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Wie CO2 vom Rauchfang ins Gewächshaus kommt

Im Forschungs-Projekt „ViennaGreenCO2“, wurde Kohlendioxid aus dem Rauchgas eines Biomasse-Kraftwerks abgetrennt, das dann als Pflanzendünger wiederverwertet werden kann.

CO2 soll genau dort, wo es anfällt, aus dem Abgasstrom gefiltert werden.

© Tobias Smith, Shoot Unit/Shell

CO2 soll genau dort, wo es anfällt, aus dem Abgasstrom gefiltert werden.

Wie kann man CO2 aus der Luft holen und auf sinnvolle Weise nutzen? Mit einer neuentwickelten Methode, dem sogenannten Temperaturwechseladsorptionsverfahren, wird das nun auf effiziente Weise möglich. Dabei gelangt CO2-haltiges Rauchgas in Kontakt mit speziell behandelten Partikeln, die CO2-Moleküle binden. Danach geben diese Partikel das CO2 auf kontrollierte Weise wieder ab. So entsteht ein hochreiner CO2-Gasstrom, der schließlich weiterverwendet werden kann. Erfolgreiche Tests der Methode wurden bereits durchgeführt. Shell plant, diese Technologie auch weiterhin im Rahmen von Partnerschaften für einen kommerziellen Einsatz weiter zu entwickeln.

CO2: Vermeiden, speichern oder nutzen?

CO2 wirkt als Treibhausgas in der Atmosphäre und trägt maßgeblich zur Klimakatastrophe bei. Österreich hat sich 2015 zum Klimaziel der Vereinten Nationen im Pariser Übereinkommen bekannt, die globale Erwärmung auf 1,5° C im Vergleich zu 1990 zu begrenzen. Das bedeutet auch eine drastische Reduktion unserer CO2-Emissionen bis hin zur Erreichung von Klimaneutralität bis 2050, d. h. die Nettotreibhausgasemissionen müssen bis dahin auf null abgesenkt sein.

Um dieses Ziel zu erreichen, wird es notwendig sein, unterschiedliche Wege zu beschreiten: Das größte Augenmerk liegt natürlich auf der Vermeidung von Treibhausgasen. Dennoch werden nicht alle CO2-Emissionen vermieden werden können. Die Abscheidung und anschließende Speicherung von CO2 (CCS – Carbon Capture and Storage) wird ebenfalls als Möglichkeit gesehen, um das CO2 nicht in der Atmosphäre wirksam werden zu lassen.

Allerdings wird CCS kontrovers diskutiert und ist mit einigen Unsicherheiten verbunden. In Österreich ist sie derzeit verboten. Einige Länder wie Norwegen oder die Niederlande sehen aber solche CO2-Speicher vor. Einen anderen Weg zeigt das Projekt ViennaGreenCO2, in dem ein innovatives Verfahren zur CO2-Abscheidung zur Anwendung kommt und das gewonnene CO2 zur weiteren Nutzung (CCU – Carbon Capture and Utilisation) vorgesehen ist. Die TU Wien hat dabei mit dem Klima- und Energiefonds sowie den Projektpartnern BOKU, LGV, lk-projekt, M-TEC, Shell und Wien Energie ein Verfahren umgesetzt, das aus Rauchgas gewonnenes CO2 als Dünger in Gewächshäusern nutzbar macht.

Partikel, die CO2 einfangen

Die Projektgruppe „Zero Emission Technologies“ an der Technischen Universität Wien forscht dafür seit 2015 gemeinsam mit der Universität für Bodenkultur an neuen Technologien im Bereich CCU. Im ViennaGreenCO2Projekt wird das CO2 direkt aus dem Abgas abgeschieden, das bei der industriellen Produktion oder auch bei der Energiegewinnung anfällt. Durch diesen „End of Pipe-Ansatz“ können bestehende Industrieanlagen in Zukunft leicht um ein CO2-Abscheidemodul ergänzt werden.

Neu entwickelt wurde dafür ein kontinuierliches Temperaturwechseladsorptionsverfahren (TSA). Es läuft in zwei gekoppelten Wirbelschichtkammern ab, zwischen denen hochporöse Partikel zirkulieren, deren Oberfläche mit Aminen angereichert sind. In der ersten Wirbelschichtkammer (Adsorber) strömt das Rauchgas der Industrieanlage bei etwa 40 bis 60° C durch die wirbelnden Partikel. Bei dieser Temperatur heftet sich das CO2 optimal an die Partikel an und das Abgas wird so weitgehend von CO2 gereinigt. Um nun das CO2 in verwendbarer Form zu erhalten, werden die mit CO2 beladenen Partikel in der zweiten Wirbelschichtkammer (Desorber) auf 105–120° C erhitzt und mit Wasserdampf als Spülgas behandelt. Dadurch wird das CO2 wieder abgegeben und die Partikel können regeneriert wieder in den Adsorber zurückgeleitet werden. Nach Kondensation und Trocknung erhält man den gewünschten, hochreinen CO2-Gasstrom.

Erfolgreiche Tests in Simmering

Der Vorteil dieses Verfahrens, verglichen mit bisher üblichen Verfahren, liegt in einer Kostensenkung bei der CO2-Gewinnung um bis zu 25 % pro Tonne CO2. Im Projekt ViennaGreenCO2 hat eine Pilotanlage auf dem Gelände des Biomasse-Kraftwerks der Wien Energie in Simmering eine erfolgreiche Kampagne von mehr als 1.000 Betriebsstunden absolviert und bis zu 700 kg CO2 pro Tag aus einem Rauchgasteilstrom des Kraftwerks gewonnen. Zudem konnte gezeigt werden, dass weit über 90 % des CO2 aus dem Rauchgas geholt werden können und das selbst bei CO2-Konzentrationen unter 4 Volumenprozent.

Die anschließenden Untersuchungen haben gezeigt, dass die Reinheit des gewonnenen CO2 alle Voraussetzungen für eine weitere Nutzung als Pflanzendünger in der Agrarwirtschaft erfüllt. Nach dem Abschluss des Projektes wird die Anlage in die Niederlande transferiert, wo Shell bereits länger mit Betreibern von Gewächshäusern zusammenarbeitet. Zudem ist geplant, die Technologie in industriellem Maßstab anzuwenden und weiterzuentwickeln.

 

Kontakt:

Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Hermann Hofbauer
Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und technische Biowissenschaften
Technische Universität Wien
Getreidemarkt 9/166, 1060 Wien
T +43 (1) 58801 - 166 300
hermann.hofbauer@tuwien.ac.at


Dipl.-Ing. Dr.techn. Stefan Müller
Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und technische Biowissenschaften
Technische Universität Wien
Getreidemarkt 9/166, 1060 Wien
T +43-1-58801-166366
stefan.mueller@tuwien.ac.at