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Klimafitte Energiesysteme: Herausfordernd, aber möglich

Der Klimawandel zwingt ganz Europa zu Reformen im Energiebereich. Ein Forschungsprojekt von TU Wien, AIT und BOKU zeigt: Der Wandel ist möglich, mit heute verfügbarer Technologie.

AdobeStock-Foto mit Solaranlagen

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Wir müssen unsere Stromversorgung ändern, um den Klimawandel einzubremsen, und gleichzeitig wird der Klimawandel selbst drastische Auswirkungen auf unsere Stromversorgung haben. Wie diese Effekte ineinandergreifen, wie man sich am besten darauf vorbereitet und wie österreich- und europaweit ein verlässliches, nachhaltiges und kosteneffizientes Energiesystem aufgebaut werden kann, wurde nun in einem Forschungsprojekt untersucht, geleitet an der TU Wien, mit Beteiligung des AIT Austrian Institute of Technology und der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU).

Die positive Nachricht dabei: Ein klimafittes Energiesystem ist möglich, mit heute verfügbarer Technologie. Die These, dass die Energiewende wegen technischer oder ökonomischer Gegebenheiten prinzipiell nicht durchführbar sei, ist falsch. Freilich muss sich bis ins Jahr 2050 und darüber hinaus vieles ändern – von Energieeffizienz und ambitioniertem Ausbau erneuerbarer Energie über Modernisierung und Ausbau der Netze und besseren Speichern bis hin zu einer größeren Flexibilisierung des Stromverbrauchs, um Angebot und Nachfrage zu jedem Zeitpunkt leichter in Einklang bringen zu können.

Der Klimawandel beeinflusst alles

„Neu an unserem Projekt ist, dass wir Klimamodelle und Modelle des Energiesystems eng miteinander verknüpfen“, erklärt Franziska Schöniger von der Energy Economics Group der TU Wien, die das Projekt „SECURES“ (Securing Austria’s Electricity Supply in times of Climate Change) leitete.

Klima und Energie sind in mehrfacher Hinsicht miteinander gekoppelt: Aus Klimaschutzgründen soll auf fossile Brennstoffe in der Stromerzeugung verzichtet werden. Gleichzeitig beeinflusst der Klimawandel auch den Ertrag erneuerbarer Energiequellen: Die Zahl der Sonnen- und Windstunden in bestimmten Regionen ändert sich, auch die Stromerzeugung durch Wasserkraft wird massiv vom Klimawandel beeinflusst, etwa wenn im Winter weniger Schnee und dafür mehr Regen fällt, oder die Sommer trockener werden.

Zusätzlich hat der Klimawandel auch Auswirkungen auf die Nachfrageseite: In milderen Wintern muss in Zukunft vielleicht weniger geheizt werden, dafür wird der Strombedarf von Klimaanlagen im Sommer zunehmen.

„Um all das zu berücksichtigen, haben in unserem Projekt Forschungsteams aus Meteorologie und Energiesystemmodellierung eng zusammengearbeitet“, sagt Herbert Formayer (BOKU), der die Klimamodellierung des Projekts leitete. „Wir haben dabei unter anderem festgestellt: Es genügt nicht, das Energiesystem an ein normales Jahr anzupassen, wie wir es aus der Vergangenheit kennen. Auch mit größeren und häufigeren Wetterextremen wie Hitzewellen und Kälteperioden und stärkeren Schwankungen muss unsere künftige Stromversorgung zurechtkommen.“

Die Umstellung ist möglich

Die Modelle zeigen: Die Umstellung des Energiesystems ist aufwändig und benötigt hohe Investitionen – vom Ausbau von Wind und Photovoltaik bis hin zu einem Ausbau der Stromnetze. Aber technisch ist all das möglich. „Man muss das Gesamtsystem auf intelligente Weise planen. So kann man etwa durch eine gut geplante Mischung aus PV, Wind und Wasserkraft jahreszeitliche Schwankungen abmildern: PV bringt mehr Strom im Sommer, Wind bringt mehr Strom im Winter“, sagt Demet Suna (AIT), die die Energiesystemmodellierung des Projekts leitete. Auch Speichertechnologien aller Art werden eine wichtige Rolle spielen – vom klassischen Pumpspeicherkraftwerk über Batterien bis hin zu Energieträgern wie Wasserstoff.

Eine wichtige Säule der Energiewende wird die Flexibilisierung auf der Nachfrageseite sein: Oft werden große Mengen an Energie benötigt, die allerdings nicht unbedingt zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern bloß innerhalb einer bestimmten Zeitspanne genutzt werden müssen. Vielleicht soll ein Elektrofahrzeug über Nacht geladen werden – ob es aber schon abends oder erst in den frühen Morgenstunden voll aufgeladen wird, ist möglicherweise egal. Oder in einer Industrieanlage soll ein Kessel aufgeheizt werden – aber vielleicht kann man diesen für Nachmittag geplanten Arbeitsschritt schon auf den Vormittag vorziehen, wenn wegen hoher Sonneneinstrahlung zu diesem Zeitpunkt der Strom vielleicht gerade besonders kostengünstig ist. „Solche Flexibilisierungsschritte sparen Geld und helfen mit, das Stromnetz stabil zu halten“, sagt Gustav Resch (AIT), der das Projekt initiierte.

Die größten Hürden auf dem Weg zum klimafitten Energiesystem sieht Schöniger nicht in der dafür nötigen Technik – die gibt es bereits. Schwieriger sind politische und soziale Fragen, glaubt Franziska Schöniger: Wie schafft man es in Österreich, bundesweite Ziele auf Ebene der Länder und Regionen umzusetzen? Wie kann die Bevölkerung von der Notwendigkeit der Energiewende überzeugt und die Akzeptanz für erneuerbare Anlagen gestärkt werden? Hat man ausreichend viele Arbeitskräfte, um die nötigen technischen Anpassungen flächendeckend umzusetzen? Oft zeigen sich andere Herausforderungen als man ursprünglich gedacht hatte – aber mit interdisziplinärer Modellbildung lassen sich Zukunftsszenarien entwickeln, die technisch und ökonomisch robuste Lösungswege aufzeigen. Auf dieser Basis kann schlussgefolgert werden, woran es aus heutiger Sicht noch fehlt und welche Maßnahmen gesetzt werden sollten. Denn es gilt, auch in der Zukunft eine sichere und klimafreundliche Stromversorgung zu gewährleisten.
 

Nähere Information
Der neu erschienene Endbericht (erschienen am 16.10.2023), öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster

Policy Briefs
deutsch, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster und englisch, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster

Aktuelles Paper
in Nature Scientific Data: Formayer et al., Nature Scientific Data 10, 590 (2023), öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster
 

Rückfragehinweis:

Dr. Franziska Schöniger
Institut für Energiesysteme und Elektrische Antriebe
Technische Universität Wien
+43 1 58801 370378
schoeniger@eeg.tuwien.ac.at

Dr. Demet Suna
AIT Austrian Institute for Technology AIT
Integrated Energy Systems
Demet.Suna@ait.ac.at

Prof. Dr. Herbert Formayer
Institut für Meteorologie und Klimatologie (BOKU-Met)
Universität für Bodenkultur Wien
herbert.formayer@boku.ac.at


Aussender:
Dr. Florian Aigner
PR und Marketing
Technische Universität Wien