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Schahram Dustdar – Professor für Internet Technologien am Institut für Informationssysteme

Kontext-abhängige Systeme, die sich ständig dynamisch anpassen und anderen Systemen relevante Software Services und Informationen anbieten, spielen in komplexen Systemen eine immer zentralere Rolle. Beispielsweise müssen in Katastrophenfällen, Einsatzkräfte und Rettungsteams zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Um sie dabei zu unterstützen und zu steuern, arbeitet Schahram Dustdar an der Weiterentwicklung service-orientierter Informationssysteme, die über PDA’s dynamische Prozesse der Teams lenken können. Darüber hinaus setzt er sich für die internationale Ausrichtung und Positionierung der TU Wien ein.

Werdegang

Sein Interesse an der Informatik begann in der fünften Klasse des Gymnasiums, wo er das Freifach EDV belegte und sich bald für das Programmieren begeisterte. 1985 inskribierte er sich an der Johannes-Kepler-Universität Linz für das Fach Wirtschaftsinformatik, das er in Mindeststudienzeit abschloss und arbeitete dort als Studienassistent. Im Rahmen seiner Diplomarbeit beschäftigte sich Dustdar mit dem Thema „Computer-aided Software Engineering“. Im Anschluss absolvierte er sein Doktoratsstudium, das er im Jahr 1992 abschloss. „Kurz vor Abschluss meines Doktorrats habe ich mich sehr stark an der Praxis orientiert und begann den zentralen Informatikdienst (ZID) an der Kunstuniversität Linz zu leiten“, erzählt Dustdar. Im Zuge dieser Tätigkeit baute er die technische Infrastruktur auf und konnte bereits Zielvorgaben für die Lehre im Bereich Computersimulation, -animation und –graphik machen.

Während dieser Zeit nahm Dustdar zwei „sabbaticals“ (Auszeit, Freistellung) in Anspruch. Zum einen nutzte er die Zeit für einen Forschungsaufenthalt mit einem Erwin-Schrödinger Stipendium am Information Systems Department der international renommierten „London School of Economics“, wo er auch ein Buch veröffentlichte. 1998 ging er zu den NTT Multimedia Labs nach Palo Alto, Kalifornien. Nach den Auslandsaufenthalten entschloss sich Dustdar 1999 eine eigene Softwarefirma mit dem Namen „Caramba Labs Software AG“ zu gründen. Er wechselte von Linz nach Wien und akquirierte Venture Capital zur Firmengründung. Die Firma hat 2001 und 2002 einige internationale und österreichische Preise für Start-up Unternehmen gewonnen, zum Beispiel den „World Technology Award“ in der Kategorie Software (2001), den Preis „Top-Startup companies“ in Österreich (Cap Gemini Ernst & Young, 2002) und den „MERCUR Innovationspreis“ der Wirtschaftskammer (2002).

Nach seiner Tätigkeit als Leiter des ZID der Kunstuniversität Linz und dem Verkauf seiner Firma, wechselte er im Jahr 2001 an die TU Wien, die er als seine erste Anlaufstelle in Wien bezeichnet. Dustdar: „Zu diesem Zeitpunkt habe ich mich wieder vermehrt meinen Forschungsinteressen widmen wollen. So begann ich meine Arbeit als Universitätsassistent und habilitierte mich 2003 im Bereich prozessorientierter Kollaborationssysteme.“ Anfang des Jahres 2005 erhielt er den Ruf als ordentlicher Professor an die Universität Groningen (Niederlande), den Dustdar jedoch nicht annahm. Seit dieser Zeit hält er dort eine Honorarprofessur. Im Juli 2005 wurde Dustdar als Professor für Internet Technologien am Institut für Informationssysteme der TU Wien berufen.

Forschungsschwerpunkte: „Service-oriented computing“ und „Autonomic context computing“
 
Schahram Dustdar beschäftigt sich derzeit in erster Linie mit zwei großen Forschungsbereichen. „Im Forschungsbereich 'verteilte Systeme' geht es oft darum, große, Internet-skalierbare, komplexe Systeme zu bauen. Es gibt dafür im Prinzip zwei Herangehensweisen“, so Dustdar. „Zum einen den 'top-down Ansatz', die modellgetriebene Entwicklung und zum anderen den 'bottom-up' Ansatz, den wir als autonomic, context-aware composition bezeichnen.“ Der Forschungsansatz mit dem sich Dustdar besonders eingehend auseinandersetzt, sind service-orientierte Informationssysteme oder „service-oriented computing“. Software kann über bestimmte Mechanismen im Internet angeboten und gefunden werden, um dann mit anderen Software Services verknüpft zu werden. So hat man die Möglichkeit komplexe Systeme quasi nach dem „Legoprinzip“ zusammenzubauen. Dustdar betont, dass sich hier sehr spannende Forschungsfragen ergeben, je nachdem welchen Ansatz man heranzieht: den modellorientierten oder eine andere Möglichkeit, wie man die Services findet und miteinandner verknüpft. Die Frage, wie diese Services in die bestehende Infrastruktur eingebaut werden können, wird ebenfalls behandelt. Dustdar: „Das Stichwort heißt hier 'autonomic context computing'. In weiterer Folge setzen wir uns damit auseinander, wie sich diese Software Services kontextabhängig anpassen können.“ Sie sollen sich auf einen bestimmten Arbeitskontext hin adaptieren. „Wenn ich, wie beispielsweise einer unserer Forschungspartner, die Forschungsabteilungen auf allen Kontinenten verteilt habe und ein (virtuelles) Projekttreffen zu einem bestimmten Projekt-Meilenstein einberufen möchte, ist das eine sehr zeitraubende und schwierige Aufgabe: Man muss möglichst schnell die richtigen Leute, zur passenden Zeit inklusive der passenden Dokumente organisieren. Wir haben zusammen mit unseren Partnern HP und Microsoft im EU-Projekt INCONTEXT neue Konzepte erarbeitet und einen Prototypen gebaut, der diesen zeitraubenden Prozess zu einem großen Teil automatisieren kann."

Nach den Brandkatastrophen im Sommer 2007 ist das Katastrophenmanagement stark in den Vordergrund des öffentlichen Interesses getreten. In einem EU-Projekt  beschäftigen wir uns mit der Entwicklung von stark verteilten Systemen und sogenannten „Peer-to-Peer-Systemen“, die ein optimales Einsetzen von Einsatzkräften und Rettungsteams im Katastrophenfall ermöglichen. „Hier wird mit PDA’s eine vernetzte und dynamische Infrastruktur aufgebaut, da in einem Katastrophenfall nicht von einer funktionsfähigen Netzwerkinfrastruktur ausgegangen werden kann. Wir wollen die Rettungsteams, Feuerwehr und Polizei unterstützen und ihnen helfen, die beteiligten Teams und Personen dynamisch und über die jeweiligen Organisationsgrenzen hinweg zu koordinieren. Dies wird hauptsächlich durch Softwaresensoren und dynamische Prozessengines ermöglicht. Das ganze System muß natürlich sehr adaptiv sein, da sich die Situation permanent ändert“, erläutert Dustdar.

Internationale Ausrichtung


„Ich lege besonderen Wert darauf, dass sich die Studierenden im Bereich verteilter Systeme und Internet Technologien gut auskennen. Dazu gehört auch, dass man in der Lage ist, solche verteilten Systeme zu entwerfen und zu programmieren. Wir haben eine anwendungsorientierte und nicht rein theoretische Ausrichtung in der Forschung und Lehre. Dadurch finden StudentInnen leichter Zugang zur Forschungsarbeit und lassen sich vom „Virus“ der Begeisterung für die Forschung anstecken. Es ist schön zu sehen, wie man das Interesse wecken und die Ausrichtung des Studiums positiv beeinflussen kann und so den MitarbeiterInnen eine Möglichkeit gibt, sich zu entfalten“, sagt Dustdar. An der TU Wien schätzt er unter anderem besonders die Qualität der Informatikfakultät, die engagierten KollegInnen sowie die zunehmend internationale Ausrichtung der TU, die Dustdar als einen wesentlichen Faktor für die Forschung in Österreich und die wissenschaftliche Zusammenarbeit österreichischer Institutionen mit internationalen Partnerinstituten hervorhebt. „Es ist eine Chance für uns, uns international noch besser zu positionieren und eine fruchtbare Zusammenarbeit mit anderen Forschungseinrichtungen aber auch mit der Industrie aufzubauen. Wir haben auch an unserem Institut einige internationale MitarbeiterInnen und wir bekommen laufend Anfragen aus dem Ausland. InteressentInnen, die zum Teil von sehr guten Instituten kommen und die ihre Doktorarbeit an der TU Wien schreiben wollen, sowie GastforscherInnen und Gastvortragende aus aller Welt“, so Dustdar.

Private Seite und Ausblick

Privat interessiert sich der fröhliche Linzer mit persischen Wurzeln für Musik und bezeichnet sich selbst als großen Jazzfan. Er beschäftigt sich mit Philosophie, liest gerne und begeistert sich für Kunst und Kultur. Im Rahmen von großen Konferenzen hat er immer wieder Gelegenheit die entferntesten Winkel der Erde kennenzulernen, wie zuletzt bei einer Tagung in Szechuan, China.
Er erklärt, seine inhaltlichen Ziele kontinuierlich zu beobachten, den Erfolg seiner Arbeit zu bewerten und seine Forschung auch immer wieder an die bestehenden Bedürfnisse anzupassen. So habe er in den ersten beiden Jahren seiner Tätigkeit die Grundinfrastruktur in den Bereichen Forschung und Lehre aufbauen können. Nun gehe es darum, die Softwareprototypen verstärkt miteinander zu verknüpfen und die Forschungsagenda und –ergebnisse nach außen zu tragen. Dustdar: „Unsere Philosophie lautet – neben den wissenschaftlichen Publikationen in Journalen und Konferenzen - die entwickelte Software in Form von Prototypen auch online zur Verfügung zu stellen und somit auch global präsent zu sein. So kann jeder sehen und besser verstehen, was wir hier machen.“