Technik ist männlich, der Ingenieur ist männlich und ein technisches Studium ist eine Sache für Männer. So hieß es für lange Zeit1 und so war auch die Technische Universität Wien historisch eine Männerbastion. Viel hat sich seither geändert und auch der Ausschluss der Frauen ist überwunden.

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Technik ist männlich*

Und dennoch zeigt sich, dass Frauen an der TU unterrepräsentiert  sind bei den Studierenden, aber auch bei jenen, die an der TU arbeiten, forschen und lehren. Offensichtlich wirkt die Geschichte nach und die TU hat ihren männlichen Charakter noch nicht abgestreift. Um dies zu ändern, lohnt es sich, den Blick auch auf Männer zu richten. Was bedeutet es, „Mann“ zu sein, in einer männlichen Institution wie der TU? Was erlebt Mann unter Männern und was können Männer tun, damit sich das Geschlechterverhältnis an der TU verändert?

Eine Gruppe von Männern, die an der TU Wien in unterschiedlichsten Funktionen und Bereichen tätig sind beschäftigten sich mit diesen Fragen im Rahmen eines Workshops, der im Frühling 2015 stattfand. Dieser Auseinandersetzungsprozess führte zu dem Filmprojekt „Männlichkeiten an der TU Wien - Zwischen Kooperation und Konkurrenz“, in dem gemeinsam mit fünf Workshopteilnehmern zentrale Erkenntnisse zur Frage des Mannseins an der TU Wien ausgelotet wurden.
 

Um diese Fragen zu beantworten, ist es wichtig zu erkennen, dass Geschlecht nicht etwas ist, was lediglich Frauen betrifft. Auch Männer folgen in ihrem Handeln bestimmten Erwartungen und Normen - was es bedeutet, ein „richtiger Mann“ zu sein, ist sozial geprägt. Stark zu sein, zielstrebig das eigene Ziel zu verfolgen und dabei austeilen aber auch mal einstecken zu können, gehört zu den Eigenschaften, die Männer auch heute noch ausmachen. Schon früh lernen Männer, dass diese Erwartungen an sie gestellt werden und sie sehen auch, welche Versprechen damit einhergehen: richtige Männer bekommen Anerkennung und Wertschätzung sowie Zugang zu Ressourcen und Macht. Aufgrund ihres Mannseins erhalten sie eine „patriarchale Dividende"2.

Doch Männlichkeit ist nicht naturgegeben. Sie muss erlernt, eingeübt und immer wieder bestätigt werden. Dies geschieht vor allem in Auseinandersetzung mit anderen Männern. Ob am Schulhof oder im Klassenzimmer, im Gasthaus oder dem Businessmeeting, unter Politikern oder Professoren: die soziale Welt der Männer ist geprägt von „ernsten Spielen des Wettbewerbs“3 in denen Männer sich aneinander Messen und voneinander lernen. Im partnerschaftlichen Kampf um Anerkennung, Erfolg und Macht, lernt „Mann“ die Tricks des Spiels: Angriff, Verteidigung, in Deckung gehen, Koalitionen bilden. Die ernsten Spiele schaffen Konkurrenz zwischen Männern, sie erzeugen aber auch Nähe und Loyalität unter den Teilnehmern. Männer treten zwar gegeneinander an, es kommt aber auch zu Verbrüderung: der andere ist Gegner aber gleichzeitig auch Partner in den ernsten Spielen der Männer. An der Universität wird freilich nicht mit Fäusten gekämpft und es gibt auch keine blauen Augen oder Nasenbeinbrüche. Die Mittel der Wahl sind Wort und Schrift: wer hat die bessere Idee? Wer setzt seine Meinung durch? Wer scheint mehr zu wissen und überzeugt durch Auftritt und Selbstpräsentation? Das Training, das Männer seit ihrer frühen Sozialisation mitbringen, kann ihnen hier behilflich sein. „Mann“ kennt das Spiel und schreckt nicht zurück, in die Konfrontation zu gehen. Schlimmer noch als die Niederlage wäre es, an den Spielen nicht teilzunehmen oder von ihnen ausgeschlossen zu werden. Denn selbst eine verlorene  Auseinandersetzung kann mitunter als Zeichen der eigenen Entschlossenheit verbucht werden. 

Die ernsten Spiele der Männlichkeit schaffen auch Nähe zwischen Männern. „Mann“ kennt sich und versteht sich. Leicht entsteht der Eindruck, dass das Spiel genau so gespielt werden muss, da es ja scheinbar schon immer so gespielt wurde und dass es am besten mit „Seinesgleichen“ gespielt wird. Ernste Spiele erhalten dadurch männerbündischen Charakter und werden zu Netzwerken, in denen Männer Wissen und Ressourcen austauschen und weitergeben. Nach innen eingeschworen und loyal, grenzen sich die Netzwerke nach außen ab4. Wer etwas erreichen und nach oben kommen will, kann das durch gute Leistung probieren. Doch ohne Verbindungen zu Mitgliedern der wichtigen Netzwerke kann das schwierig werden. Hat „Mann“ es hingegen geschafft, einen Förderer von sich zu überzeugen, stehen die Chancen gut, dass sich Türen öffnen und Möglichkeiten ergeben.

Männer sind per se keine homogene Gruppe – sie „ticken“ nicht gleich. Doch merken viele, die in den ernsten Spielen mitspielen und nach oben kommen wollen, dass sie sich anpassen müssen, um dazuzugehören und von den Strukturen zu profitieren. Eigenschaften und Sichtweisen, die in der Gruppe hochgehalten werden, werden übernommen und reproduziert. Was nicht ins Bild passt und zum Ausschluss führen könnte, wird verdeckt und verschwiegen. Zweifel und Kritik an den etablierten männlichen Umgangsformen werden ungern gesehen und „Mann“ weiß schnell, dass er diese besser für sich behält. Frauen sind freilich in besonderem Maße von männerbündischen Strukturen betroffen. Gelingt es ihnen, sich Zugang zu den wichtigen Netzwerken zu verschaffen, laufen sie dennoch stets Gefahr, dass sie aufgrund ihres Geschlechts als „anders“ markiert werden und ihre Arbeit nicht dieselbe Anerkennung findet wie jene der scheinbar „geschlechtslosen“ männlichen Kollegen.5 Und so wirkt auch auf sie der Druck, „one of the boys“ zu werden und sich anzupassen.

Die ernsten Spiele der Männer versprechen jenen Vorteile, die sich an die Regeln halten. Die Kosten dafür sind Einengungs- und Normierungsprozesse sowie Ausgrenzung und Abwertung dessen, was als anders oder fremd erscheint. Neben Frauen bekommen auch Männer diese Kosten zu spüren – etwa jene, die sich am unteren Ende der Hierarchie befinden und jene, die dem männlichen Ideal nicht entsprechen können oder wollen. Männlichkeit ist eine machtvolle Performance. Wie wir diese Geschlechterperformance anlegen, hat Konsequenzen für uns, unser Umfeld und die Räume in denen wir leben, studieren und arbeiten.

Doch das, was erlernt und habitualisiert6 wurde, kann auch verlernt werden. Eine andere Performance ist möglich. Das männliche Spiel muss nicht mitgespielt werden, ein Austritt aus dem Männerbund ist möglich. Sicherheiten und männliche Privilegien aufzugeben, erfordert Courage und Mut. Aber es gibt viel zu gewinnen, für alle Geschlechter.

 

1 Vgl. Tanja Paulitz (2012) Mann und Maschine. Eine genealogische Wissenssoziologie des Ingenieurs und der modernen Technikwissenschaften, 1850-1930. Bielefeld.
2 Vgl. Connell, Raewyn (2006) Der gemachte Mann. Konstruktion und Krise von Männlichkeiten. Wiesbaden.
3 Vgl. Bourdieu, Pierre (2005) Die männliche Herrschaft. Frankfurt am Main.
4 Vgl. Eva Kreisky (1999) Brüderlichkeit und Solidarität. Maskuline Fahnenworte einer politischen Ethik der Moderne, in: Alberto Godenzi (Hg.) Solidarität. Auflösung partikularer Identitäten und Interessen. Freiburg, S. 29 - 111.
5 Vgl. Diane Bebbington (2002) Women in Science, Engineering and Technology: A Review of The Issues. In: Higher Education Quaterly, 56 (4), S. 360-375.
6 Michael Meuser (2010) Geschlecht und Männlichkeit. Soziologische Theorie und kulturelle Deutungsmuster. Wiesbaden.


Infoblatt "Zwischen Kooperation & Konkurrenz: Mann-Sein an der TU Wien" , öffnet eine Datei in einem neuen Fenster

Infoblatt "Between cooperation and competition: being a man at TU Wien", öffnet eine Datei in einem neuen Fenster - englische Version


Männer: Angehörige der TU Wien
Idee und Konzept: Sabine Cirtek, Philipp Leeb, Paul Scheibelhofer
Stimmen: Schüler - Armin Širbegović (2. Klasse VS), Off-Stimme - Michael Kölbl
Musik: Boys Dont Cry, Norman Palm