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Schneller als Blitzschnell

Junger Physiker der Technischen Universität (TU) Wien entwickelt mit KollegInnen einen Mechanismus zur Erzeugung von Lichtpulsen im Yoctosekunden-Bereich.

TU-Physiker Andreas Ipp

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TU-Physiker Andreas Ipp

TU-Physiker Andreas Ipp

Abb. 1: Kollision von Schwerionen in einer großen Beschleunigeranlage (schematisch), bei der unter bestimmten Bedingungen Doppelblitze von einigen Yoktosekunden Dauer abgestrahlt werden. (c) MPI für Kernphysik Heidelberg)

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Abb. 1: Kollision von Schwerionen in einer großen Beschleunigeranlage (schematisch), bei der unter bestimmten Bedingungen Doppelblitze von einigen Yoktosekunden Dauer abgestrahlt werden. (c) MPI für Kernphysik Heidelberg)

Abb. 1: Kollision von Schwerionen in einer großen Beschleunigeranlage (schematisch), bei der unter bestimmten Bedingungen Doppelblitze von einigen Yoktosekunden Dauer abgestrahlt werden. (c) MPI für Kernphysik Heidelberg)

Abb. 2: Zeitliche Entwicklung des Quark-Gluon-Plasmas. Die beiden als farbige Scheiben dargestellten Ionen kollidieren entlang der Stoßachse (schwarzer Doppelpfeil). Bild (a) zeigt den Zeitpunkt unmittelbar nach der Kollision. Das Plasma (oranger Bereich) strahlt durch gewellte Pfeile angedeutetes Licht in alle Richtungen aus, so dass ein erster Puls in Richtung des Detektors (grüner Halbkreis) entsteht. (b) Nach einiger Zeit bewirkt die innere Dynamik des Plasmas, dass das Licht bevorzugt senkrecht zur Flugrichtung der Ionen abgestrahlt wird. In Richtung des Detektors, der dicht bei der Stoßachse aufgestellt ist, wird in dieser Zeit kein Licht ausgesandt. In (c) strahlt das Plasma wieder in alle Richtungen, so dass der zweite Puls in Richtung des Detektors emittiert wird. (c) MPI für Kernphysik Heidelberg)

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Abb. 2: Zeitliche Entwicklung des Quark-Gluon-Plasmas.

Abb. 2: Zeitliche Entwicklung des Quark-Gluon-Plasmas. Die beiden als farbige Scheiben dargestellten Ionen kollidieren entlang der Stoßachse (schwarzer Doppelpfeil). Bild (a) zeigt den Zeitpunkt unmittelbar nach der Kollision. Das Plasma (oranger Bereich) strahlt durch gewellte Pfeile angedeutetes Licht in alle Richtungen aus, so dass ein erster Puls in Richtung des Detektors (grüner Halbkreis) entsteht. (b) Nach einiger Zeit bewirkt die innere Dynamik des Plasmas, dass das Licht bevorzugt senkrecht zur Flugrichtung der Ionen abgestrahlt wird. In Richtung des Detektors, der dicht bei der Stoßachse aufgestellt ist, wird in dieser Zeit kein Licht ausgesandt. In (c) strahlt das Plasma wieder in alle Richtungen, so dass der zweite Puls in Richtung des Detektors emittiert wird. (c) MPI für Kernphysik Heidelberg)

Der Weltrekord für die Erzeugung der kürzesten Lichtpulse könnte schon bald dramatisch unterboten werden: Der Physiker Andreas Ipp von der Technischen Universität (TU) Wien und seine Kollegen vom Max-Planck-Institut für Nuklearphysik in Heidelberg schlagen eine Methode vor, millionenfach kürzere Lichtblitze zu erzeugen als das bisher möglich war. Damit könnte man die Tür zu völlig neuen physikalischen Experimenten aufstoßen. Gelingen soll das mit Hilfe eines Quark-Gluon-Plasmas, eines ultraheißen Materiezustandes, wie er in unserem Universum Sekundenbruchteile nach dem Urknall geherrscht hat. Vorgestellt wird diese neue Methode im Fachmagazin Physical Review Letters (Andreas Ipp, Christoph H. Keitel, Jörg Evers).

Die kürzesten Blitze aus der größten Hitze

Die Erzeugung immer kürzerer Lichtpulse ist für die moderne Atom- und Molekülphysik von großer Bedeutung. Nur durch ultrakurze Lichtblitze kann man quantenphysikalische Phänomene studieren, die so schnell ablaufen, dass sie für jede andere Untersuchungsmethode unsichtbar bleiben. Bisher wurden die kürzesten Lichtpulse erzeugt, indem man Atome mit Laserstrahlen beschoss, deren Energie in Form kurzer Lichtblitze wieder abgegeben wurden. Die nun vorgeschlagene Methode geht völlig andere Wege: „Lässt man schwere Ionen beinahe mit Lichtgeschwindigkeit kollidieren, bilden sie für einen winzigen Sekundenbruchteil ein Quark-Gluon-Plasma, das als Lichtquelle für ultrakurze Pulse dienen kann“, erklärt Andreas Ipp vom Institut für Theoretische Physik der TU Wien. In einem Quark-Gluon-Plasma, dem Zustand, in dem sich die Materie kurz nach dem Urknall befand, ist die Temperatur so hoch, dass selbst Protonen und Neutronen in ihre Bestandteile "aufgeschmolzen" werden. Die winzigsten Bauteile der Materie – Quarks und Gluonen – bewegen sich dann wirr durcheinander. Heute kann dieser Materiezustand in großen Beschleunigeranlagen, etwa am CERN, experimentell hergestellt werden.

Yoctosekunden – Milliardstel eines Milliardstels einer Millionstelsekunde

Während der extrem kurzen Zeit, in dem sich die Ionen bei der Kollision im Quark-Gluon-Plasma-Zustand befinden, können sie Lichtteilchen aussenden. Die Blitze, die dabei entstehen, dauern nur einige Yoctosekunden (10-24 Sekunden) lang. Das ist etwa die Zeit, die das Licht benötigt, um einen Atomkern zu durchqueren. Solche Zeitskalen sind mit menschlichen Maßstäben kaum zu beschreiben: Die Länge des Pulses verhält sich zu einer Tausendstelsekunde etwa so wie eine Tausendstelsekunde zum Alter des Universums. Die Lichtpulse sind zwar nicht besonders energiereich, aber weil sie alle ihre Energie in einem einzigen winzigen Augenblick abgeben, erreichen sie in dieser kurzen Zeit eine Leistung von mehreren Terawatt – vergleichbar mit der Leistung aller Kraftwerke der Erde zusammengenommen.

Zusammenstoß im Computer

Die WissenschafterInnen simulierten den zeitlichen Ablauf eines Ionenzusammenstoßes und der damit verbundenen Lichtpulse am Computer. „Besonders interessant ist, dass das Quark-Gluon-Plasma nicht in jeder Phase der Kollision in die selben Richtungen abstrahlt“, betont Andreas Ipp. Zu Beginn und am Ende der Kollision leuchtet das Quark-Gluon-Plasma überall hin – doch dazwischen wird Licht fast nur im rechten Winkel zur Stoßrichtung abgestrahlt. Direkt in Stoßrichtung sendet das Quark-Gluon-Plasma also hauptsächlich am Anfang und am Ende des Zusammenstoßes Strahlung aus – ein Doppelpuls entsteht. Durch geeignete Wahl der Stoßrichtung und der Stoßgeschwindigkeit sind diese Doppelpulse im Prinzip steuerbar. "Vielleicht gelingt es eines Tages, mit solchen kontrollierten Yoctosekunden-Doppelpulsen das erste Zeitlupenvideo von Prozessen innerhalb von Atomkernen zu filmen" hofft Andreas Ipp.

Dr. Andreas Ipp
Andreas Ipp hat an der TU Wien Technische Physik studiert und dort 2004 das Doktorat erlangt. Von 2004 bis 2006 war er am ECT Trento, Italien als Forscher tätig, und von 2006 bis 2009 am Max Planck Institut für Kernphysik in Heidelberg, wo er gemeinsam mit Kollegen seine Berechnungen über Yoctosekundenpulse durchführte. Seit 1. Oktober 2009 ist er wieder am Institut für Theoretische Physik an der TU Wien tätig.

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Rückfragehinweis:
Dr. Andreas Ipp
Technische Universität Wien
Institut für Theoretische Physik
Wiedner Hauptstr. 8-10/136
A-1040 Wien
T: +43 1 58801 13637
ipp@hep.itp.tuwien.ac.at

Kontakt am MPI Heidelberg:
PD Dr. Jörg Evers
Max-Planck-Institut für Kernphysik
Saupfercheckweg 1
D-69117 Heidelberg
T: +49 6221 516-177
F: +49 6221 516-152
joerg.evers@mpi-hd.mpg.de

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