Titel

Ao.Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.phil.

Geburtsjahr und Geburtsort

1970 in Klagenfurt

Ihr Studium und eventuell Ihre spezielle Studienrichtung

Architekturstudium an der TU Wien

Doktorat in Kultur- und Sozialanthropologie an der Universität Wien

Austauschsemester am Illinois Institute of Technology in Chicago

Diplomstipendium am Massachusetts Institute of Technology in Boston

Dissertationsstipendium an der University of California in Berkeley

Interviewdatum

20. März 2023

Professorin Rieger-Jandl im Kurzinterview

 

Mein Forschungsschwerpunkt konzentriert sich auf Architektur im sozio-kulturellen Kontext und daraus resultierende Identitätsprozesse, auf vernakuläre Architektur, Lehmarchitektur, Bauen im Entwicklungskontext und hier vor allem auf partizipative Prozesse und multidisziplinäre Kooperationen. Als Architekturwissenschafterin (TU-Wien) und Anthropologin (Universität Wien) ist es für mich naheliegend, Architektur und Mensch zu verbinden und die Architektur unter dem Aspekt von kulturellen und gesellschaftspolitischen Einflussfaktoren zu untersuchen. Architektur ist ein physisches Abbild unserer Gesellschaft und durch die Verschränkung von Methoden aus zwei Forschungsdisziplinen lassen sich in reziproker Hinsicht unglaublich spannende Erkenntnisse generieren.

 

Der fundierteste Antrieb für wissenschaftliches Arbeiten ist eine uneingeschränkte Neugierde. Bei mir wurde diese Neugier durch zahlreiche Auslandsaufenthalte und Forschungsreisen hochgehalten. Dies gab mir die Möglichkeit, eingefahrene Muster immer wieder durch die Augen der `Anderen´ zu betrachten und das vermeintlich Selbstverständliche zu relativieren.

Ein weiterer Antrieb besteht aus den Visionen, die das eigene Tun in einen größeren Kontext integrieren. In meinem Fall ist dies die Vision einer gebauten Umwelt, die ökologisch ausgewogen ist und sozio-kulturelle Anforderungen in einer Weise erfüllt, die zukünftigen Generationen entsprechende Möglichkeiten erhält. Forschen ist mehr als das Anhäufen von Wissen – es erfordert Intuition, Kreativität, Sensibilität und ein ständiges Hinterfragen des eigenen, unentwegten Strebens.

Beruflicher Erfolg lässt sich nicht im Alleingang erreichen, sondern erfordert Unterstützung durch andere. Dass ich Vizestudiendekanin geworden bin, und damit die erste weibliche Person in der Dekanatsebene der Fakultät für Architektur- und Raumplanung, habe ich einer Gruppe engagierter Frauen zu verdanken, die sich explizit dafür eingesetzt haben, etablierte Strukturen zu durchbrechen und weiblichen Kandidatinnen damit bessere Chancen zu ermöglichen.

Ja, die Benachteiligung als Frau war auf vielen Ebenen spürbar. Gesellschaftspolitische und berufliche Aspekte interagieren hierbei und können nicht getrennt voneinander betrachtet werden. Meinen Berufseinstieg an der TU begann ich über eine ausgeschriebene 20-Stunden-Stelle, die mir anfangs adäquat erschien, um Beruf und familiäre Betreuungspflichten vereinbaren zu können. Diese halbe Stelle erwies sich, wie für viele Frauen, als Falle, da es nur durch endlose, unbezahlte, Überstunden und Vielfachbelastung möglich war, alle Karriereanforderungen (Dissertation, Habilitation) zu erfüllen. Eine leistungsbezogene Förderung in Form von adäquaten Vollzeitstellen für MitarbeiterInnen, die alle Qualifikationskriterien vorbildlich erfüllen, wäre ein wichtiger Schritt, um Frauen aus prekären Beschäftigungsverhältnissen zu holen. Universitäten sollten hier eine Vorbildfunktion erfüllen.  

Diese Vereinbarkeit wird vor allem durch eines geschaffen: durch adäquate, der Qualifikation entsprechende, leistungsgerecht bezahlte Vollzeitstellen. Dadurch erst wird es möglich, sich auf die Forschung und Lehre zu konzentrieren und sich die dafür notwendige Kinderbetreuung auch leisten zu können.

Forschung und wissenschaftliches Arbeiten sind eine Leidenschaft, die zu einer Lebenseinstellung werden können. Beruf und Privates lassen sich dadurch nicht immer leicht trennen und deshalb ist es umso wesentlicher, dass sich Forschende an ihrer Forschungsinstitution aufgehoben, zugehörig und unterstützt fühlen. Es ist wichtig, sich die Institution, an der ein Karriereweg eingeschlagen wird, genau anzusehen und frühzeitig eventuelle Tücken des Systems (Hierarchien und Abhängigkeiten) zu erkennen. Engagement und das Erbringen herausragender Lehr- und Forschungsleistungen sind Voraussetzungen für eine wissenschaftliche Karriere. Vor allem Frauen sollten sich aber nicht darauf verlassen, dass Leistung und Engagement automatisch zu guten Stellen führen. Hier braucht es ein proaktives Auftreten, unterstützende Netzwerke und eine ausgeprägte Kommunikationskultur.