroelektronik steht mit seinem breiten Angebot an Simulationswerkzeugen und -modellen für relevante Prozesse und Bauelemente sowie der Untersuchung neuartiger Materialien, wie Halbleiter mit großer Bandlücke und zweidimensionaler (2D) Materialien, inmitten dieser Entwicklung.

Das Forschungsspektrum des Instituts umfasst derzeit weitreichende Studien zur Zuverlässigkeit von Transistorbauelementen, vor allem aufgrund von Problemen hinsichtlich Hysterese, Gate-Dielektrikumsdurchbruch und Schwellenspannungsverschiebungen. Auf diesem Gebiet ist das Institut für Mikroelektronik weltweit führend und wurde in den letzten Jahren um ein hochmodernes Charakterisierungslabor erweitert, das seine tiefgreifenden theoretischen Studien ergänzt bis hinunter zur Einzeldefektebene in Transistoren. Grasser zeigte auch, wie scheinbar negative Phänomene, wie die Elektromigration, für die Herstellung von Nanodrähten aus der induzierten Bewegung eines Goldtröpfchens manipuliert werden können, ein Prozess, der derzeit am Institut untersucht wird. Es gibt auch intensive Forschung im Bereich der Multiskalen-Prozesssimulation und -emulation, wobei die Herstellung moderner Halbleiterbauelemente von der atomaren Ebene bis hin zu den Auswirkungen spezifischer Prozesse auf die Leistung, Zuverlässigkeit und Variabilität von Bauelementen und Schaltkreisen untersucht wird.

Anschließend widmete sich Grasser der Forschung an neuartigen Materialien und der Nutzung komplexer Spin- und Quantenphänomene. Es besteht große Hoffnung, dass 2D-Materialien das grundlegende Skalierungsproblem in der Mikroelektronik lösen könnten, nachdem die physikalische Grenze der Siliziumskalierung erreicht ist. Allerdings reagieren diese Materialien oft sehr empfindlich auf die Umgebung, was ein weiteres Forschungsthema ist, da dies aktiv für die Herstellung von neuartigen Gassensoren verwendet werden kann. Neuartige Konzepte, wie Spin-Transfer-Torque (STT)- und Spin-Orbit-Torque (SOT)-Speicher, läuten einen neuen Weg zu verbesserten Speichergeräten unter Verwendung von Spinpolarisationsmechanismen ein, die derzeit im Rahmen eines von drei aktiven Christian Doppler Laboratorien am Institut für Mikroelektronik untersucht werden.

Abschließend wurde die aktuelle Forschung über den Quantentransport in FETs und den Entwurf neuartiger Schaltkreise auf der Grundlage der Elektronenverschränkung mit dem Potenzial, das Gebiet der Nanoelektronik zu revolutionieren, vorgestellt. Das Institut konzentriert sich auf die Weiterentwicklung einer zeitabhängigen Wigner-Simulationsmethode für die Elektronenquantenoptik (z. B. Interferenz von Elektronenwellen) durch die Steuerung einzelner Elektronen.

Es ist erwähnenswert, dass es ohne Siegfried Selberherr kein Institut für Mikroelektronik gäbe. Als Dank dafür, dass er den Grundstein für das Institut für Mikroelektronik gelegt und in den letzten 35 Jahren einen konsequenten Weg für dessen Weiterentwicklung und Wachstum geebnet hat, wurde ihm eine Plakette überreicht, die seinen unermüdlichen Einsatz für das Institut und dessen Mitarbeiter_innen würdigt.

Text:Tibor Grasser, Vorstand des Instituts für Mikroelektronik