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Was macht der Stickstoff in meinem Wasserglas?

Nitrat im Wasser kann gefährlich sein. An der TU Wien weiß man, was dagegen zu tun ist.

Vorsicht! Nitrat im Trinkwasser ist nicht ungefährlich.

Vorsicht! Nitrat im Trinkwasser ist nicht ungefährlich.

Vorsicht! Nitrat im Trinkwasser ist nicht ungefährlich.

Stickstoff ist ein wesentlicher Baustein des Lebens. Er macht einen Großteil unserer Luft aus (als N2-Molekül), und als Bestandteil von Proteinen ist er unerlässlich für jede lebende Zelle. Stickstoffverbindungen können aber auch gefährlich werden – in Form von Nitrat und Nitrit, das in Lebensmitteln und im Trinkwasser enthalten ist. An der TU Wien gibt es eine ganze Reihe von ExpertInnen, die sich mit dem Stickstoffkreislauf und mit Nitrat im Wasser beschäftigen.

Erstickungsgefahr für Babys
Besonders für Babys ist Nitrat schädlich: Bakterien der Darmflora wandeln Nitrat in Nitrit um – und dieses Nitrit kann dann das Hämoglobin im Blut so verändern, dass es nicht mehr für den Sauerstofftransport zur Verfügung steht. Im schlimmsten Fall erstickt das Kind innerlich. "Die Nitratbelastung ist daher eine wichtige Größe zur Beurteilung der Grundwasserqualität", erklärt Prof. Matthias Zessner-Spitzenberg vom Institut für Wassergüte, Ressourcenmanagement und Abfallwirtschaft. Verantwortlich für eine hohe Nitrat-Belastung ist meist die Landwirtschaft: Je intensiver sie betrieben wird, umso mehr stickstoffhaltige Düngemittel werden eingesetzt, und ein Teil dieses Stickstoffes findet in Form von Nitrat seinen Weg ins Grundwasser.

Wenig Nitrat im Bio-Gemüse
Heute gibt es strenge Grenzwerte für den Nitratgehalt im Trinkwasser. "Allerdings nehmen wir Nitrat nicht nur durch das Wasser auf", betont Prof. Norbert Kreuzinger, Biologe am Institut für Wassergüte. "Aufgrund der Düngung kann auch Gemüse mit Nitrat belastet sein." Bio-Gemüse enthält normalerweise deutlich weniger Nitrat, weil im Bio-Anbau die Düngung weniger intensiv ist. "In einem Praktikum mit Studenten konnten wir etwa bei konventionell angebautem Spinat das Zweihundertfache der Nitratkonzentration messen, die in Bio-Spinat festgestellt wurde", berichtet Kreuzinger. Das bedeutet aber nicht unbedingt, dass Bio-Anbau nur Vorteile hat.

Durch die Flüsse bis ins Meer
"Der weniger intensive Bio-Anbau erfordert größere Anbauflächen, was wieder andere Probleme mit sich bringt", meint Matthias Zessner-Spitzenberg. Er arbeitet an Computermodellen, mit denen man die Verbreitung von Stickstoffverbindungen im Wasser genauer versehen kann. Dabei geht es nicht nur um die Belastung des Grundwassers. Es sollen vor allem die Auswirkungen von Stickstoffverbindungen auf das Ökosystem studiert werden. "Für das Leben in unseren Flüssen spielt die Nitratbelastung eine nicht so bedeutende Rolle", meint Zessner. In unseren Fließgewässern ist eher die Phosphor-Konzentration entscheidend. Ganz anders sieht die Sache aber im Meer aus: Besonders im Schwarzen Meer kann eine hohe Nitratbelastung zu Algenblüten führen. Wenn Algen absterben und am Meeresgrund von Bakterien abgebaut werden, verbraucht dieser Abbauprozess viel Sauerstoff. Sinkt die Sauerstoffkonzentration im Wasser, wird das für Meerestiere gefährlich.

Moderne Kläranlagen bauen Nitrat ab
Wenn wir darauf achten, möglichst wenig Stickstoff in die Umwelt gelangen zu lassen, tragen wir also nicht nur zum Schutz unseres Grundwassers, sondern auch zum Schutz der Meere bei. Die ersten Kläranlagen entfernten hauptsächlich Kohlenstoffverbindungen aus dem Abwasser, doch seit 1996 ist es gesetzlich vorgeschrieben, auch den Stickstoff- und Phosphorgehalt zu reduzieren. "Das löste einen neuen Boom im Kläranlagenbau aus", sagt Markus Reichel. Er untersucht an der TU Wien, wie sich die biochemischen Vorgänge in Kläranlagen optimieren lassen. Das Nitrat, das in der Kläranlage aus dem stickstoffhaltigen Ammonium entsteht, wird schließlich in Wasser und molekularen Stickstoff (N2) zerlegt. Mehrere chemische Reaktionspfade müssen dabei ständig aufeinander abgestimmt werden. Keine leichte Aufgabe, weil die Stoffkonzentrationen in den Abwässern deutlich schwanken.

Metall statt Bakterien
Einen ganz anderen Weg beschreitet Karin Föttinger vom Institut für Materialchemie. Die biochemischen Prozesse, die in der Kläranlage mit Hilfe von Mikroorganismen ablaufen, kann man im Labor auch durch metallische Katalysatoren anregen. "In Spanien gibt es bereits erste Wasseraufbereitungsanlagen, in denen diese Methode in großem Maßstab angewandt wird", sagt Föttinger. Durch Nanostrukturen aus einem edlen und einem unedlen Metall kann das Nitrat zerlegt werden – Kupfer und Palladium oder Platin wird für diesen Zweck eingesetzt. Dadurch könnte – wenn das Rohwasser mit Nitrat belastet ist - eine Trinkwasseraufbereitung schneller durchgeführt werden als über den aufwändigen Weg der biologischen Nitratentfernung. Allerdings war man bei dieser Technologie bis heute eher auf Versuch und Irrtum angewiesen, viele Details der beteiligten chemischen Reaktionen werden erst jetzt genau untersucht.

In aufwendigen Messungen versucht Föttinger daher zu entschlüsseln, wie die Metall-Katalysatoren genau funktionieren. Einen Teil der nötigen Daten sammelte sie am Synchrotron des Paul-Scherrer-Instituts in der Schweiz.

Stabile Stoffkreisläufe für stabile Ökosysteme
Einen Umstieg von herkömmlichen biologischen Kläranlagen zu Metall-Katalysator-Kläranlagen wird es zwar so schnell nicht geben, doch die chemischen Untersuchungen erweitern das Spektrum an Möglichkeiten, mit denen wir für stabile, nachhaltige Stickstoffkreisläufe sorgen können. Solange es Menschen gibt, werden wir stickstoffhaltige biologische Abfälle produzieren, die es mit Sachverstand aufzubereiten gilt. Damit wir auch in Zukunft bedenkenlos unser Wasserglas austrinken können.