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Nachruf: Walter Kohn

Die TU Wien trauert um den Prof. Walter Kohn, Nobelpreisträger für Chemie und TU-Ehrendoktor.

Walter Kohn (9.3.1923, Wien – 19.4.2016, Santa Barbara)

Walter Kohn (9.3.1923, Wien – 19.4.2016, Santa Barbara)

Walter Kohn (9.3.1923, Wien – 19.4.2016, Santa Barbara)

Für alle, die Walter Kohn auch persönlich kannten, ist es kaum vorstellbar, dass er nicht mehr unter uns ist. Seine wegweisenden Beiträge zur modernen Physik, von der Kohn-Anomalie bis zur Dichtefunktionaltheorie, haben das Tor zu einem neuen und tiefen Verständnis der elektronischen Struktur von Molekülen und Festkörpern geöffnet. Wie Wenigen vor ihm und nach ihm ist es gelungen zu zeigen, "was die Welt im Innersten zusammenhält".

Walter Kohn wurde 1923 in eine großbürgerliche jüdische Familie geboren und verbrachte seine Kindheit in Mariahilf, wo er auch die Volkschule in der Gumpendorferstraße besuchte. Seine weitere Ausbildung begann er am Wiener Akademischen Gymnasium, das er jedoch nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten verlassen musste, um in das jüdische Gymnasium in der Leopoldstadt zu wechseln. Walter Kohn sprach von seiner Zeit im Akademischen-, als auch im Chajes-Gymnasium immer mit besonderer Dankbarkeit für die hohe Qualität der Ausbildung, die ihm dort vermittelt wurde.

Mit einem der letzten Kindertransporte gelang Walter und seiner Schwester die Flucht nach England, seine Eltern blieben zurück und wurden in Theresienstadt ermordet. An sie erinnert heute ein "Stolperstein" vor dem Haus Theobaldgasse 7.

Als gerade 15 jähriger “enemy alien” wurde Walter zuerst in eine Gärtnerlehre gesteckt und dann wenig später nach Canada in ein Auffanglager deportiert, wo er als Holzfäller arbeitete. Die geringen Möglichkeiten zu weiteren Bildung, die in den Lagern angeboten wurden, nutze er nach Kräften, insbesondere in der Mathematik. Es gelang ihm, an der Universität von Toronto angenommen zu werden. Da er als "Deutscher" jedoch aus Sicherheitsgründen nicht zum Chemiestudium zugelassen wurde, entscheid er sich für Physik und Mathematik. Nach seinem Abschluss wechselte er nach Harvard, wo er bei Julian Schwinger seine Dissertation schrieb und 1948 promovierte.

Seine weitere Karriere führte ihn an die Carnegie-Mellon University, wo er mit Joaquin M. Luttinger arbeitete. 1960 wechselte er an die neu gegründete University of California, San Diego, wo er bis 1979 blieb. Danach folgte er einer Einladung als Gründungsdirektor des neuen "Institute for Theoretical Physics" in Santa Barbara, wo er 1984 eine Professur am Institute of Physics annahm, eine Position, die er bis an sein Lebensende ausfüllte.

Für seine Arbeiten wurde Walter Kohn eine große Zahl von nationalen und internationalen Auszeichnungen verliehen. Darunter auch das Ehrendoktorat der TU Wien im Jahr 1996. Für die Formulierung der Dichtefunktionaltheorie gemeinsam mit Pierre Hohenberg und Lu Sham wurde ihm 1998 der Nobelpreis für Chemie zuerkannt.

Walter Kohn war aber nicht nur ein brillanter Physiker er war auch ein typischer Vertreter der vom Aussterben bedrohten Spezies von umfassend gebildeten Menschen, ein Polyhistor im besten Sinn. Er konnte mit dem gleichen Enthusiasmus über bildende und darstellende Kunst über Literatur und Geschichte, wie über Physik sprechen. Immer wieder hat er betont, dass er trotz seines Schicksals den Glauben an die Menschheit nicht verloren hat, sein tief verwurzelter Humanismus hat ihn  davor bewahrt.