Immer besser gelang es in den letzten Jahren, einzelne Atome und Moleküle gezielt zu kontrollieren. Wichtig dabei waren sogenannte „optische Pinzetten“ – spezielle Laserstrahlen, mit denen man Materie präzise manipulieren kann. Andreas Schindewolf möchte hier noch einmal einen großen Schritt weitergehen: Seine bisherigen Arbeiten zeigen, dass man Moleküle durch Mikrowellen auf überraschend großen Abständen miteinander koppeln kann. Auf diese Weise soll es gelingen, sie zu einem „Quantenkristall“ zusammenzufügen, der ganz neue Experimente für die Quantenforschung erlauben soll.
Um dieses Vorhaben umsetzen zu können, wurde Andreas Schindewolf nun mit einem ERC Starting Grant ausgezeichnet, einer der höchstdotierten und prestigeträchtigsten Förderungen der europäischen Forschungslandschaft.
Ein neuer Typ von Kristall
„Wir können einzelne Atome in einen exakt definierten Quantenzustand versetzen“, sagt Andreas Schindewolf. „Wir können alle Eigenschaften, die sie physikalisch haben, genau kontrollieren. Dadurch ist es dann auch möglich, sie auf exakt kontrollierte Weise zu einem Molekül zusammenzufügen.“
Zwei ganz spezielle Atomsorten hat Schindewolf nun für sein zukünftiges Projekt ausgewählt: Cäsium und Silber. „Sie verbinden sich zu einem Molekül, dessen elektrische Ladung sehr ungleich verteilt ist“, erklärt er. „Cäsium-Silber ist auf der einen Seite stark positiv, auf der anderen stark negativ geladen.“
Dadurch entstehen auch starke Kräfte zwischen den Molekülen, die über relativ lange Distanzen wirken. Und so soll es möglich sein, Cäsium-Silber-Moleküle in einem regelmäßigen zweidimensionalen Muster anzuordnen, und einen künstlichen „Quantenkristall“ zu bauen.
Dieser Quantenkristall wird von einer ganz eigenen Art intermolekularer Bindung zusammengehalten, es handelt sich um einen sogenannten „feldgebundenen Zustand“: Man bestrahlt die Moleküle mit Mikrowellen, sodass sich die Moleküle mithilfe des Mikrowellenfeldes zueinander ausrichten und im Folgenden Bindungen eingehen.
Riesengroße Abstände
„Unsere bisherigen Ergebnisse zeigen: Auf diese Weise sollte sich ein Kristall aus Cäsium-Silber-Molekülen erzeugen lassen, in dem die einzelnen Moleküle rund einen halben Mikrometer voneinander entfernt sind“, sagt Andreas Schindewolf. „Das entspricht etwa der Wellenlänge von sichtbarem Licht – viel mehr als die üblichen Abstände in fester Materie.“ Dadurch lassen sich mit so einem Quantenkristall auch völlig neue Experimente durchführen: Man kann die Moleküle einzeln und getrennt voneinander verändern, kann ihr individuelles und kollektives Verhalten genau studieren.
„Wir hoffen, auf diese Weise eine Plattform für ganz neue Forschung zu entwickeln. Die Liste der fundamentalen Fragen, denen wir damit nachgehen können, ist lang – sie reicht von Festkörperphysik bis zur Quantenchemie.“
Andreas Schindewolf
Andreas Schindewolf studierte Physik an der TU München, seine Diplomarbeit verfasste er an der Universität Strathclyde in Glasgow (UK). Danach wechselte er nach Innsbruck, wo er 2018 promovierte. Als Postdoc forschte er zunächst in Innsbruck, dann am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching, Deutschland. 2024 schließlich kam er ans Atominstitut der TU Wien. Dort wird er nun mit Hilfe des ERC Grants seine Forschungsgruppe ausbauen und an der Realisierung der neuartigen Quantenkristalle arbeiten.
Rückfragehinweis
Andreas Schindewolf, PhD
Atominstitut
Technische Universität Wien
andreas.schindewolf@tuwien.ac.at
Text: Florian Aigner