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Prof. Dr. Hans Jörg Stetter – Ein Nachruf

Die TU Wien und das Institut für Analysis und Scientific Computing trauern um Prof. Dr. Hans Jörg Stetter, der am 27. Oktober 2025 im Alter von 95 Jahren verstorben ist.

Porträt von Hans Stetter in Grautönen mit schwarzem Rand in Querformat mit grauem Hintergrund

© ptivat

Mit tiefer Betroffenheit nehmen wir Abschied von einem hochgeschätzten emeritierten Kollegen, der über Jahrzehnte hinweg das wissenschaftliche Profil unserer Universität, insbesondere der Mathematik und der Informatik, mitgeprägt hat. 

Hans Jörg STETTER wurde am 8. April 1930 in München geboren. Nach seinem Studium an der TU München widmete er sich in seiner Dissertation (1956) der Gasdynamik und damit den hyperbolischen partiellen Differentialgleichungen. In den Jahren danach verlagerte er seinen Forschungsschwerpunkt auf die Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen und wurde – insbesondere nach seiner Berufung an die damalige Technische Hochschule Wien im Jahr 1965, wo unter seiner Leitung das erste digitale Rechenzentrum eingerichtet wurde  – zu einer der prägenden Persönlichkeiten dieser aufstrebenden mathematischen Teildisziplin.

Seine Monographie Analysis of Discretization Methods for Ordinary Differential Equations (Springer, 1973) gilt bis heute als Referenzwerk. Zu seinen zahlreichen innovativen Beiträgen zählen asymptotische Fehlerdarstellungen sowie Methoden der Defektkorrektur zur adaptiven Integration, die er maßgeblich weiterentwickelte und als Standardzugang etablierte. 

In späteren Jahren wandte sich Stetter neuen Themen zu, insbesondere der damals noch kontrovers diskutierten Verknüpfung von multivariater Computeralgebra und Numerik. Als Emeritus veröffentlichte er dazu 2004 bei SIAM die Monographie Numerical Polynomial Algebra (nach intensiver Arbeit ab 1998). Sein breites wissenschaftliches Spektrum spiegelte sich auch in seinen zahlreichen internationalen Kooperationen wider, die er im Rahmen von Forschungsaufenthalten pflegte.

Seine wissenschaftliche Haltung beschrieb er selbst treffend in einem Interview (2005):
„... in many cases up to now we see only the abstract final result, but not the way in which it was conceived ...”

Als Universitätslehrer prägte Hans Stetter Generationen von Studierenden und Mitarbeitenden. Sein Stil war geprägt von methodischer Klarheit und dem Anspruch, Ideen, formale Strenge und Anschauung miteinander zu verbinden. Bei aller Fairness und Kollegialität stellte er hohe Ansprüche – auch an sein Publikum.
Ein geflügeltes Wort von ihm bleibt unvergessen:
„Fehler – das bedeutet ja nicht, dass man etwas falsch gemacht hat …”

Auch universitätspolitisch zeigte Stetter Engagement: In seinen ersten Jahren in Wien setzte er sich mit Nachdruck dafür ein, die Informatik als eigenständige und innovative Disziplin an der TU Wien zu etablieren – und nahm dabei aktiv und erfolgreich Einfluss bis in die Bundespolitik, als 1969 das Bundesgesetz über technische Studien reformiert wurde.

Mit dem ihm eigenen Humor kommentierte er seinen Pioniergeist bei der Geburt des Studienfachs Informatik in Österreich mit den Worten:
„Österreich ist ein hoffnungsloser Fall, aber Wunder haben einen positiven Erwartungswert!”

Noch heute erinnert man sich an der Fakultät für Informatik an seine prägende Rolle als Wegbereiter der „Rechentechnik“ an unserer Universität. Auch nach seiner Emeritierung blieb Hans Stetter dem Institut für Analysis und Scientific Computing eng verbunden und war regelmäßiger Gast, wenn bei Events die aktiven und pensionierten Institutsmitglieder zusammenkamen. Wir standen in regelmäßigem Kontakt – auch in den Jahren nach dem Tod seiner geliebten Gattin Christine. Zuletzt feierten wir am 25. April 2025 mit ihm gemeinsam sowie der Dekanin und weiteren Vertretern der Informatik seinen 95. Geburtstag.

Unser Mitgefühl gilt seiner Familie.

Winfried AUZINGER, Dirk PRAETORIUS und Gabriela SCHRANZ-KIRLINGER
im Namen der Kolleginnen und Kollegen am Institut für Analysis und Scientific Computing