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Von Flugzeugen und Atomen

Ganz unterschiedliche Größenskalen spielen im Leichtbau eine Rolle. Prof. Franz Rammerstorfer verknüpft sie – von der makroskopischen Welt bis zur Ebene der Moleküle. Nun wurde er mit der Kaplan-Medaille ausgezeichnet.

Prof. Franz Rammerstorfer

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Prof. Franz Rammerstorfer

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Die bisherigen Träger der Kaplan-Medaille und der Dekan: Bruno Grösel, Franz G. Rammerstorfer, Alfred Kluwick, Detlef Gerhard (v.l.n.r)

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Die bisherigen Träger der Kaplan-Medaille und der Dekan: Bruno Grösel, Franz G. Rammerstorfer, Alfred Kluwick, Detlef Gerhard (v.l.n.r)

Die bisherigen Träger der Kaplan-Medaille und der Dekan: Bruno Grösel, Franz G. Rammerstorfer, Alfred Kluwick, Detlef Gerhard (v.l.n.r)

Übergewicht ist niemals gut, schon gar nicht, wenn man Autos, Flugzeuge oder Raumfahrzeuge entwickelt. Wenn es gelingt, das Gewicht eines Fahrzeugs zu reduzieren, senkt man damit den Treibstoffverbrauch, spart Geld und schont die Umwelt. Gleichzeitig sollen die Bauteile möglichst stabil und belastbar sein. In der Leichtbautechnik versucht man beides zu vereinen – geringe Masse und optimale Festigkeitseigenschaften.

Prof. Franz Rammerstorfer vom Institut für Leichtbau und Struktur-Biomechanik der TU Wien erreicht das, indem er verschiedene Betrachtungsebenen miteinander verknüpft, die auf den ersten Blick weit voneinander entfernt scheinen: Er verbindet den makroskopischen Blick auf große Bauteile mit dem mikroskopischen Blick auf einzelne Materialfasern oder gar atomare Strukturen.

Die Fakultät für Maschinenwesen und Betriebswissenschaften verlieh nun die Fakultätsmedaile (Kaplan-Medaille) an Prof. Franz Rammerstorfer für sein außerordentliches Engagement und seine Verdienste im Sinne der Fakultät neben seinen herausragenden wissenschaftlichen Leistungen.

Klein und groß
„Wenn man ein Zahnrad aus Metall konstruiert, dann stellt man sich für eine Berechnung der Beanspruchungen im Betrieb das Material meist homogen vor, als hätte es keine innere Struktur“, sagt Franz Rammerstorfer. „Aber bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass das nicht stimmt. Das Metall ist polykristallin, und das ist mit ein Grund für seine mechanischen Eigenschaften.“

Rammerstorfer hat mit seinen Kolleginnen und Kollegen, beginnend mit seiner Berufung Anfang der 1980-er Jahre eine hierarchische Modellierungsstrategie entwickelt, mit der sich Festigkeitseigenschaften von Bauteilen auf ganz unterschiedlichen Ebenen untersuchen lassen. Die Wand einer Flugzeugkabine zum Beispiel ist ein makroskopisches Objekt, das man mit ganz bestimmten Materialparametern charakterisieren kann. Wenn man nach einer tieferen Erklärung für diese Materialparameter sucht, muss man einen Blick auf die mesoskopische Ebene werfen – darunter versteht Rammerstorfer eine Größenskala im Millimeter- bis Zehntelmillimeter-Bereich. Doch auch das genügt noch nicht. Phänomene auf dieser Skala, etwa die Ausbildung von winzigen Welligkeiten oder Bildung von kleinen Spalten, die bei großer Belastung auftreten, kann man wiederum erklären, indem man einen weiteren Schritt nach unten macht und einen Blick auf die Mikro-Ebene wirft. „Auf der Größenordnung von zehn bis zwanzig Mikrometern können wir zum Beispiel das Zusammenwirken einzelner in eine Matrix eingebetteter Kohlenstofffasern studieren, wie dies in modernen Verbundwerkstoffen eine große Rolle spielet“, sagt Rammerstorfer.  Und die Eigenschaften dieser Objekte auf dieser Mikro-Ebene lassen sich letztendlich durch die Nano-Ebene erklären – hier ist man endgültig auf der Größenskala der Moleküle und Atome angelangt.

Die Natur als Ingenieurin
All diese Ebenen lassen sich individuell studieren, aber sie sind alle auf subtile Weise miteinander verbunden. Auch bei biologischen Materialien gibt es solche hierarchischen Strukturen: Unsere Knochen, der Panzer eines Käfers oder die sensiblen Beine einer Spinne verdanken ihre Eigenschaften dem komplexen Zusammenspiel verschiedener Phänomene auf unterschiedlichen Größenskalen. „Oft stellt man fest, dass die Natur ganz ähnliche Lösungen hervorgebracht hat, wie sie sich auch Ingenieure im Leichtbau ausdenken – und umgekehrt: Wir können als Ingenieure aus der Natur viele Inspirationen gewinnen, wenn wir genau hinschauen“, sagt Franz Rammerstorfer.

Prof. Rammerstorfer hat von 1968-1973 an der damaligen TH Wien Maschinenbau studiert und nach seinem Diplom als Universitätsassistent am Institut für Allgemeine Mechanik bei den Prof. Franz Ziegler und Heinz Parkus im Jahr 1976 promoviert. Nach seiner anschließenden Industrietätigkeit bei der VOEST-Alpine in Linz und der Habilitation in Mechanik 1982 an der TU Wien erhielt er 1983 einen Ruf als Professor für Leichtbau und Flugzeugbau an der TU Wien. Von 1998-2007 war er Vizerektor für Forschung. „Die über 33-jährige Tätigkeit als Professor an der TU Wien ist Zeugnis einer beeindruckenden wissenschaftlichen Laufbahn, die ein Aushängeschild für die Fakultät für Maschinenwesen und Betriebswissenschaften darstellt“, sagt Dekan Prof. Detlef Gerhard.