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Was heißt hier Intelligenz?

Der Informatiker Stefan Woltran im Portrait

Stefan Woltran

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Künstliche Intelligenz wird ein Teil unseres Alltags werden, davon ist der Informatiker Prof. Stefan Woltran überzeugt. Nur wird sie nicht in Form von Robotern in Erscheinung treten, die plötzlich die Weltherrschaft an sich reißen, oder als ein Computer, der plötzlich Bewusstsein erlangt und uns anbettelt, ihn nicht wieder auszuschalten. Künstliche Intelligenz werden wir in Form von kleinen alltäglichen Computeranwendungen nutzen, als intelligente Suchmaschinen, Reiseplanungs-Tools oder Online-Gesundheitsratgeber. Stefan Woltran verwendet unterschiedliche Methoden der formalen Logik um Wissen so zu repräsentieren, dass Computer möglichst intelligent damit umgehen können.

Was ist Intelligenz?
Wann finden wir einen Computer bloß klug programmiert, und wann gestehen wir ihm echte Intelligenz zu? Das ist vermutlich gar nicht die entscheidende Frage, meint Stefan Woltran: "Genauso gut könnte man fragen: Ist ein Flugzeug ein künstlicher Vogel?" Im Grunde ist die Antwort Geschmackssache, eine Diskussion darüber ist Wortklauberei.

Das Verhalten von Vogel und Flugzeug beruht auf den Gesetzen der Aerodynamik – insofern kann man durchaus einiges über Flugzeuge lernen, wenn man Vögel genau studiert. Doch dann gibt es Dinge wie Düsenantriebe oder Verbrennungsmotoren, die man sich nicht von der Natur abschauen kann. So ähnlich ist es mit Intelligenz und Logik, meint Stefan Woltran. Wenn wir analysieren, wie unser eigenes Denken funktioniert, kann man interessante Dinge erfahren. Doch wenn künstliche Intelligenz gewisse Aspekte der menschlichen Intelligenz nicht abdeckt und dafür andere Formen von Intelligenz zeigt, die uns Menschen fremd erscheinen, dann sollte uns das nicht stören. Vielleicht ist Maschinenintelligenz anders, als Intelligenz kann man sie trotzdem bezeichnen.

Verschiedene Logiken
Die klassische Logik kennt bloß wahre und falsche Aussagen. Das Gegenteil einer wahren Aussage ist falsch und umgekehrt. Damit kann man das mächtige Gebäude der modernen Mathematik errichten und unzählige Probleme lösen, doch für manche Einsatzzwecke ist diese Sichtweise nicht besonders praktisch. "Wir Menschen schaffen es, mit widersprüchlicher oder unvollständiger Information umzugehen, das ist unsere große Stärke", meint Stefan Woltran.

Manchmal lernen wir neue Dinge, die nicht zu den Regeln passen, die wir uns bisher zurechtgelegt haben: Vögel können fliegen, das wissen wir. Wenn wir dann einen Pinguin sehen, der nicht fliegen kann, bedeutet das nicht, dass wir diese Regel völlig verwerfen müssen. Mit so einem Widerspruch können wir als Menschen gut umgehen. Wir erschließen Information aus unvollständigen Daten: "Züge fahren stündlich, fünf Minuten nach der vollen Stunde." Aus dieser Regel leiten wir ab, dass um 16:33 kein Zug fährt. Doch von Zügen 33 Minuten nach der vollen Stunde war gar nicht die Rede.

Damit ein Computerprogramm ähnlich flexibel mit Daten umgehen kann wie ein Mensch, muss man über die klassische Logik hinausgehen und mit anderen, komplizierteren Logiken arbeiten. Davon gibt es mittlerweile viele: Man kann Logiken definieren, in denen das Gegenteil einer wahren Aussage nicht automatisch falsch ist, es gibt Logiken, in denen auch Wahrheitswerte zwischen richtig und falsch erlaubt sind, oder in denen sich der Wahrheitsgehalt mit der Zeit verändert, wie etwa bei der Aussage "ich bin hungrig".

"Die unterschiedlichen Logiken sind für uns heute ein großer Werkzeugkasten, aus dem wir die passende Methode für ein bestimmtes Problem auswählen können", erklärt Stefan Woltran. Manche Fragen lassen sich ganz eindeutig beantworten – etwa: Ist der Eiffelturm höher als das Empire State Building? Dafür reicht klassische Logik aus. Um Suchmaschinen zu entwickeln, die komplexeres Wissen verarbeiten können, braucht man hingegen aufwändigere logische Werkzeuge – zum Beispiel für die Frage "Was sind die wichtigsten Argumente, um Einwände gegen die Gesundheitsreform von Barack Obama zu entkräften?" oder für die Frage nach der wahrscheinlichsten Diagnose bei einer Liste widersprüchlicher Krankheitssymptome. In diesem Bereich schreitet die Entwicklung schnell voran.

Manche Aufgaben, für die man heute menschliche Intelligenz benötigt, werden in Zukunft auch von Maschinen bearbeitet werden können, das wird auch Auswirkungen auf die Arbeitswelt haben.
Wenn große Mengen an Information aus unterschiedlichen Quellen in einer Datenbank zusammengeführt werden, dann ergeben sich oft Lücken oder Widersprüche. Mit den logischen Methoden, die Stefan Woltran entwickelt, kann man damit trotzdem präzise umgehen. Für die Hardware- und Softwareindustrie spielen logische Methoden heute eine wichtige Rolle. Alternativ zu den Methoden der Logik kann man auch statistische Verfahren oder neuronale Netze verwenden, die komplizierte Probleme zwar nicht immer aber oft doch mit hoher Wahrscheinlichkeit lösen können. "Das ist nützlich, aber oft will man doch einen sauberen, mathematischen Beweis haben", meint Woltran. "Wenn es um die Steuerungssoftware der ISS geht, will man sich nicht nur auf Statistik verlassen müssen."

Vom Dorf in die Stadt
Stefan Woltran wuchs in Katzelsdorf in Niederösterreich auf und interessierte sich schon früh für Informatik. Er besuchte die HTL in Wiener Neustadt und studierte dann an der TU Wien. Sein Weg zur formalen Logik ergab sich dann eher zufällig. "Ich habe mich für Datenbanken interessiert, und dachte eigentlich, ich würde nach dem Studium in die Wirtschaft gehen", erzählt er. "Doch dann wurde mir eine Diplomarbeit über Aussagenlogik angeboten, und dieses Thema hat mich dann nie mehr losgelassen."

Am Institut für Informationssysteme der TU Wien wurde er Universitätsassistent, 2003 promovierte er, 2008 folgte die Habilitation. 2013 wurde er Associate Professor im Arbeitsbereich für Datenbanken und künstliche Intelligenz, arbeitete zwischendurch als Vertretungsprofessor an der Universität Leipzig, seit Februar 2015 ist er ordentlicher Professor an der TU Wien. In seiner kurzen Karriere hat er bereits mehrere Preise gewonnen, darunter den START-Preis des FWF 2013.

In seiner Jugend war Stefan Woltran auch in der Regionalpolitik aktiv, dafür fehlt im heute die Zeit. Trotzdem trifft man ihn nicht bloß am Arbeitstisch, sondern durchaus auch an Orten, an denen es weniger logisch zugeht, etwa im Fußballstadion oder im Theater. "Ich sehe einfach gerne Leuten zu, die Dinge machen, die sie richtig gut können", sagt Stefan Woltran. Daran wird auch die künstliche Intelligenz nichts ändern. Gerade Schauspieler und Fußballer gehören wohl zu den Berufsgruppen, die sich ziemlich sicher auch in Zukunft nicht durch intelligente Computer ersetzen lassen.