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Myon-Magnetismus: Hinweise auf „neue Physik“?

Die Spannung ist groß: Am 7. April um 17:00 Uhr werden lang erwartete Messergebnisse über das magnetische Moment von Myonen bekanntgegeben. Auch an der TU Wien wird daran intensiv geforscht.

Myonen kann man in sogenannten Funkenkammern sichtbar machen – wie hier am CERN.

Myonen kann man in sogenannten Funkenkammern sichtbar machen – wie hier am CERN.

Es klingt paradox: Das große Problem der modernen Teilchenphysik ist ihr eigener großer Erfolg. Messungen und theoretische Berechnungen stimmen mit ungeheurer Präzision überein – teilweise auf 12 Dezimalstellen genau. Doch weitere Fortschritte in der Teilchenphysik sind nur dann möglich, wenn man Diskrepanzen zwischen Theorie und Experiment entdeckt. Daher ist das weltweite Interesse immer besonders groß, wenn neue Experimente dem bisher bekannten „Standardmodell der Teilchenphysik“ zu widersprechen scheinen.

Eines der Ergebnisse, die seit Jahren im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen, ist das magnetische Moment der Myonen. Myonen sind Elementarteilchen, die durch die kosmische Strahlung in der Erdatmosphäre erzeugt werden und uns ständig durchdringen. Gelegentlich (aber sehr selten) können sie auch unsere Zellen schädigen, denn im Gegensatz zu den ebenfalls allgegenwärtigen Neutrinos sind die Myonen elektrisch geladen. Dadurch haben sie auch magnetische Eigenschaften. Lange herbeigesehnte neue Daten über das magnetische Moment der Myonen werden am Abend des 7. April (mitteleuropäischer Zeit) in den USA bekanntgegeben. Wichtige theoretische Arbeiten dazu kommen auch von der Forschungsgruppe von Prof. Anton Rebhan an der TU Wi

Theorie und Experiment: Extreme Präzision ist nötig

Das bisher präziseste Experiment zum Myon-Magnetismus wurde am Brookhaven National Lab im Bundesstaat New York vor 20 Jahren durchgeführt. „Es ergab eine Diskrepanz zwischen Theorie und Experiment in der neunten Dezimalstelle“, sagt Anton Rebhan. „Das ist immer noch eine extrem präzise Übereinstimmung, aber in diesem Fall ist das bereits eine Abweichung, die groß genug ist, um die Hoffnung auf völlig neuartige, spannende Physik zu wecken.“

Es ist der bisher vielleicht hartnäckigste Hinweis auf Physik jenseits des Standardmodells der Teilchenphysik. Um diesen Hinweis zu erhärten, ist es aber nötig, dass er von einem unabhängigen weiteren Experiment bestätigt wird. Daran wurde mit großem Aufwand seit 8 Jahren am Fermilab bei Chicago gearbeitet. Man verwendet nicht Myonen der kosmischen Strahlung, stattdessen werden die instabilen Teilchen eigens für das Experiment erzeugt. In einem Speicherring werden sie in einem extrem starken und gleichförmigen Magnetfeld festgehalten.

Parallel zu diesen experimentellen Anstrengungen arbeiteten während der letzten Jahrzehnte zahlreiche theoretische Forschungsgruppen an einer Präzisierung der theoretischen Vorhersage. Auch das Forschungsteam von Prof. Anton Rebhan am Institut für Theoretische Physik der TU Wien steuerte bedeutsame Ergebnisse bei.

Lösung durch höhere Dimensionen

„Man muss viele einzelne Beiträge aufsummieren, um ein exaktes Ergebnis zu erhalten. Einer davon, in dem die Streuung von Licht an Licht eine Rolle spielt, bereitete dabei zuletzt größeres Kopfzerbrechen und führte zu teils heftigen Kontroversen“, sagt Anton Rebhan.

Seit längerer Zeit war bekannt, dass bisherige Modelle gravierende Probleme hatten. Sie waren mathematisch in sich widersprüchlich. „Wir konnten zeigen, dass sich diese Widersprüche auflösen lassen, wenn unendlich viele Beiträge von speziellen Elementarteilchen, den Axial-Vektormesonen, aufsummiert werden“, erklärt Anton Rebhan. Im Dezember 2019 veröffentlichte er zusammen mit seinem Doktoranden Josef Leutgeb die erste Rechnung, bei der das gelang.

Dafür wurden nicht nur die Methoden der Quantenfeldtheorie verwendet, sondern man griff auch auf die Prinzipien der Stringtheorie zurück. „Dabei kommt ein höherdimensionaler gekrümmter Raum ins Spiel, und daraus ergeben sich technische Tricks, mit denen man die unendlich vielen Teilchenanregungen aufsummieren kann“, sagt Rebhan.

Nur wenige Tage nach Leutgeb und Rebhan veröffentlichte eine Forschungsgruppe aus Italien, Deutschland und Frankreich unabhängig davon ein gleichlautendes Ergebnis. Diese Berechnungen bestätigen, dass die theoretische Vorhersage für das magnetische Moment von Myonen statistisch extrem signifikant vom bisher besten experimentellen Ergebnis am Brookhaven National Laboratory abweicht.

Mit der Enthüllung des Resultats des neuen Experiments am Fermilab in Chicago, bei dem eine viermal höhere Genauigkeit angestrebt wird, wird sich zeigen, ob die Diskrepanz zwischen Theorie und experimentellen Daten vielleicht doch geringer ausfällt – oder ob sie sogar noch größer ist, als bisher gedacht. Die neuen Ergebnisse werden auf der ganzen Welt mit Spannung erwartet, in jedem Fall werden sie den weiteren Lauf der Forschung in der Teilchenphysik maßgeblich beeinflussen.

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Zum Stream der offiziellen Verlautbarung der neuen Ergebnisse am 7. April, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster

Kontakt

Prof. Anton Rebhan
Institut für Theoretische Physik
Technische Universität Wien
+43 1 58801 13620
anton.rebhan@tuwien.ac.at