19. Dezember 2025, 16:00 bis 17:00

Rigorosum Theresa Maierhofer

Andere

Spectral induced polarization imaging to monitor mountain permafrost dynamics and improve ice content estimations

Gebirgspermafrost, ein zentraler Bestandteil der Kryosphäre, ist besonders empfindlich gegenüber Klimaänderungen, insbesondere in hochalpinen Regionen wie den Europäischen Alpen, in denen die Permafrost Temperaturen nahe dem Schmelzpunkt liegen. In den letzten Jahrzehnten führten die Erderwärmung und der Abbau des Permafrosts zu einer Zunahme der Dicke der aktiven Bodenschicht und zu steigenden Bodentemperaturen; Trends, die mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch im kommenden Jahrhundert anhalten werden. Diese Veränderungen haben erhebliche Auswirkungen auf Bergökosysteme und Siedlungen, insbesondere hinsichtlich der Hangstabilität, Infrastruktur, hydrologischer Prozesse und Sicherheit. Die Charakterisierung des Permafrosts ist daher essenziell, um den thermischen Zustand, den hydrologischen Kreislauf sowie die Stabilität des Bodens zu verstehen, wobei Schlüsselparameter wie Bodentemperatur, Dicke der aktiven Schicht, Bodenfeuchte,
Schneebedeckung und Eisgehalt entscheidend sind.

Während Bohrlochmessungen wertvolle eindimensionale Aufzeichnungen liefern, sind sie räumlich begrenzt und können die starke Heterogenität des Gebirgspermafrosts nicht erfassen. Besonders der Eisgehalt ist schwer zu quantifizieren und zu überwachen, da er stark räumlich variiert, nur eingeschränkt zugänglich ist und seine Erfassung mit erheblichen logistischen Herausforderungen (z.B. Kernbohrungen oder nukleares Logging) verbunden ist. Geophysikalische Methoden sind daher unverzichtbar, da sie die physikalischen Eigenschaften des Untergrunds großräumig und in der Tiefe abbilden und gefrorene von ungefrorenen Bereichen unterscheiden. Aktuelle Studien haben Eis- und Wassergehalte durch Kombination oder gemeinsame Inversion elektrischer, elektromagnetischer, seismischer und gravimetrischer Methoden sowie deren Verknüpfung über petrophysikalische Modelle quantifiziert. Trotz dieser Fortschritte sind Anwendungen in den Europäischen Alpen nach wie vor selten, und Unsicherheiten bestehen weiterhin.

Die vorliegende Dissertation beschäftigt sich mit der Anwendbarkeit und Weiterentwicklung der Spektralen Induzierten Polarisation (SIP), einer elektrischen Methode, die in der Permafrostforschung bislang nur selten eingesetzt wurde. Das Ziel dieser Arbeit besteht in der Untersuchung räumlicher und zeitlicher Variationen des Eisgehalts in verschiedenen Permafrost-Landformen. Während spezifische elektrische Widerstandsdaten allein keine eindeutige Unterscheidung zwischen Eis, Luft und Gestein erlauben, erfasst SIP sowohl die leitfähigen als auch die kapazitiven Eigenschaften des Untergrunds. Diese reflektieren Polarisationsprozesse an elektrischen Doppelschichten entlang von Korn- und Eis- Flüssigkeits-Grenzflächen, die stark vom Eisgehalt beeinflusst werden. Drei zentrale Fragestellungen werden in dieser Dissertation behandelt: (i) Optimierung des SIP-Messdesigns für zuverlässige Datenqualität unter alpinen Bedingungen, (ii) Untersuchung der Sensitivität von SIP gegenüber verschiedener Permafrost Landformen mit unterschiedlichen Eisgehalten und deren saisonale bis interannuelle Variabilität, und (iii) Identifizierung von Proxy-Parametern zur Abschätzung des Bodeneisgehalts.

Erste SIP-Messungen in der Lapires Schutthalde in der Schweiz untersuchten die Frequenzabhängigkeit (0,1-225 Hz) der Polarisation zur Unterscheidung von gefrorenem und ungefrorenem Untergrund. Ziel war es, (a) ein Feldprotokoll zu entwickeln, das SIP-Daten mit minimaler elektromagnetischer Kopplung liefert und in kompliziertem Gelände einsetzbar ist, (b) die räumliche Ausdehnung der Permafrost-Landform abzudecken, und (c) zu evaluieren, inwieweit Spektraldaten Unterschiede zwischen Substraten und räumlicher Variation im Eisgehalt innerhalb der Halde erkennen können. Die Unsicherheit der Daten wurde qualitativ durch die Analyse der Abweichungen zwischen Normal- und Reziprok-Messungen über verschiedene Profile und Frequenzen bewertet. Ein Vergleich unterschiedlicher Kabelkonfigurationen zeigte die geringsten Abweichungen für Koaxialkabel und ermöglichte hochwertige SIP-Daten im Bereich 0,1-75 Hz. Die Ergebnisse zeigten einen deutlichen Kontrast zwischen eisreichem Permafrost und ungefrorenem Material, wobei die Polarisation in den eisreichen Bereichen mit zunehmender Frequenz anstieg. Mittels eines Rasters unterschiedlicher SIP-Profile konnte die gesamte Landform charakterisiert werden, wobei sich zeigte, dass der eisreiche Permafrostkörper kleiner ist als bisher angenommen. Zudem erlaubte das spektrale Verhalten eine verbesserte Unterscheidung zwischen eisreichem Permafrost und ungefrorenem Grundgestein.

2019 wurde das erste permanente SIP-Monitoringprofil im Gebirgspermafrost am Standort Cervinia Cime Bianche in Italien installiert und deckt mittlerweile einen Beobachtungszeitraum von sechs Jahren ab. Zeitliche Variationen der Polarisation zeigten einen engen Zusammenhang mit Gefrier-/Tauprozessen in der aktiven Schicht, wobei die absoluten Phasenwerte während des Gefrierens im Herbst zunahmen, im Winter ihren Höchstwert erreichten und während des Tauens im Frühling abnahmen. Feldmessungen wurden durch Gefrier-/Tau-Experimente an standortspezifischen Gesteinsproben validiert, die konsistente Spektren zeigten und die Temperaturabhängigkeit der SIP Felddaten bestätigten. Ein wesentlicher Beitrag dieser Arbeit war die Entwicklung und Anwendung des Phase Frequency Effect (φFE) als Proxy für den Eisgehalt. φFE Werte folgten klaren Gefrier-Tau-Zyklen und zeigten Unterschiede in Textur und Eis-Wasser-Verhältnis. Im Winter führten hohe Widerstände aufgrund kapazitiver Kopplung zu erhöhten Phasenfehlern und Datenunsicherheiten. Diese Effekte konnten in Labortests mit elektrischen Schaltungen reproduziert werden, wodurch sich die minimale Fehlergrenze der im Feld zu erwartenden Phasenmessungen bestimmen ließ.

Zusätzlich wurden SIP Daten an zehn Gebirgspermafrost Standorten in den Europäischen Alpen untersucht, darunter Festgesteinspermafrost, Schutthalden und Blockgletscher sowie ein ungefrorener Referenzstandort. φFE variierte systematisch mit Landform und Eisgehalt: höchste Werte wurden in Blockgletschern, mittlere Werte in gefrorenen Schutthalden und niedrigste Werte in Festgesteinspermafrost bzw. ungefrorenem Material beobachtet. Die starke Korrelation zwischen φFE und validierten Eisgehalten (r² = 0,94) unterstreicht das Potenzial von φFE als robusten Proxy für den Eisgehalt. Zusätzlich wurde auch die Rolle der Oberflächenleitung an allen Standorten untersucht, ein Faktor, der in petrophysikalischen Modellen oft vernachlässigt wird. SIP-Daten zeigten, dass die Oberflächenleitfähigkeit sowohl räumlich als auch zeitlich variiert und daher in petrophysikalischen Modellen einbezogen werden sollte.

Die Ergebnisse dieser Dissertation verdeutlichen, dass SIP eine sensitive und vielversprechende Methode zur Erfassung und Überwachung des Eisgehalts darstellt. Analysen über Zeit, Raum und mehrere Standorte zeigen das Potenzial der Methode, auch wenn weitere Arbeiten erforderlich sind, um eine breit anwendbare und verlässliche Abschätzung des Eisgehalts in alpinen und polaren Permafrostsystemen zu etablieren.

Kalendereintrag

Veranstaltung Details

Veranstaltungsort
Sem.R. DA grün 02 A (2. Stock, Zugang über gelben Bereich)
1040 Wien
Wiedner Hauptstraße 8
Veranstalter
TU Wien
Öffentlich
Ja
Kostenpflichtig
Nein
Anmeldung erforderlich
Nein