Alle News an der TU Wien

Quantenuhren können exakter sein als gedacht

Quanteneffekte werden heute oft für extrem präzise Messungen verwendet. Aber wo liegt die absolute Grenze der Genauigkeit? TU Wien und internationale Partner zeigen: Es geht besser als angenommen.

Künstlerische Darstellung einer Quantenuhr

© Alexander Rommel & TU Wien

Wie tickt eine Quantenuhr?

Wie kann man sich die merkwürdigen Eigenschaften von Quantenteilchen zunutze machen, um extrem genaue Messungen durchzuführen? Diese Frage steht im Zentrum des Forschungsbereichs der Quantenmetrologie. Ein Beispiel dafür ist die Atomuhr: Man nutzt die Quanteneigenschaften von Atomen, um Zeit viel genauer zu messen als das mit gewöhnlichen Uhren möglich wäre.

Allerdings ist in den Grundgesetzen der Quantenphysik immer auch eine gewisse Unschärfe eingebaut. Man muss sich mit Zufall oder einem gewissen statistischen Rauschen zufriedengeben. Daraus ergeben sich ganz prinzipielle Grenzen für die erreichbare Genauigkeit. Bisher schien es ein unverrückbares Gesetz zu sein, dass man für eine doppelt so genaue Uhr auch mindestens doppelt so viel Energie braucht. Doch ein Forschungsteam der TU Wien, der ÖAW, der Universität Chalmers (Schweden) und der Universität Malta konnte nun zeigen: Mit speziellen Tricks lässt sich die Genauigkeit exponentiell steigern. Man verwendet zwei verschiedene Zeitskalen – ähnlich wie eine Uhr einen Sekunden- und einen Minutenzeiger gleichzeitig hat.

Was ist eigentlich eine Uhr?

„Man kann analysieren, welche Uhren theoretisch überhaupt möglich wären“, sagt Prof. Marcus Huber vom Atominstitut der TU Wien. „Prinzipiell braucht jede Uhr zwei Komponenten: Erstens einen Taktgeber – etwa ein Pendel in der Pendeluhr, oder eben auch eine Quanten-Schwingung. Und zweitens einen Zähler – irgendein Element, das zählt, wie viele Zeiteinheiten, die vom Taktgeber definiert werden, nun bereits vergangen sind.“

Der Taktgeber kann immer wieder in exakt denselben Zustand zurückkehren. Das Pendel einer Pendeluhr befindet sich nach einer vollen Schwingung wieder genau dort, wo es zuvor war. Das Cäsium-Atom einer Atomuhr nimmt nach einer bestimmten Zahl von Schwingungen wieder genau denselben Zustand ein, den es zuvor schon eingenommen hatte. Der Zähler hingegen muss sich verändern – sonst ist die Uhr sinnlos.

„Das bedeutet, dass jede Uhr mit einem irreversiblen Prozess in Verbindung stehen muss“, sagt Florian Meier (TU Wien). „In der Sprache der Thermodynamik gesprochen heißt das: Jede Uhr erhöht die Entropie im Universum, sonst ist sie keine Uhr.“ Das Pendel einer Pendeluhr erzeugt ein bisschen Wärme und Unordnung unter den Luftmolekülen ringsherum, jeder Laserstrahl, der den Zustand einer Atomuhr ausliest, sorgt für Wärme, für Strahlung und damit für Entropie.

„Man kann nun überlegen, wie viel Entropie eine hypothetische Uhr mit extrem hoher Präzision erzeugen müsste – und dementsprechend auch, wie viel Energie eine solche Uhr benötigen müsste“, sagt Marcus Huber. „Bisher schien es da einen linearen Zusammenhang zu geben: Will man die tausendfache Präzision, muss man mindestens tausendmal so viel Entropie erzeugen und tausendmal so viel Energie aufwenden.“

Eine Quantenzeit und eine klassische Zeit

Doch nun zeigte das Forschungsteam der TU Wien gemeinsam mit der ÖAW Wien und Teams aus Schweden und Malta, dass man diese scheinbare Regel überlisten kann, indem man zwei verschiedene Zeitskalen einsetzt.

„Man kann für die Zeitmessung zum Beispiel Teilchen verwenden, die von einem Bereich in den anderen wechseln, ähnlich wie Sandkörner die Zeit anzeigen, indem sie vom oberen Teil des Glases in den unteren fallen“, sagt Florian Meier. Man kann eine ganze Reihe solcher Zeitmessungs-Vorrichtungen hintereinanderschalten und zählen, wie viele davon bereits durchlaufen wurden – ähnlich wie ein Minutenzeiger zählt, wie viele Runden der Sekundenzeiger bereits absolviert hat.

„Auf diese Weise kann man die Genauigkeit steigern, aber nicht ohne dabei auch mehr Energie zu investieren“, sagt Marcus Huber. „Denn jedes Mal, wenn der eine Zeiger eine volle Runde absolviert und der Zeiger an einem neuen Ort gemessen wird – man könnte auch sagen: jedes Mal, wenn die Umgebung ringsherum bemerkt, dass dieser Zeiger an einen neuen Ort gewechselt hat – steigt die Entropie. Dieses Zählen ist ein unumkehrbarer Prozess.“

Die Quantenphysik erlaubt aber auch eine andere Form von Teilchentransport: Die Teilchen können nämlich auch quantenphysikalisch durch die gesamte Struktur wandern, also quasi über das gesamte Ziffernblatt, ohne irgendwo gemessen zu werden. In gewissem Sinn befindet sich das Teilchen dann während dieses Prozesses überall gleichzeitig, es hat keinen klar definierten Aufenthaltsort, bis es dann am Ende ankommt – und erst dort wird es tatsächlich gemessen, in einem unumkehrbaren Prozess, der die Entropie erhöht.

Wie Sekunden- und Minutenzeiger

„Wir haben damit also einen schnellen Prozess, der keine Entropie verursacht – den Quantentransport – und einen langsamen, nämlich das Ankommen des Teilchens ganz am Ende“, erklärt Yuri Minoguchi. „Das entscheidende bei unserer Methode ist, dass sich der eine Zeiger rein quantenphysikalisch benimmt, und nur der andere, langsamere Zeiger tatsächlich mit einem entropie-erzeugenden Effekt einhergeht.

"Darüber hinaus kann die Theorie in der Praxis mithilfe von supraleitenden Schaltkreisen getestet werden, einer der derzeit fortschrittlichsten Quantentechnologien”, sagt Simone Gasparinetti, co-Autor der Studie und Leiter des Teams an der Chalmers Universität. „Das ist ein wichtiges Resultat für die Forschung an hochpräzisen Quanten-Messungen, und für die Unterdrückung unerwünschter Fluktuationen“, sagt Marcus Huber, „und gleichzeitig hilft es uns auch, eines der großen, ungelösten Rätsel der Physik besser zu verstehen: Den Zusammenhang zwischen der Quantenphysik und der Thermodynamik.“

Originalpublikation

F. Meier et al., Precision is not limited by the second law of thermodynamics, Nature Physics (2025)
https://www.nature.com/articles/s41567-025-02929-2, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster

Rückfragehinweis:

Prof. Marcus Huber
Atominstitut, IQOQI Wien
Technische Universität Wien
+43 1 58801 141881
marcus.huber@tuwien.ac.at

Aussender:
Dr. Florian Aigner
Kommunikation
Technische Universität Wien
+43 664 60588 4127
florian.aigner@tuwien.ac.at